«Finanziell wirklich schlimm wurde es nach der Scheidung», erzählt Corina Speck. Wegen einer chronischen Erkrankung kann sie kaum eine Arbeit ausüben: Seit der Primarschule weiss sie, dass sie an einem «essentiellen Tremor» leidet. Das ist in ihrem Fall ein unkontrollierbares Zittern der Hände. Woher dieser Tremor kommt, weiss man nicht. Eine erfolgreiche Therapie ist auch noch nicht gefunden. «Letztes Jahr zum Beispiel habe ich viele Medikamentenversuche durchgemacht, die nicht geholfen haben», sagt sie. So habe man ihr einen Betablocker verabreicht, der normalerweise vor allem bei Bluthochdruck verschrieben wird. Der Blocker sollte das Zittern unterdrücken. Nur: Corina Speck hat einen tiefen Blutdruck, «zu Hause bin ich zusammengeklappt».

Lehrabschluss trotz Tremor

Als Corina Speck sechs Jahre alt war, hat sie Probleme beim Schreiben bekommen. Damals wollte man ihr Psychopharmaka verschreiben. Diese Medikamente greifen in die Hirnchemie ein und verändern die psychische Verfassung. Ihre Mutter sei heftig dagegen gewesen und habe darauf beharrt, dass Corina einst selbst entscheiden solle, und zwar sobald sie volljährig sei. Mit 18 Jahren, sagt Corina Speck, habe sie beschlossen: «Ich schaffe das ohne Medikamente.» Die Lehre zur Bäckerin und Konditorin hat sie dann abgeschlossen. Lange behalten konnte sie aber dennoch keine Stelle, denn für die «meisten Tätigkeiten brauchst du die Hände». Sagt's und faltet ihre Hände zusammen. Eine der Strategien, um das Zittern zu verbergen.

Sie lernt einen Mann kennen, heiratet, Sohn Julian kommt zur Welt. Als dieser vier Jahre alt ist, folgt die Scheidung. Und damit einher gehen finanzielle Schwierigkeiten. «Als Alleinerziehende musst du immer unten durch, musst dich beweisen.» Unterm Strich bleiben Speck und ihrem Sohn derzeit nach allen Abzügen etwa 500 Franken im Monat. Nicht viel Geld zum Leben. Was tun bei einer ungeplanten Rechnung? «Von Schritt zu Schritt schauen: Was kann ich machen, worauf kann ich verzichten?»

«Du musst etwas tun»

Speck will Tabus brechen. Gerade in der Schweiz scheine es besonders wichtig, bestimmte Themen öffentlich anzusprechen. Denn sie ist überzeugt, dass vieles schief laufe und sich viele Betroffene nicht getrauten, über Schwierigkeiten und – ja – auch über Schwächen zu sprechen. Zu schnell werde man abgestempelt. Natürlich sei es nicht einfach, von staatlicher Unterstützung zu leben und dazu zu stehen. Aber inzwischen habe sie sich daran gewöhnt. Leid tut ihr denn auch vor allem Sohn Julian, der zwar verstehe, dass sie in einer schwierigen Situation lebten. Trotzdem fände er manchmal ziemlich blöd, dass sie sich nicht alles leisten könnten.

Der Gang zu den sozialen Diensten sei zudem jedes Mal ein schwerer: «Es wird dir sehr deutlich gezeigt, dass du auf die Unterstützung angewiesen bist.» So habe es denn auch Momente gegeben, in denen sie so antriebslos gewesen ist, dass sie sich wieder ins Bett gelegt habe, kaum sei der Sohn in der Schule gewesen. «Eine Zeit lang waren Matchs vom FC Wil der einzige Grund, mich nochmal aufzuraffen.» Da habe sie sich gedacht: «Das kanns nicht sein. Du musst etwas tun.» Mit ein Grund, warum sie ihre Geschichte auch im Schweizer Fernsehen bei «Tabu» und nun auf hallowil.ch erzählt hat.