Dies hätten sich die Fürstäbte wohl nie träumen lassen, dass in fernen Jahrhunderten für sie fremdartige Musik über ihrer Kapelle getrommelt, gezupft und gesungen wird – so geschehen am Freitagabend, dem 22. Juni 2018 ab 20 Uhr. Es spielten die Musiker Han Beyli, Bass (Aserbaidschan/Ukraine), Anibal Cruz, Piano (Cuba), Keisel Jimenez, Perkussion (Cuba) sowie Joana Elena Obieta, Gesang (Schweiz/Argentinien).
Sie sind alle Absolventen des renommierten Berklee College of Music in Boston in den USA. Dass absolute Vollprofis vor dem Publikum standen, wurde an diesem Abend bereits nach dem ersten Stück klar. Sie spielten ihre Instrumente mit grosser Präzision und Virtuosität. Insbesondere der Schlagzeuger Keisel Jimenez fiel immer wieder durch komplexe Rhythmen auf, die er mit grosser Leichtigkeit zu spielen schien. Er wirkte sehr unangestrengt, wie übrigens alle Musiker. Sie sind offensichtlich sehr gut aufeinander abgestimmt und eingespielt, die Übergänge und Einsätze folgten ganz genau. Übergänge gab es einige, sie waren zum Teil gewollt abrupt, zum Teil sehr fliessend.
Freude am Musizieren
Auf sehr dynamisch gespielte Akkorde folgten im Raum schwebende Klangteppiche, die nach einer Weile wieder rhythmisch an Fahrt aufnahmen und sich ständig steigerten und auf einen Höhenpunkt zu zulaufen schienen.
Scheinbar wenig anspruchsvolle Tonfolgen verschraubten und schichteten sich in zunehmend virtuosere Klangmuster und ziselierte Rhythmusgeflechte. Nie waren die nächsten Tonfolgen für das Publikum erahnbar.
Selbst Klassiker aus den Bereichen Jazz und Soul wurden auf eine neue kreative Art interpretiert. Die spielerische Lust am Musizieren, am Experimentieren und am Improvisieren war den Musikern anzumerken. Ihre Spielfreude übertrug sich auf die Zuhörenden, die sie dem Quartett mit Zwischenapplaus, Jauchzern und rhythmisch wippenden Oberkörpern dankte. Der Funke zwischen den Zuhörenden und den Musikern sprang deutlich hin und her.
Übergangszeit kreativ nutzen
Das spezielle Ambiente trug seinen Teil zum Klangerlebnis bei. Im dicht verflochtenen massiven Gebälk des Dachstockes des Hofs kontrastierten sich der Schein elektrischer Lampen, der farbigen Scheinwerfer sowie das natürliche Abendlicht, das durch die Fenster drang, zu sich verändernden Stimmungen.
In ruhigen Momenten war das Zwitschern der Alpensegler, die an der Dachunterseite hausen, zu vernehmen. Und dass der Dachstock gewissermassen zwischen jahrhundertealter Vergangenheit und nicht genau definierter Zukunft schwebt, trug seinen Teil zum facettenreichen Kulturerlebnis bei.
Es ist immer wieder überraschend, für welch unterschiedlichen kulturellen Zwecke der Hof sich eignet. Die derzeitige Zwischennutzung unter der Leitung von Jacques Erlanger zeigt anschaulich, wie reizvoll das Ausloten der verschiedenen klanglichen und visuellen Möglichkeiten in den baufälligen Räumen ist.
Weltsprache Musik
Zurück zu den Musikern: Sie sind der beste Beleg dafür, wie Musik und Rhythmus ethnische und kulturelle Grenzen zu überwinden vermag. Sängerin Joana Elena Obieta drückte es so aus: „Wir sprechen englisch miteinander, bei allen ist dies nicht die Muttersprache. Durch das gemeinsame Musikmachen haben wir uns besser verstehen gelernt.“ Übrigens: Der Name der Gruppe Déjan bedeutet `von` vom spanischen `de` sowie `jan` vom aserbaidschanischen `Seele` sowie `Familie`, kein unpassender Name für diese Formation, die musikalische Anleihen aus der Süd- und Nordamerika, aus Osteuropa, dem Orient und weiteren Provenienzen zu einem sehr gefälligen Ganzen verwebt.
