Ein Fixpunkt im Rahmen der Konzertreihe von Toccata Wil ist der «Orgelspaziergang zur Weihnachtszeit», jeweils am ersten Sonntag nach Neujahr. Am Endpunkt, in der Stadtkirche zu St.Nikolaus, ertönten dieses Jahr Vertonungen von Weihnachtsliedern von Paul Huber und die eindrückliche «Toccata über die Glocken des Doms St.Gallen». Es war gleichzeitig der Auftakt zum 100. Geburtstag des bekannten Komponisten.
2018 jährt sich der 100. Geburtstag des Komponisten Paul Huber. Die Paul Huber-Gesellschaft, präsidiert vom ehemaligen Wiler Stadtpräsident Bruno Gähwiler, kümmert sich um den Erhalt seines Werkes. Zum 100. Geburtstag finden mehrere Konzerte in verschiedenen Landessteilen statt. Am 17. Februar, 10 Uhr, gibt es im Chor der Kathedrale St.Gallen ein öffentlicher musikalischer Gedenkanlass und anschliessend eine Buchvernissage im Musiksaal Klosterhof 6b. Domorganist Willibald Guggenmos, das Dombläserquartett und das Collegium Vocale, unter der Leitung von Domkapellmeister Andreas Gut, spielen und singen ausschliesslich Kompositionen von Paul Huber. Anschliessend wird das neue Buch «Paul Huber – Der Komponist und sein Werk» mit dem Gesamtwerkverzeichnis vorgestellt.

Paul Huber würdigen
Marie-Louise Eberhard Huser war es vorbehalten, den Auftakt zum 100. Geburtstag musikalisch zu gestalten. 1943 hatte Paul Huber die Stelle des Organisten an der Stadtkirche St.Nikolaus Wil übernommen und heute ist sie dort Organistin. «Ich spiele Paul Hubers Werke immer mit grosser Freude und schätze die grosse Vielfalt seiner kompositorischen Mittel. Dass er von 1943 bis 1951 an der Stadtkirche in Wil tätig war, also da, wo ich heute wirken darf, verbindet mich ganz besonders mit ihm», sagt sie. Die ersten drei Werke, die sie am Sonntag aufführte, sind in Paul Hubers Wiler Zeit entstanden. «Er hat sie wahrscheinlich in der Stadtkirche komponiert und/oder uraufgeführt. Darum war es mir auch ein besonderes Anliegen, gleich zu Beginn des 100. Geburtsjahres auf diesen begnadeten Künstler hinzuweisen und ihn mit einem Kurzkonzert zu würdigen», drückt sie ihre Bewunderung aus.

Und sie durfte zünftig in die Tasten greifen, denn Paul Huber hat oft forte oder fortissimo geschrieben. Das war in den drei Werken «Adeste fideles» – mit dem deutschen Text bekannt als «Herbei oh ihr Gläubgen» – «Wie schön leuchtet der Morgenstern» und die «Toccata über die Glocken des Domes zu St.Gallen» zu hören und zu fühlen. «Klanggewaltig, eindrücklich, sprudelig und spielfreudig», beschreibt die Organistin den Charakter. Unter den Konzertbesuchenden war auch Gabriel Huber, der Sohn des Komponisten, der viel zur Erhaltung des Werkes seines Vaters Paul Huber beiträgt.

Eindrückliche Domglockentoccata
Den ersten beiden Werken liegen bekannte Choräle zugrunde «Adeste fideles» ist in freier Form, als Fantasie, komponiert. Bei «Wie schön leuchtet der Morgenstern», oft in Gottesdiensten gesungen, steht der Choral am Anfang und wird danach in zwei Variationen verarbeitet. Und mit einem gewaltigen Schluss, wie die Organistin demonstrierte. «Bei der Domglockentoccata haben wir als Grundlage die verschiedenen Glocken des St.Galler Domes, deren Töne Paul Huber in die schnellen Noten der Hände einfliessen lässt. Im Pedal erklingen dazu Zitate aus der Gregorianik», informiert Marie-Louise Eberhard Huser. Das fulminante Klingen aller Glocken erfüllte die Kirche, deren Mittelschiff gut mit dankbaren Zuhörenden gefüllt war.

