Gewerbebetriebe sind und waren schon immer in einem gewissen Zwiespalt. Einerseits sind manche Konkurrenten unter sich, andrerseits verfechten sie gegenüber der Öffentlichkeit gemeinsame Interessen. Dass in diesem zweiten Bereich ein gemeinsamer Auftritt bessere Erfolgsaussichten verspricht, hat vor 100 Jahren zum Zusammenschluss von 53 Uzwiler Betrieben im Gewerbeverein Uzwil geführt.

Alle Branchen vertreten

In seinem geschichtlichen Rückblick stellt Silvan Raschle, Vizepräsident des Gewerbevereins Uzwil, fest, dass bereits 1919 im Verein alle Branchen – Handwerker und Dienstleister – vertreten gewesen seien. Mit 150 Mitgliedern zählt der Verein heute dreimal so viel wie zur Gründungszeit. Noch immer aber weise der Verein einen guten Branchenmix auf. Geblieben sei auch der Vereinszweck, die Interessenvertretung des Gewerbes gegenüber der Öffentlichkeit.

Markant verändert hat sich der Jahresbeitrag. War vor 100 Jahren mit 2 Franken pro Mitglied gestartet worden, so belief er sich 1941 auf 7.50 Franken und macht heute 100 Franken aus. Darin ist allerdings auch eine Abgabe an den Kantonalverband enthalten.


Informierte Mitglieder

Zwar sei die Interessenvertretung immer im Vordergrund gestanden. Aber weil sich diese wirkungsvoll nur für leistungsfähige Unternehmen und tüchtige Mitglieder machen lasse, habe der Verein immer auch Anlässe mit Fortbildungscharakter organisiert. Auch wenn sich die Themen verändert und der Wirkungskreis ausgeweitet hätten, sieht Präsident Rolf Raschle im heutigen Angebot eine praktisch unveränderte Zielsetzung. An Meetings würden Vorträge über betriebliche Aktualitäten gehalten. Besichtigungen in Betrieben von Mitgliedern dienten der Information und Vernetzung. Vernetzung sei auch das Ziel gesellschaftlicher Veranstaltungen wie Generalversammlung oder Jahresausflug.

Kompetente Interessenvertreter

Im laufenden und im nächsten Jahr finden Wahlen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene statt. Hier wird sich der Gewerbeverein, wie er dies in der Vergangenheit schon immer tat, wieder für Kandidaten einsetzen, von denen er sich Unterstützung in den jeweiligen Gremien erhofft. In gewissen Bereichen wendet er sich auch direkt an eine Behörde. Der Gewerbeverein Uzwil hat sich beispielsweise mit dem Gemeinderat über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen auseinandergesetzt.

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Ein geschichtliches Dokument: Das erste Kassabuch des vor 100 Jahren gegründeten Gewerbevereins Uzwil.


Regionale und globale Ausrichtung

Auf dem Platz Uzwil spielt immer auch das Verhältnis zur Industrie eine Rolle. Gerade mit einem dominierenden Unternehmen wie der Firma Bühler sei ein gedeihliches Nebeneinander keine Selbstverständlichkeit. Weil sich die Interessen des global tätigen Unternehmens Bühler stark von jenen des Gewerbes unterschieden, beurteilt Rolf Raschle den Zusammenschluss in zwei Gremien, der Arbeitgebervereinigung und dem Gewerbeverein, als sinnvoll. Der Austausch funktioniere. Als gemeinsames Ziel verfolge man, Arbeit und Vollbeschäftigung zu generieren und so zur Wohlfahrt und zum allgemeinen Wohlstand beizutragen.

Handwerklicher Nachwuchs fehlt

Bei der Sicherung des beruflichen Nachwuchses zeigt sich momentan ein beachtlicher Unterschied zwischen den Gewerbebetrieben und dem Industrieunternehmen. Während Bühler für seine 70 Lehrstellen aus fünfmal mehr Bewerbern auswählen kann, lassen sich bei einigen handwerklichen Berufen nicht alle Lehrstellen besetzen.

Natürlich sei es positiv, dass wir von Jugendarbeitslosigkeit verschont seien, stellt Rolf Raschle fest. «Aber die nächste paar Jahre haben wir zu kämpfen, genügend Lernende zu bekommen. Das ist auf geburtenschwache Jahrgänge zurückzuführen, aber auch auf den guten Wirtschaftsgang. Attraktiver erscheinende Berufe werden von den Jugendlichen vorgezogen.»


Berufsinformation verstärken

Rolf Raschle möchte die Information über gewerbliche Berufe intensivieren und die Werbung dafür verstärken. Das Gewerbe verkauft sich seiner Ansicht nach zu schlecht, abgesehen von einigen Berufsgattungen, hinter denen ein starker Verband stehe. Es existierten zu wenig wirkungsvolle Broschüren und Informationsmittel. Das Problem sei, dass einem einzelnen kleinen Betrieb dazu die Mittel fehlten. Mit einer grossen Firma könne man nicht mithalten.

Zum Erfolg könne man nur mit gemeinsamen Anstrengungen unter Einbezug der Schulen und dem Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie Social Media kommen. Nach Ansicht von Silvan Baumgartner dürfen die Arbeitsbedingungen in gewerblichen Berufen nicht weiter schlechtgeredet werden. Sie seien ebenso attraktiv wie in industriellen Berufen. Und die Berufe wiesen bessere Zukunftsperspektiven auf als manche momentan bevorzugte. Als wichtiges Ziel formuliert Rolf Raschle abschliessend: «Uzwiler Schulabgänger sollten ihre Ausbildung möglichst am Wohnort machen können.»

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Einladung an die Bevölkerung zur 100-Jahr-Feier des Gewerbevereins Uzwil im Gemeindesaal Uzwil.