Zur Person
Kathrin Bosshard hat ihr Metier von der Pike auf gelernt, hat sie doch von 1996 – 2000 in Berlin an der „Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Fachrichtung Puppenspielkunst“ studiert und mit Auszeichnung abgeschlossen. Vorher gab sie während ungefähr zwei Jahren auf Primarschulstufe als Stellvertreterin Unterricht, wusste aber schon immer, dass sie unbedingt eine künstlerische Richtung einschlagen wolle. Nun haucht sie selbstgestalteten Puppen in Tiergestalt Leben ein und lässt das Publikum miterleben, wie es „tierisch abgeht“, wie es im Programm-Moto heisst.

Gleich nach dem Abschluss gründete sie ihr Theater „Fleisch und Pappe“ und ist seither freiberuflich als Puppenspielerin, Schauspielerin und Regisseurin unterwegs. Sie hat auch als Dozentin für Figurenspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Zürich gewirkt. All diese Erfahrungen fliessen in ihr Spiel ein und machen die Geschichten alltagsnahe.

http://www.fleischundpappe.ch/index.php?article_id=20 

Man beachte auf der Homepage auch den Youtube-Trailer zum gezeigten Stück. 

Durchdachtes Bühnenbild
Mit ein paar Drehstühlen und Sesseln, einer geheimnisvollen Kiste und einem mit feinen Bälklein angedeuteten Haus bekommt das Spiel von Kathrin Bosshard eine unaufgeregte, fliessende Erzählweise. Alles ist ins Geschehen eingebunden, auch die Übergänge von einer Figur zur anderen. Kommt man anfänglich noch nicht genau draus, welche Funktion die einzelnen Figuren haben, so fügt sich Szene um Szene wie bei einem Puzzlespiel immer mehr zusammen. Die Puppenspielerin ist immer ganz bei ihren Puppen, ihre Mimik, Stimmführung und Körperhaltung verändert sich je nach Gegenüber. Eine Diva Laetitia spricht nun einmal nicht die gleiche Sprache wie Rocker Lutz im Keller, der sich mit Bier und musikalischen Erinnerungen zudröhnt.

Punktgenaue Technik
Mit Boris Knorpp hat Kathrin Bosshard einen Meister der Licht- und Tonkunst zur Seite. Er mag es, im Hintergrund die Regler so zu bedienen, dass das Licht auf der Bühne genau auf den richtigen Punkt strahlt, die richtige Farbe aussendet und in der passenden Intensität ankommt. Auch die unverzichtbaren Geräusche und Lautmalereien erreichen exakt im passenden Moment das Ohr der Zuschauerschaft. Da Knorpp mit seinem Theater „Mafob“ (Zusammenzug aus „Masken, Figuren und Objekte“) selber viel Theatererfahrung hat, ist das Zusammenspiel mit Kathrin Bosshards Bühnengeschichten für beide Seiten umso bereichernder. Für die Mitglieder der Donnerstags-Gesellschaft hat Knorpp im Juni 2012 sein Stück „Hotel Freiheit“ - ein nachdenklich machendes Stück rund um das Wesen der wahren Freiheit - aufgeführt. 

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Bleibt gerne im Hintergrund: Licht- und Tontechniker Boris Knorpp für "Fleisch und Pappe".

Puppen mit grosser Ausstrahlung
Nun, gerade hübsch kann man nicht jede Kreation nennen. Frau Hyäne Flagranti beispielsweise hat schiefstehende Zähne und lacht bei jeder Gelegenheit ihr hässliches „Hä-hä,hä!“ heraus. Aber sie hat Geld, das macht doch sofort hübscher. Gans Milenka ist die Tochter einer Gastgans aus Polen und eines Schwans. Bernhard Hase, nennt sich aber Berny Rabbit, der in breitem „Züridütsch“ spricht, hat ein grossmännisches Auftreten. Allerdings ist das nur Fassade, denn er hat sein ganzes Geld beim Roulette-Spielen verbrannt. Frau Berger, die dicke Kröte, weiss alles über die Hausbewohner und tratscht fürs Leben gern mit Milenka. Dann gibt es noch eine Künstlerin, die Katze Laetitita, die ein richtiges Divengehabe an den Tag legt und sich gerne mit Migräne vor den Anforderungen des Alltags drückt. Sie beweint ihre grosse Liebe John. Im Keller hockt Hund Lutz und denkt an alte Zeiten mit seiner Rockband, bis er tot umfällt. Alle Figuren wohnen im gleichen Haus. 

Grandioses Puppenspiel
Die Puppen bestehen eigentlich nur aus ganz eigenwillig geformten Köpfen aus “Papier Maché“ und ganz viel Schaumstoff, wirken aber dank heruntergehängter Stoffbahnen wie lebensgrosse Objekte. Kathrin Bosshard ist dabei meist sichtbar, und doch vergisst man sie immer wieder, so fasziniert ist man von den vermeintlich sprechenden Tieren. Nicht umsonst heissen solche Figuren Klappmaulpuppen, ist doch ihr grosses, bewegliches Maul nebst den ausdrucksvoll gestalteten Augen ihr Markenzeichen. 

