Für einmal wurde ein Stück Bundespolitik in Flawil gemacht. Markus Ritter nutzte die ihm gewährte Bühne am Wirtschaftsforum in Flawil für einmal nicht für die Anliegen des Bauerverbandes. Viel mehr berichtete der Nationalrat aus der Kommission für Wirtschaft und Abgaben, der er seit sieben Jahren angehört. «Wir sind an einem Wendepunkt der Schweizer Politik. Wenn wir so weitermachen, werden grosse Nachteile auf uns zukommen. So wie es jetzt ist, kann es nicht funktionieren», sagte Ritter und spielte damit auf das Zanken um das aktuelle Steuerpaket an, das nun doch umstrittener ist als zuerst angenommen. Aus seiner Sicht müssen in dieser Thematik alle Beteiligten «eine Kröte schlucken» und gewisse Nachteile akzeptieren. Doch genau das geschehe immer weniger. Ritter geht davon aus, dass nächstes Jahr über ein Referendum abgestimmt wird – und dies mitten im Nationalratswahlkampf. Er befürchtet, dass dann manch einer den einfachsten und krötenfreien Weg geht, um in den Medien und somit auch bei den Wählern gut dazustehen. «Wir müssen in der Lage sein, uns zusammenzuraufen. Sonst wird es schwierig», sagte Ritter.
Konkret geht es laut dem CVP-Nationalrat darum, dass die Schweiz punkto Steuergesetz international auf einer grauen Liste gelandet ist und diese schwarz zu werden droht. Geduldet wird nur noch ein einheitlicher Steuersatz. Wie hoch dieser ist, kann selber bestimmt werden. Doch was ist das Problem für das Nicht-EU-Land Schweiz? «Schweizer Firmen könnten mit Strafsteuern im Ausland belegt werden, womit der Wirtschaftsstandort deutlich weniger interessant wäre», sagte Ritter.
«Bundesrat hat Angst, sich einer schwierigen Diskussion zu stellen»
Der CVP-Nationalrat nutzte seinen Auftritt auch, um die in den Tagen zuvor angezettelten Diskussionen mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann fortzuführen. Wobei Ritter in Flawil gleich die gesamte Landesregierung mit Kritik eindeckte. Er sagte: «Die Bundesräte haben Angst, sich einer schwierigen Diskussion zu stellen.» Der Bauernpräsident bezeichnete die Arbeitsweise der Bundesräte als «sehr speziell» und zeigte auf, wie es in Bundesbern im Normalfall abläuft – zumindest aus seiner Sicht. «Bei einem heiklen Thema wird ein runder Tisch einberufen. Die Teilnehmer werden durch den Bundesrat bestimmt. Er achtet darauf, dass drei Viertel seine eigene Meinung vertreten. Die Traktandenliste bestimmt der Bundesrat selber und spricht zu Beginn von einer vertraulichen Sitzung, über deren Inhalt dann der Bundesrat gegen aussen informiere.» Ritter gab in der Folge den Tipp, Menschen unbedingt ernst zu nehmen. Sonst würden sie sich «in den Schützengraben» legen und nicht mehr aus diesem herauskommen.
Wissen, wann man nichts sagt
Abgesehen von diesen politischen Plänkeleien zeigte Ritter am Donnerstagabend auch auf, welche sieben Punkte aus seiner Sicht wichtig sind, um politisch erfolgreich zu sein. «In Bern frisst der Schnelle den Langsamen. Zudem muss man die Dossiers kennen.» Ferner gehe es darum, die politischen Prozesse zu verstehen und in beiden Kammern die Mehrheit zu haben. «Die Medien sind wichtig und man muss mit ihnen zusammenarbeiten können. Weiter gehört der Widerstand in die Projekte. Krisenkommunikation ist Chefsache», so Ritter. Im sechsten Punkt bezeichnete er die Taktik als «A und O». Man müsse wissen, wann man wo angreifen müsse und wann man die Mund zu halten habe. Der siebte und letzte Punkt sei der wichtigste: Das Herzblut. Es müsse in einem brennen. Man glaubte es ihm, hielt er doch sein 40-minütiges Referat ohne Manuskript oder Notizen.