Die Wirtschaft floriert. Darin waren sich Ernst Dobler, Präsident des Gewerbevereins Oberuzwil, und Hanspeter Trütsch, ehemaliger Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens, einig. Mit den Versäumnissen der Ostschweizer Exponenten aber ging Hanspeter Trütsch im Anschluss an die geschäftlichen Traktanden hart ins Gericht. An der 179. Hauptversammlung des Gewerbevereins Oberuzwil löste Cora Hollenstein Andy von Rotz als Vorstandsmitglied ab.Die Hauptversammlung des Gewerbevereins Oberuzwil im Rössli war gut besucht. Auch vier Mitglieder des Gemeinderates gaben den Gewerblern die Ehre: Gemeindepräsident Cornel Egger, Schulpräsident Roland Waltert, Reto Almer und Patrick Schätti.

Bessere Ertragslage erwartet
Präsident Ernst Dobler stellte in seiner Analyse der wirtschaftlichen Situation erfreut fest, dass sich der europäische Konjunkturhimmel aufgehellt habe. Die lange ersehnte Abschwächung des Frankens setze für die Exportindustrie positive Impulse. Dies wirke sich auch auf die Binnenkonjunktur aus. So könne die sich abzeichnende Sättigung auf dem Wohnungsmarkt kompensiert werden. Die Industrie und in ihrem Schlepptau auch die kleinen und mittleren Unternehmen dürften auf steigende Umsatzzahlen und eine bessere Ertragslage hoffen.

Attraktives Oberuzwil
Aussen- und sicherheitspolitisch äusserte der Präsident gewisse Bedenken, aber auch die Hoffnung, dass wir vor Handels- und anderen Kriegen verschont bleiben. Ein absolut positives Bild zeichnete Ernst Dobler von der Wohngemeinde Oberuzwil. Viele in Oberuzwil aufgewachsene Junge blieben am Ort oder kehrten wieder zurück. Die Gemeinde werde finanziell umsichtig geführt. Das Zentrum gewinne an Attraktivität durch Bauvorhaben wie die neue Clientis-Bank, erweiterte Schulräume, das erneuerte Hallenband oder die Sanierung der Wiesentalstrasse.

Den Strukturwandel im Detailhandel beurteilt Ernst Dobler für Oberuzwil als abgeschlossen. Die übrig gebliebenen Geschäfte seien leistungsfähig und könnten sich behaupten. Der Internethandel werde aber weitere Marktanteile gewinnen. Der technologische Wandel bleibe für alle Gewerbetreibenden eine konstante Herausforderung.

Zehn Neumitglieder
Im Berichtsjahr stehen drei Austritten zehn Neueintritte gegenüber. Damit hofft man auch den Rückschlag in der Kasse von 600 Franken im kommenden Jahr wieder in einen positiven Abschluss drehen zu können. Mit einem Vermögen von 47'000 Franken steht der Verein ohnehin gut da.

Ein besonderes Gedenken galt Ernst Dobler, dem im letzten Jahr verstorbenen Vater des Präsidenten. Er war gut zwei Jahrzehnte Präsident des kantonalen Gewerbeverbandes, acht Jahre Mitglied des Kantonsrates und ausserdem Vizepräsident des lokalen Gewerbevereins.

Cora Hollenstein neu im Vorstand
Andy von Rotz hat als Vorstandsmitglied demissioniert. Neu setzt sich der Vorstand aus Ernst Dobler, Felix Hangartner, Carole Morellon, Niklaus Amrhein, Bernhard Seelhofer, Philipp Voney und Cora Hollenstein zusammen.

Zu den traditionellen Anlässen – Sommerveranstaltung, Bettagmontagsausflug, Bildungsanlass, Neujahrsbegrüssung – kommt in diesem Jahr noch die mit den Gewerbevereinen Uzwil und Oberbüren gemeinsam durchgeführte Riga 18 vom 31. Mai bis 3. Juni.

St. Galler Stimme in Bern
Hanspeter Trütsch lebt in St. Gallen. Nach dem Betriebswirtschafts-Studium hat er seine Journalistenlaufbahn 1977 beim Schweizer Radio DRS begonnen. Nach einem Praktikum im Studio Zürich wechselte er zum Regionaljournal Ostschweiz. Von 1982 bis 1990 verlagerte sich sein Tätigkeitsfeld ins Ressort «Innenpolitik/Wirtschaft» von Schweizer Radio DRS. 1990 wechselte er zum Schweizer Fernsehen als Ostschweiz-Korrespondent. Seit 1996 gehörte er der Bundeshausredaktion an, die er ab 2005 leitete. Am 1. März 2016 gab er die Leitung der TV-Bundhausredaktion von SRF ab, berichtete aber weiterhin aus Bern. Im Februar 2018 ging er in Pension.

Politisches Hickhack
Nachdem er sich vom Cliché distanziert hatte, Radio- und Fernsehjournalisten seien samt und sonders Linke, sprach Hanspeter Trütsch den Gewerblern einleitend seine Anerkennung für ihre Leistungen aus. Dann aber rechnete er mit den kantonalen und eidgenössischen Politikern aus der Ostschweiz ab. Als erstes kritisierte er die grassierende Bauwut, die weit über den Bedarf an Wohnungen hinaus gehe. Weiter sprach er die gigantische Regulierungsdichte an und die Unmöglichkeit, dass sich Parteien auf vernünftige Kompromisse einigen könnten. Im Parlament sässen zu viele Juristen und Beamte und zu wenig Gewerbetreibende. Bei der heutigen Parteienlandschaft gebe es immer wieder unheilige Allianzen zwischen links und rechts, die jede Lösung verhinderten.

Aussensicht auf die Ostschweiz
Hanspeter Trütsch bedauerte, dass die Medienvielfalt geschwunden ist. Er zitierte Afred Polgar, der schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhundert formuliert hatte: «Die Presse hat die Aufgabe, das Gras zu mähen, das über etwas zu wachsen droht.» Und dann wartete er mit Zitaten auf. Aus der NZZ: «Der Ostschweiz fehlt es an Dynamik und Ehrgeiz.» Oder: «Die Ostschweiz ist im Dämmerzustand. Der Landesteil scheint nicht vom Fleck zu kommen und ist politisch marginalisiert.»

Ernst Rüesch, einst Regierungsrat und später Ständerat, habe St. Gallen als bundestreuer als ein Bundesweibel bezeichnet. Bezüglich Wettbewerbsfähigkeit rangiert St. Gallen in der zweiten Hälfte der Kantons-Rangliste. St. Gallen, so Hanspeter Trütsch, fehle ausserdem ein Kantonsbewusstsein. Die Marke St. Gallen existiere nicht. Der Slogan «St. Gallen kann es» wirke absolut hilflos.

Visionen wären notwendig
Die Ausführungen des Journalisten mögen beim einen und anderen einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen haben. Hanspeter Trütsch kennt und liebt aber seinen Heimatkanton St. Gallen und würde sich Visionen wünschen. Beispielweise: «Der Kanton ist dank seiner Vielfalt und seinem kulturellen Reichtum eine Schweiz im Kleinen: bescheiden, selbstbewusst, eigenständig und dynamisch. Etwas mehr Mut - auch Mut zum Risiko - täte gut. Es muss gelingen, den Kanton auch national wieder präsenter zu positionieren.»