Er sprach das letzte Wort, wie alle anderen, leise und in türkischer Sprache: «Ich bereue es und entschuldige mich bei den Frauen. Ich schäme mich. Deshalb ist heute auch meine Familie nicht hier. Das ist mir eine Lehre fürs Leben.» Es war die Reue für Taten, welche der 31-Jährige Ende Januar und Anfang Februar dieses Jahres auch in Wil begangen hatte. Was er genau getan hatte, darüber wurde man sich während der Verhandlung am Kreisgericht Wil in Flawil nicht einig.

Für die Staatsanwaltschaft war klar, dass der türkisch-britische Doppelbürger als Mitglied einer Bande tätig war. Als Scheinpolizist habe er ältere Frauen um Schmuck und Bargeld im Gesamtwert von rund 11'000 Franken erleichtert. Er soll dabei als «Abholer» aufgetreten sein. Laut Anklageschrift habe ein Türke von Deutschland aus als Drahtzieher gewirkt und als vermeintlicher Polizist betagte Frauen angerufen. Dies mit dem Hinweis, dass ihr daheim aufbewahrter Schmuck und auch Bargeld in unmittelbarer Gefahr seien und einem Polizisten übergeben werden müsse, der demnächst bei ihnen zuhause auftauchen würde. Alsdann kam der Angeklagte ins Spiel, der in seinem Auto per Handy zu den entsprechenden Adressen gelotst wurde und dort die Wertsachen mitnahm, die in einer Tasche oder einem Sack übergeben wurden. Das klappte am 30. Januar im Schutz der Dunkelheit in Wil und in der gleichen Nacht im aargauischen Turgi. Als am 1. Februar nachmittags eine weitere Übergabe in Zürich-Wiedikon anstand, flog die Sache auf. Die Frau hatte die Machenschaft durchschaut und eine Tasche mit wertlosen Gegenständen übergeben. Der Angeklagte flog in flagranti auf.

Er wollte Thermalbäder besichtigten

Vor Gericht gab der Angeklagte zwar zu, in Wil und Turgi Wertsachen behändigt zu haben. Allerdings sei es zu keinem Kontakt mit den Frauen gekommen. Schmuck und Bargeld seien jeweils bereitgelegen. «Ich bin nie als falscher Polizist aufgetreten und auch kein Bandenmitglied. Dass ich eine Straftat begehe, habe ich nicht gewusst. Erst als ich die persönlichen Gegenstände sah, wurde ich stutzig.» Er habe aus Gefälligkeit Sachen holen wollen, womit einem zuvor unbekannten Mann – dem Drahtzieher – Schulden beglichen worden wären. Er sei sowieso in die Schweiz gefahren, weil er hier Ferien machen wollte – um «Berge und Thermalbäder zu besichtigen», wie der Angeklagte sagte.

Der «Abholer» sagte weiter: «Als ich merkte, dass ich eine Straftat begehe, war es zu spät.» Einige Dinge konnte er allerdings nicht entkräften. Zum Beispiel, warum er weiterhin dem Auftraggeber gehorchte, obwohl er die Wertsachen in den Säcken gesehen hatte. Auch nicht schlüssig beantwortet wurde die Frage, warum er in diesen Tagen auf seinem Handy den Preis für ein Kilogramm Gold gegoogelt hat.

Bedingte Strafe – und trotzdem im Gefängnis

Der Richter sprach eine zwölfmonatige, bedingte Freiheitsstrafe aus. Zudem wird der 31-Jährige für fünf Jahre des Landes verwiesen. Man könne ihm nicht nachweisen, dass er sich als falschen Polizisten ausgegeben habe. Der Betrug sei aber klar gegeben, so das Urteil. Die Landesverweisung sei in diesem Fall «obligatorisch». «Ich habe den Landesverweis verdient», hatte der Angeklagte schon während der Verhandlung gesagt. Die Ausschaffung könne laut dem Richter schon sehr bald erfolgen. Nämlich wenige Tage, nachdem das Urteil rechtskräftig ist. Sowohl Rechts- wie Staatsanwalt kündigten an, mit grösster Wahrscheinlichkeit auf eine Berufung zu verzichten. Für beide gäbe es Argumente dazu, da das gefällte Urteil zwischen beiden Anträgen lag.

Zurück ins Gefängnis nach Chur muss der «Abholer» aber trotzdem. Denn bis zu seiner Ausschaffung wurde Sicherheitshaft angeordnet.