Der katholische Stadtpfarrer Roman Giger ist nach 15 Jahren auf der Abschieds-Tour. Ein letztes Mal begab er sich am Karfreitag ab 10 Uhr in Maria Dreibrunnen mit mehreren hundert Teilnehmern auf den Kreuzbesinnungsweg durch den Dreibrunnerwald. Ein letztes Mal hielt er am Samstag ab 20.30 Uhr in der Stadtkirche die Osternachtsfeier. Zehn Jahre lang wird Giger Stadtpfarrer gewesen sein, wenn er Ende August kurz vor seinem 50. Geburtstag einen nächsten Schritt macht. Im Westen der Stadt St. Gallen ist er vor einigen Tagen zum Pfarrer gewählt worden. In Wil gibt es nun wohl eine Vakanz, bis Bischof Markus Büchel einen Nachfolger bestimmt haben wird. «Das dürfte kein Problem sein. Denn wir haben ein starkes Seelsorge-Team. Von den 13 Personen bin ich der einzige, der geht», sagt Giger.

hallowil.ch hat sich im Verlauf der Karwoche mit dem Noch-Stadtpfarrer in dessen Wohnung zum grossen Interview getroffen. Dabei gab Giger, wie man es von ihm gewohnt ist, auch bei schwierigen Themen pointiert Antwort. Zum Beispiel bei der Frage, warum die Kirchenaustritte seit Jahren nicht abreissen wollen. «Die Kirche macht eine Menge Eigentore und bei gewissen Amtsträgern ist der 20er noch immer nicht gefallen», sagt Giger.

Giger schämt sich für die Stellung der Frau

Worauf spielt er mit den Eigentoren genau an? Es sind die Missbrauchsfälle, aber auch die Stellung der Frau. «Ich schäme mich für die Kirche, dass wir in diesem Punkt nicht weiter sind. Ich sehe theologisch keinen Grund, warum Frauen nicht zu Priesterinnen geweiht wurden dürfen», sagt Giger. Aus seiner Sicht gibt es nicht einen Priestermangel, sondern einen Weihemangel. «Man sollte auch Frauen und Verheiratete weihen können», sagt Giger.

Apropos Verheiratete: Den Zölibat findet der Wiler Stadtpfarrer nicht mehr zeitgemäss. Oder zumindest den Pflicht-Zölibat. «Ich bin für eine Aufhebung, weil dann der Zölibat noch mehr strahlen würde, wenn man ihn freiwillig machte», sagt Giger. Zum Thema «andere Glaubensgemeinschaften sagt der in Mels Aufgewachsene: «In einer globalisierten Welt ist das Miteinander der Religionen gegeben. Es ist das A und O, auf dem gemeinsamen Weg zu sein. Als grösste Gefahr sehe ich, dass das Christentum immer schwächer wird, weil wir Christen nicht mehr zu unseren Wurzeln stehen.»

Sehen Sie hier das ausführliche Oster-Videointerview:

 
"Die Menschen suchen heute Freiheit und haben Mühe mit Institutionen wie der Kirche oder dem Staat", sagt Roman Giger.