Unter dem Titel `Vogelfrei` organisierte die Altstadtvereinigung in Zusammenarbeit mit Salix eine Exkursion im Stadtkern von Wil. Das Publikumsinteresse war weit grösser, als von den Organisierenden angenommen.Erste Marktfahrende bauten ihre Stände auf, als sich um Samstagfrüh auf dem Hofplatz eine immer grösser werdende Gruppe von Personen versammelte. Die Naturinteressierten reichen vom Kindes- bis ins Pensionsalter. Wie der Präsident der Altstadtvereinigung, Simon Lumpert, um 6 Uhr morgens bei der Begrüssung sagte, habe man mit zwanzig Personen gerechnet. Dass sich ungefähr zehn Personen mehr - trotz der frühen Stunde - spontan zur Teilnahme an der Führung entschlossen hätten, freue ihn. Aus Platzgründen habe man weitere Interessierte auf die zweite Durchführung des Anlasses verwiesen. Er wird noch vor den Sommerferien stattfinden.

Mitorganisator Naturgruppe Salix
Sehr beeindruckt über das unerwartet grosse Interesse zeigte sich auch Landschaftsarchitektin Andrea Schwörer. Als Salix-Vorstandsmitglied hatte sie bei der Organisation des Anlasses mitgewirkt.

Der frühe Exkursionsstart wurde wegen der Lebensweise der Vögel gewählt, bei Tagesanbruch sind sie am aktivsten. Es zeigte sich dabei ein willkommener Nebeneffekt: Bevor der Lärm des Strassenverkehrs zunimmt, ist das vielfältige Tschilpen, Gurren und Zwitschern viel besser zu hören.

Lebensraum Dächer und Büsche
Die Führung der leitet der in Maugwil wohnhafte Biologe Dr. Remo Wenger, Inhaber eines Umweltbüros, das Gutachten anfertigt. Er ergänzte seine kompetenten Ausführungen mit Bilddarstellungen der einzelnen Vogelarten auf seinem Tablet-Computer, die gleichzeitig auch mit dem typischen Ruf des entsprechenden Tieres versehen waren. Er führte die Gäste zu einer ersten Station, auf den Parkplatz gegenüber des Restaurants l`olivier, ehemals Adler.

Beunruhigende Abnahme
Dort wies er auf die Amseln auf den Dachfirsten und die Spatzen im Buschwerk bei der ehemaligen Hof-Apotheke hin. „Die Bestände der Spatzen haben in den letzten Jahren allgemein massiv abgenommen. Die Gründe dafür sind unklar. Sie könnte möglicherweise mit der Abnahme der Insektenvielfalt zusammenhängen.“ Diese hat sich um 80 Prozent reduziert. Ob dies mit dem Gifteinsatz in der Landwirtschaft und in den Gärten zusammenhängt, ist unklar. Remo Wenger vermutet ein komplexes Zusammenspiel von Einflussfaktoren.

Seltene Vogelart
Beim zweiten Standort an der Hofbergstrasse wies er auf die Alpensegler hin, deren elegante Silhouetten sich gegen den zunehmend heller werdenden Morgenhimmel abzeichneten. Sie haben ihre Behausungen an der Unterseite des Dachstuhls des Hof. „Diese Art kommt nur in sehr wenigen Städten vor, Wil ist eine von ihnen.“ Wie der Fachmann ausführte, habe sie sich perfekt an die Lebensweise in der Luft angepasst.

Überraschend viele Arten
Beim dritten Beobachtungsplatz, der Wiese zwischen Stadtweier und Damm, zückten verschiedene Teilnehmende ihre mitgebrachten Ferngläser. Dort rückte die Wachholderdrossel in ihr Blickfeld. Der Vogel in der Grösse einer Amsel hüpfte auf Futtersuche über den Rasen.

Etwas später waren unter anderem auch noch eine Mönchsgrasmücke sowie eine Bachstelze zu erkennen. Eine Teilnehmerin meinte: “Jetzt habe ich innert kurzer Zeit fünf verschiedene Vogelarten entdeckt, bisher waren dies für mich einfach Vögel um den Stadtweier.“

Eindrückliche Mechanik
Während die Strahlen der Morgensonne die Fassaden der Altstadthäuser sowie das Blattwerk der Bäume in einem gelb-goldenen Licht aufscheine liessen, spazierte die Gruppe die Treppe der Schwertstiege hoch, unterwegs zu einem weiteren Höhepunkt der Tour: den Aufstieg in der Turm der St. Nikolauskirche. Dieser dient zweitweise auch als Lebensraum der Alpensegler. Derzeit sind sie allerdings nicht anwesend.

Dennoch gab es in den verschiedenen Etagen Faszinierendes zu sehen, etwa den gläsernen Schrank voller in einander greifender Zahnräder, die die Turmuhr steuern. Eine Etage weiter waren die mächtigen Glocken zu bestaunen, die durch die grossen Lamellen vom sanften Morgenwind umweht wurden. Paul Scherrer, Messmer der Wiler Stadtkirche, erläuterte die einzelnen Bereiche des Turms.

Kleiner Imbiss
Gegen 07.40 Uhr schlenderte die Schar Richtung Restaurant Falkenburg, wo eine warme Ovo, ein Kaffee sowie Gipefeli, Butter, Konfitüre und Kräuteraufstrich auf sie warteten.

Viele Teilnehmende zeigten sich über die Exkursion sehr beeindruckt, so auch der derzeitige Wiler Parlamentspräsident Luc Kauf: „Es war ein sehr eindrücklicher Anlass, er hat mich motiviert, auf eigene Faust Mal um sechs Uhr den Vögel zu zuhören.“

Vielfalt der Altstadt
Kurz nach acht Uhr beschloss Simon Lumpert den offiziellen Teil des Anlasses, unter anderem mit den Worten: „Die Wiler Altstadt ist ein Mikrokosmos. Tragen wir weiterhin dazu bei, sie mit Leben zu füllen.“

Die Exkursion wurde unter dem Label AltstadtPlus organisiert. Unter diesem Namen veranstaltet die Altstadtvereinigung seit Herbst 2016 verschiedene Anlässe, die auf weniger bekannte Aspekte des historischen Stadtkerns aufmerksam machen wollen.