Und zwischen diesen drei imposanten Werken spielte Marie-Louise Eberhard Huser zwei intime, feine, ruhige, meditative Liedbearbeitungen, die einen ganz anderen Paul Huber zeigen. Quasi zum Ausklang der Weihnachtszeit war es die kleine Fantasie über das Lied «Stille Nacht». Behutsam, fast entschuldigend, dass die Weihnachtsmelodie aller Weihnachtsmelodien zusätzliche Verzierungen bekommen hat. Und Bescheidenheit und Demut sprach aus der kleinen Meditation über das Bruderklausenlied «Mein Herr und mein Gott». Paul Huber hat Musik zwischen Himmel und Erde geschrieben. Erdend und kraftvoll über sich hinauswachsend.

Aufmerksamer Paul Huber
Bruno Gähwiler erzählt gerne von Paul Huber. Hedi, seine älteste Schwester, war die Frau von Paul Huber. Sie war es, die dem fleissigen Komponisten den Rücken frei gehalten hatte, damit er sich fast ausschliesslich der Musik widmen konnte. «Paul Huber war ein aufmerksamer, ruhiger und mitfühlender Mensch, der gerne impulsive Musik komponierte. Darin hat er sein ganzen Leben und Empfinden zum Ausdruck gebracht. Politischen Diskussionen ging er eher aus dem Weg und auch das Organisatorische überliess er gerne anderen», verrät Bruno Gähwiler, seit 2013 Präsident der Paul Huber Gesellschaft. Er weiss auch, dass Aufführende hin und wieder stöhnen, wenn sie Werke von Paul Huber einüben müssen. «Seine Musik ist Leiden und Freude», meint er. Das liess auch das kleine Orgelkonzert am Sonntag erahnen.

Der ehemalige Ständerat Paul Bürgi hatte als Nachbar und Förderer von Paul Huber die Gesellschaft 1993 gegründet und war ihr erster Präsident. Sie zählt 250 Mitglieder, die mit ihrem «bescheidenen» Jahresbeitrag, wie es der Präsident ausdrückt, Konzerte unterstützt, für die die Aufführenden ein Gesuch einreichen. «Die Aufführungen müssen konzertant sein, also nicht Teil eines Gottesdienstes sein», nennt Gähwiler das Kriterium für einen Beitrag. Paul Huber hat über 500 Werke mit einem breiten Spektrum komponiert. Die Gesellschaft finanziert auch den Druck von Noten, die noch handschriftlich vorhanden sind.

Zum 100. Geburtstag ein Buch
Am 17. Februar, am 100. Geburtstag von Paul Huber, erscheint ein 230-seitiges Buch mit biografischen Skizzen und Bildern über ihn, verfasst von Hanspeter Spörri, sowie das Gesamtwerkverzeichnis des Komponisten. Der Auftrag hat die Paul Huber-Gesellschaft erteilt. Bernhard Hangartner und Eva Martina Hanke geben es heraus. Das Vorwort hat der St.Galler Stadtpräsident Thomas Scheitlin geschrieben. Paul Huber, im toggenburgischen Kirchberg geboren, verlor im Alter von zehn Jahren beide Eltern und wuchs bei Pflegeeltern in Kirchberg auf. Diese und auch der damalige Gemeindeammann erkannten sein Talent. Nach der Matura am Kollegium Stans besuchte er ab 1940 das Konservatorium Zürich.

Noch während des Studiums konnte Huber 1943 die Stelle des Organisten an der Stadtkirche St.Nikolaus Wil übernehmen. 1949 rückte Paul Huber als Nachfolger von Gallus Schenk zum Musikdirektor nach. Er leitete den Schulgesang und den Kirchenchor zu St.Nikolaus, den Männerchor Concordia und den damaligen Orchesterverein, heute Sinfonisches Orchester Wil. 1951 wurde er zum Hauptlehrer für Gesang und Klavier an die Kantonsschule St.Gallen berufen. Diese Aufgabe erfüllte Paul Huber bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1983. Er starb am 25. Februar 2001. Er hinterliess Werke für Orchester, Messen und geistliche Musik, Bühnenwerke und Werke für Blasorchester.