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So ein goldener Schal erhöht noch die persönliche Wichtigkeit.

Einen besonderen Reiz machen auch die unterschiedlichen Akzente und Dialekte aus, die die Künstlerin den einzelnen Figuren zugedacht hat. Die ganze Geschichte ist ein Reigen von kleinen Szenen, die aber alle miteinander verbunden sind. Manchmal geht es gemächlich zu und her, was die Sprechweise angeht, dafür sind die Aussagen ziemlich „hart, aber fair“, wie mehrmals gesagt wird. Es kann aber auch ganz rasant zugehen, tänzerisch, grosssprecherisch…


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Immer etwas extravagant: Katze Laetitia, Künstlerin und Diva.


Neue Mieterin bringt alles durcheinander
Weil Hase Lutz sein Geld verloren hat, muss er seine „Bel-Étage“ nun vermieten. Er scheint gut ausgelesen zu haben, denn Frau „Flagranti“ Hyäne scheint sehr reich zu sein, was er bei einem Besuch bei ihr beglückt feststellt. Da stehen ganze Koffer voller Geld herum. Welch ein Glück! Da kann er doch gleich mal einen mitgehen lassen, noch einmal spielen und damit all seine Geldsorgen auf einen Schlag aus der Welt räumen. Doch auch diesmal gewinnt dummerweise die Bank... Mit leeren Säcken möchte er bei seiner Freundin, der Katze, einziehen. Aber die hat was dagegen. Eine Künstlerin braucht schliesslich ihren Freiraum. Und da ist ja auch ihre ständige Migräne. Nein, sie verträgt keinen Wohnungsgenossen. 

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Frau Flagranti Hyäne begutachtet ihr neues Zuhause, die "Bel-Étage"

Musikalische Untermalung
„Untermalung“ ist eigentlich eine Untertreibung, denn die eingesetzten Töne, Rhythmen und Tempi bilden eine Art Überbau über das Ganze. Wenn Bernhard Hase Roulette spielt, hört man beim Drehen des Bürostuhls im Hintergrund die Kugel rollen. Bei Hund Lutz im Keller rockt eine ganze Band harten Sound, der Hase tanzt selber auch gerne zu harten Riffs. Auch hier verblüffte das präzise Zusammenspiel von Künstlerin Kathrin Bosshard und Boris Knorpp, dem Mann am Mischpult. 

Kapitalistische Weltsicht
Bernhard Hase, Erbe und Inhaber der Firma „Berny Rabbit Junior“, weiss genau, dass man mit einem neuen Mieterschild auch gleich den Mietzins erhöhen kann. Allerdings scheint er nicht der ehrlichste Geschäftsmann zu sein. In der Kunst, Gläubiger abzuwimmeln, hat er jedenfalls schon ein beachtliches Niveau erreicht. Er sucht ständig nach neuen Ideen, wie er leicht und schmerzlos an Geld herankommen könnte. Gleichzeitig jammern gewisse Mieterinnen über das tropfende Dach. „Alles verkommt!“, ist die Schlussfolgerung. Geld kassieren, aber nicht investieren – hat man das nicht auch schon von irgendwoher gehört?

Knatsch im Haus
Natürlich mag man Leute wie diese Frau „Flagranti“ nicht besonders. Die spricht in einer völlig unverständlichen Sprache und schert sich nicht um die Hausgenossen. Als nun Hund Lutz tot am Boden liegt, beginnen die grossen Intrigen. Frau Kröte ist sich sicher, dass diese Frau etwas im Schilde führt, denn sie hat doch „so böse Augen.“ Und so eine soll wieder ausziehen, passt nicht zum übrigen Mietervolk im Haus. Es kommt tatsächlich so weit, dass Hase Bernhard den Code auswechselt und damit die Frau aus der eigenen Wohnung aussperrt. Plötzlich fliegt das Haus, in welchem sich die Tiere unterdessen versammelt und in Kämpfe verstrickt haben, in die Luft. Dummerweise hat nämlich Hund Lutz vor seinem Ableben im Keller vergessen, das Gas abzustellen. Da braucht es eben nicht viel, bis alles in die Luft fliegt. Wahrlich, da ist es „tierisch abgegangen!“

Mit einem grossen Applaus verdankte das aufmerksam lauschende Publikum diesen kulturellen Leckerbissen. Schliesslich hatten die einzelnen Puppen nur das ausgesprochen, was im täglichen Leben oft eben genau so passiert.

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Anlass-Patin Ellen Schout Grünenfelder beglückwünschte die Künstlerin am Schluss mit einem Blumenbouqet. 

Nächster Anlass der Donnerstags-Gesellschaft: Donnerstag, 8.November 2018 um 20:00 Uhr in der Unterkirche Oberuzwil.

Thema: Deine unbekannten Nachbarn – das Volk der Jenischen und der Sinti“ mit Wanderausstellung und Musik.

https://www.donnerstagsgesellschaft.ch/