«Schattenkind» hat Philipp Gurt sein Buch überschrieben, in dem er sich mit der Thematik suchtbelasteter Familien befasst. Nina, eine Betroffene, las an der Jubiläumsveranstaltung daraus vor. Die ausgewählten Passagen verdeutlichten das schicksalhafte Abgleiten in schwierige Situationen und die schiere Unmöglichkeit, aus eigener Kraft von einer Sucht loszukommen. In seinem autobiografischen Werk beschreibt der Autor seine Jugend. Er ist eines von acht Kindern, die von ihrer Mutter im Stich gelassen werden und deren Vater alkoholsüchtig ist. Die angeordneten fürsorgerischen Zwangsmassnahmen sind fragwürdig und verfehlen ihr Ziel.
Zeit hat sich geändert
Seit einem Vierteljahrhundert bietet die Suchtberatung der Region Wil Beratung, Begleitung und Information für Betroffene, Angehörige und weitere Personen aus dem Umfeld an. Hilfe wird nicht nur bei legalen und illegalen Suchtmitteln wie Alkohol und Drogen geleistet, sondern auch bei stoffungebundenen Süchten wie Internetsucht, Ess-Störungen oder Spielsucht. In 25 Jahren hat die Suchtberatung vielen Betroffenen ermöglicht, «aus dem Schatten herauszutreten» und ist selber zu einer bedeutenden regionalen Institution geworden.
Freude über das Geleistete
Im Jahr 1994 haben die Gemeinden Bronschhofen, Bütschwil, Ganterschwil, Kirchberg, Lütisburg, Mosnang, Niederhelfenschwil, Wil und Zuzwil einen Verein zur Beratung von Suchtkranken ins Leben gerufen. Ob das ein Grund zum Feiern sei, haben sich der Wiler Stadtrat Dario Sulzer als Präsident des Trägervereins und Regierungspräsidentin Heidi Hanselmann, Gesundheitschefin des Kantons St. Gallen, gefragt. Beide haben die Frage positiv beantwortet. Natürlich wäre es besser, wenn es die Stelle überhaupt nicht brauchen würde. Die Realität belehre aber eines Besseren. Die Arbeit werde der Stelle auch in Zukunft nicht ausgehen. Das in einem Vierteljahrhundert Geleistete sei Grund zur Freude und für eine Feier mit den Verantwortlichen und Gästen. Die professionelle Arbeit des Teams und die regionale Zusammenarbeit wurden besonders von Heidi Hanselmann gewürdigt und verdankt.
Mann der ersten Stunde
Hermann Gander, Leiter der Suchtberatung, ist seit Beginn dabei. Er wurde von Dario Sulzer zu seinen Erfahrungen in den 25 Jahren befragt. Als das Spannendste und Erfüllendste an seiner Aufgabe bezeichnete er die vielfältigen Kontakte. Aus der Anfangszeit erinnerte er sich an ein Beratungsgespräch mit einer ausländischen Familie, deren Sohn als Drogensüchtiger auf dem Platzspitz in Zürich verkehrte. Trotz mangelhafter Deutschkenntnisse aller Familienmitglieder sei es schliesslich gelungen, eine Beziehung herzustellen und der Sohn sei von der Szene weggekommen.
Beziehungen als Grundlage
Die Drogenplätze Platzspitz in Zürich und Schellenacker in St. Gallen hätten dazu beigetragen, dass regionale Beratungsstellen geschaffen worden seien. Die Probleme der Klienten hätten sich in 25 Jahren stark verändert. Anfänglich seien mehr als die Hälfte der Ratsuchenden heroinabhängig gewesen. Heute befasse man sich mit einem breiteren Spektrum an Süchten. Die Arbeitsweise dagegen habe sich nicht grundlegend geändert. Es gehe nach wie vor darum, eine Beziehung zu den Ratsuchenden aufzubauen. Das gelinge am Besten in einem motivierten Team, wo jeder den anderen unterstütze.