hallowil.ch: Herr Domeisen, Sie sind Präsident der Jungend Wirtschaftskammer Wil und führen ein eigenes IT-Unternehmen. Dabei bilden Sie auch Lehrlinge aus. Was ist heute die grösste Herausforderung für einen Lehrbetrieb?
In erster Linie, überhaupt geeignete Bewerbungen zu bekommen. Eine andere Herausforderung ist, die Qualität der Bewerbungen hoch zu halten. Man darf nicht vergessen, dass Schulabgänger noch keinen Rucksack haben. Ich muss immer schmunzeln, wenn ein junger Mensch schreibt, dass er Fachkenntnisse im IT-Bereich habe. Sie können und müssen das noch nicht haben. Ich als Arbeitgeber muss mich für ein Potenzial eines Jugendlichen für die nächsten vier Jahre entscheiden. Das sind schwierige Jahre für einen Jugendlichen – sie befinden sich mitten im Teenager-Alter, haben Schule und nebenbei einen Beruf, den sie erlernen müssen. Es findet ein Wechsel vom passiven Zuhörer zum aktiven Mitarbeiter statt.
hallowil.ch: Wie wichtig ist es, dass Sie eben dieses Potenzial eines Jugendlichen erkennen?
Sehr wichtig. Wenn ich einen Lehrling anstelle, dann möchte ich, dass er die Ausbildung absolvieren und alles bis zum Schluss durchziehen kann.
hallowil.ch: Wie finden Sie heraus, welcher Bewerber in Ihr Unternehmen passt?
Interessierte Bewerber absolvieren zunächst mindestens einen Schnuppertag, den wir anbieten. An diesen Tagen beobachten wir genau, wie sich ein Jugendlicher verhält. Ein weiterer grosser und wichtiger Punkt ist das Interesse. Wenn jemand morgens passiv zum schnuppern erscheint und sich einfach berieseln lässt, dann wirkt sich das dementsprechend negativ auf die Beurteilung aus. Jugendliche, die aktiv mitmachen und wissbegierig sind, wollen die Stelle. Vieles hat auch mit dem Bauchgefühl zu tun.
hallowil.ch: Brauchen Sie Ihr Bauchgefühl, schon beim Betrachten einer Bewerbung?
Ja. Ich sehe die ganzen Bewerbungsunterlagen und erkenne sofort, ob die Jugendlichen diese Bewerbung selbst geschrieben haben oder ob die Eltern geholfen haben. Wenn Bewerbungsunterlagen perfekt daherkommen, dann weiss ich, dass Erwachsene dahinterstehen.

hallowil.ch: Haben diese Jugendlichen eine bessere Chance, bei Ihnen angestellt zu werden?
Nein überhaupt nicht. Es gibt auch junge Menschen, die diese Unterstützung von Ihren Eltern nicht bekommen können. Und diese sollen auch eine Möglichkeit bekommen, sich beweisen zu können.
hallowil.ch: Haben Jugendlichen, die beim Bewerbungsschreiben Hilfe von ihren Eltern erhalten haben, gar schlechte Karten für eine Anstellung?
Natürlich nicht. Ich finde, dass dies viel über die Lebensumstände eines Jugendlichen aussagt. Wenn ihnen die Eltern helfen, dann sind sie für ihren Nachwuchs da. Ergo werden sie ihr Kind auch in der Lehre unterstützen, wenn es einmal schwierig und stressig wird. Für mich sagt das aus, dass der Jugendliche ein wohlbehütetes und unterstützendes Umfeld hat. Was jetzt aber nicht heisst, dass Eltern die Bewerbung für ihre jugendlichen Kinder schreiben sollen.
hallowil.ch: Während der Veranstaltung «Fit 4 Jobs» haben Sie den Jugendlichen mehrere Male gesagt, wie wichtig der erste Eindruck ist. Worauf achten Sie beim ersten Eindruck?
Natürlich ist der erste Eindruck wichtig. Aber er ist auch heikel: Wenn mich als Arbeitgeber etwas beeindruckt, dann ist das meine persönliche Wahrnehmung. Deshalb versuche ich, den ersten Eindruck auch ein bisschen auszublenden und mich nicht von ihm vollumfänglich beeinflussen zu lassen. Aber: Respekt und Anständigkeit sind hier das A und O – das muss beim ersten Eindruck da sein. Das sind alles Gründe, warum ich meine Mitarbeiter in eine solche Entscheidung mit einbeziehe. Ein Lehrling muss teamfähig sein und ins Team passen.
hallowil.ch: Für Jugendliche, die auf der Suche nach einer Lehre sind, ist es nicht einfach. Es sind die ersten Schritte in das Berufsleben.
Das ist so. Die Multioption, die unsere Wirtschaft heute hat, ist für die Jugendlichen die grösste Herausforderung. Man kann so viel machen und es stehen einem so viele Wege offen. Sich bei diesem Angebot für einen Beruf zu entscheiden, ist nicht einfach. Die Berufswahl kommt heute ziemlich früh. Es ist extrem schwierig als Schulabgänger abzuschätzen, was einen erwartet oder was von einem verlangt wird.
hallowil.ch: Welche Fehler machen die Jugendlichen beim Bewerben am meisten?
Oft kommt es vor, dass sie sich nicht an gewisse Standards, die in der Berufswelt das A und O sind, halten. Sie beachten zum Beispiel nicht, wie eine Bewerbung auszusehen hat. Für diese Veranstaltung mussten die Jugendlichen der Schule Lindenhof einen Lebenslauf und ein Bewerbungsschreiben verfassen. Viele brachten zerknitterte Unterlagen mit. Das geht gar nicht. Manche Jugendliche gehen das Thema Bewerbungen zu locker an. Sie nehmen es nicht ernst. Es geht hier nicht um Noten, sondern um ihre berufliche Zukunft. Die Jugendlichen haben zwar ein gutes Niveau bei den Bewerbungsgesprächen, aber sie zeigen zu wenig Emotionen.
hallowil.ch: Und deshalb ist es wichtig, dass man die Jugendlichen auf die ersten Schritte in die Berufswelt vorbereitet?
Es ist bedeutend. Deshalb liegt uns auch das Projekt «Fit 4 Jobs» so am Herzen. Die Junge Wirtschaftskamer möchte nicht nur die Jugendlichen unterstützen, sondern auch einen Beitrag zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit leisten. Unsere Mitglieder, die dieses Projekt unterstützen, kommen aus den unterschiedlichsten Branchen und können den Jugendlichen Tipps für das Zusammenstellen der Bewerbungsunterlagen und für das Bewerbungsgespräch geben. Nun ist es wichtig, dass die Jugendlichen diese Tipps ernstnehmen und auch wirklich umsetzen.