In wenigen Tagen findet die Premiere von Donizettis «Die Regimentstochter» statt. MUSIKTHEATER WIL hat mittlerweile die Tonhalle besetzt: die Kulissen stehen, die Kostüme sind geliefert.Es ist ein Tag vor Heilig Abend. Im Café im Untergeschoss der Tonhalle weist nur ein kleines Tannenzapfengesteck auf dem Tisch auf die bevorstehenden Festtage hin. Drumherum sitzen sieben Männer, halten Listen und ihre Agenden in der Hand. Das Kulissenteam bespricht Abläufe, erstellt Dienstpläne. In genau zwei Wochen ist Premiere, dann muss jeder Handgriff sitzen, Abläufe müssen reibungslos klappen.
Zu Hause in ihren Rollen
Der Saal oben besteht aus zwei Welten. Auf der Bühne bewegen sich Figuren auf einer schrägen Spielfläche wie in einem Marionetten-Theater, übergrosse Requisiten verstärken die Wirkung eines Theaters im Theater. Unten im Saal sitzt das Regieteam und beobachtet das Geschehen auf der Bühne. Es herrscht eine gespannte Konzentration, aber ohne Stress. Man liegt gut in der Zeit, Freude am Erreichten, Spass an der Inszenierung liegt in der Luft.
Unter drei Kesselpauken, die noch auf ihren Transport in den Orchestergraben warten, liegt eine Pickelhaube, daneben ein Grosspack «Fishermens Friend». Grosse Konzentration auch auf der Bühne: Die Sängerinnen und Sänger des MUSIKTHEATER WIL fühlen sich bereits sichtlich zuhause in ihren Rollen, sie agieren ohne Anspannung und bewegen sich in ihren Rollen völlig natürlich. Neu sind nun die Kostüme, in die man noch hineinwachsen darf: Wie bewegt man sich in einem Tournürenkleid, wie handelt man eine Handtasche aus der Vorkriegszeit? Auch wird der eine oder andere Mantel oder Hut im Scheinwerferlicht mehr als warm sein.
Die Kleider, noch jungfräulich an der Stange
Unter der Bühne scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Im Durchgang zum Café haben Kaffeemaschine und Schoggiteller wieder ihren angestammten Platz eingenommen, in der Chordamengarderobe steht bereits eine erste Rose in einer Colaflasche vor der Spiegelfront. Es fehlt lediglich noch der Geruch nach Haarspray und das Gedränge vor dem Maskenraum.
Die Kleider für den zweiten Akt hängen noch jungfräulich an der Stange: Raschelnder Taft, bonbonfarben, knisternde Spitzen und schillernde Perlen mit Röcken, die gezielt durch die schmalen Gänge des Garderobenbereichs und die schmalen Stufen zur Bühne hinauf balanciert werden wollen.
Den Mensch und seine Beweggründe aufgespürt
Donizettis «Regimentstochter» ist inhaltlich und musikalisch ein vergnügliches Werk. Doch Regisseurin Regina Heer hat hinter der banal wirkenden Handlung den Menschen und seine Beweggründe aufgespürt. Zusammen mit Kurt Kollers entschlackter, dem Notenoriginal treu bleibenden Interpretation darf eine völlig neue Regimentstochter erwartet werden, die bei aller Heiterkeit nicht am Menschen vorbei spielt, sondern diesen in den Mittelpunkt stellt und dadurch ein Standartwerk der komischen Opernliteratur aus der Klamaukkiste holt und neu erfindet.