Lea Bamert setzte sich bei ihrer Maturaarbeit an der Kantonsschule Wil mit der Sprachentwicklung bei Kleinkindern auseinander. In ihren Studien stellte sie fest, wie die digitalen Medien gerade bei Kleinkindern die Sprachentwicklung, wie auch die Entwicklung von Sinneserfahrungen behindern. An der Vorstellung ihrer Maturaarbeit machte sie deutlich, dass die Eltern die Zeiten des Medienkonsums ihrer Kinder beeinflussen müssen, um Fehlentwicklungen im Sprachumgang zu verhindern.Alljährlich stellen die Studierenden an der Kantonsschule Wil anfangs Jahr ihre Maturaarbeiten der Öffentlichkeit vor. Von den über 120 Maturaarbeiten nimmt sich InfoWILplus.ch der Arbeiten von Lea Bamert an. Ihre Maturararbeit setzte sich mit dem Einfluss digitaler Medien auf die Entwicklung von Kleinkindern auseinander.
Sinnliche Erfahrungen fördern die Sprachkompetenz
Den Spracherwerb eines Kindes beschreibt Lea Bamert als Lernprozess, welcher weitgehend von der Umwelt des Kindes abhängig ist, er könne sich nur in einer sprechenden Umgebung vollziehen. Sprechen lernen sei keine Leistung des Kindes allein, die Eltern tragen einen ebenso wichtigen Teil dazu bei. Das Kind lerne sprechen über das Hören und Nachsprechen von Sprachvorbildern.
Gemeinsames Tun nannte Lea Bamert viel wichtiger als reines Vorsprechen. Ein Kind, das bei einem Spaziergang eine Blume pflücke, den Namen der Blume höre, an ihr rieche, könne sich deren Name viel besser merken, da mit der Blume eine sinnliche Erfahrung verbunden sei.
Sprachanregendes Umfeld fördern
In Studien von Sprachentwicklung hat die Maturandin heraus gefunden, dass schon Babys und Kleinkinder positiv auf Musik reagieren, indem sie lächeln und sich bewegen. Wenn Eltern ihrem Kind etwas vorsingen, lauschten sie gespannt dem Klang ihrer Stimme. Das Vorsingen, später auch das gemeinsame Singen, vermittle Kindern Sprachrhythmus und Sprachmelodie ihrer Muttersprache.
Schon ab etwa einem halben Jahr könnten Eltern mit ihrem Kind anfangen, einfache Bilderbücher anzuschauen. Sie helfen Kindern, die Symbolebene zu verstehen, was eine wichtige Voraussetzung für das spätere Lesenlernen darstelle. Kinder könnten ihren Wortschatz spielerisch beim gemeinsamen Betrachten der Bilder erweitern und festigen.
Digitale Medien, Eltern müssen Vorbild sein
Zum Einfluss digitaler Medien auf Kinder wies Lea Bamert darauf hin, wie die Film- und Fernsehindustrie sich seit einigen Jahren eine ganz neue Zielgruppe erschlossen habe, Kinder im Alter zwischen vier und 24 Monaten. Es werden die verschiedensten digitalen Produkte angepriesen. Mit dem Werbespruch «Mein erster Laptop», empfohlen für Kinder von 12 bis 36 Monaten, wolle die Branche nun auch die Kleinsten gewinnen.
Es seien die Eltern, welche eine entscheidende Rolle in der Erziehung ihrer Kinder spielten im Umgang mit digitalen Medien. Kinder ahmten nach, was sie von ihren Eltern vorgelebt bekommen. Es gebe Haushalte, in welchen der Fernseher über die meiste Zeit des Tages einfach eingeschaltet bleibe. Es sei deshalb nicht weiter verwunderlich, dass Kinder solcher Familien signifikant mehr fernsehen als andere. Die Vorbildwirkung der Eltern spiele darin eine entscheidende Rolle, wie viel Zeit sie selber dem Fernsehen widmeten. Manche Eltern, häufig aus niedrigeren sozialen Schichten, halten ihre Kinder aktiv zum Fern-sehen an und versuchten damit, sie zu beschäftigen Sie setzen den Fernseher als Babysitter ein.
Auswirkungen auf die sensomotorische Entwicklung
Nach Lea Bamert ist in Studien bewiesen, dass das Denken bei Kindern bis zum Lebensalter von sechs oder sieben Jahren noch ganz anders als bei Erwachsenen abläuft. Die Kinder reagierten unmittelbar auf Reize aus ihrer Umgebung, sie seien aber noch weit entfernt davon, zu den Erfahrungen abstrakte Begriffe zu bilden.
Durch den Konsum von digitalen Medien könne diese sensorische und motorische Entwicklung nicht gefördert werden, denn das Geschehen auf dem Bildschirm laufe nur zweidimensional ab. Es könne kein realer Eindruck von der Welt vermittelt werden. Sinneserfahrungen und eine bewegungsfördernde Umgebung spielten eine Hauptrolle in den ersten Lebensjahren des Menschen für die Entwicklung von Gehirn, Motorik und Seele. Doch was auf dem Bildschirm zu sehen sei, entspreche niemals der Sache selbst, sondern bilde nur ein Surrogat der Realität. Der stete Konsum digitaler Medien verkürze die Zeit in der Kinder die reale Welt erleben können.
Auswirkungen auf die Sprachentwicklung
Lea Bamert bewies an Hand einer Studie, dass Kinder mit viel Baby-TV-Konsum, deutlich weniger Wörter kennen. Die Sprachkompetenz werde durch das Lesen gefördert, aber schon beim Vorlesen durch Eltern oder ältere Geschwister deutlich verbessert. Aus Geschichten lerne das Kind moralisches Verhalten kennen, damit könne sich seine Sozialkompetenz erhöhen. Diese Interaktion könne Baby-TV nicht bieten, denn zwischen Fernseher und Kind entstehe keine derartige Verbindung wie zu den Eltern beim Vorlesen.
Bereits Kinder unter zwei Jahren weisen kurzfristig deutliche Defizite in der Sprachentwicklung auf, wenn sie sich viele Videos oder Fernsehsendungen anschauen. Die Folgen für Kinder unter einem Jahr seien noch drastischer, wenn sie oft alleine fernsehen. Nach Kinderärzten sind die kurzfristigen Effekte genügend Anlass zur Sorge, auch wenn die langfristigen Auswirkungen noch unbekannt seien.
Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele
Fernsehsendungen, auch sogenannt kindgerechte, wirken sich nach Studien von Lea Bamert meist negativ auf das Schlafverhalten von Kindern aus. Die Betrachtung, dass Fernsehprogramm als beruhigende Einschlafhilfe darstelle, täusche ob den negativen Folgen vieler Sendungen. Der Zeitpunkt des Einschlafens verzögere sich und die Schlafdauer geht damit zurück.
Im Alter von ungefähr zwei Jahren entwickelten Kinder eine ungeheure Vorstellungskraft. Monster und Gespenster, die das Kind zuvor im Fernsehen gesehen habe, ängstigen es, was die Nachtruhe stören könne. Bei Kindern in diesem Alter seien die Grenzen zwischen Realität und Fantasie fliessend, Vorstellungen und Träume werden für das Kind Wirklichkeit.
Computerspiele mit Abhängigkeitspotential
In einer Zusammenstellung von von Merkmalen von Computerspielen zeigt Lea Bamert in ihrer Maturaarbeit auf, wie diese ein besonders hohes Abhängigkeitspotenzial aufweisen. Zum Beispiel werden virtuelle Belohnungen in Abhängigkeit von der im Spiel verbrachten Zeit vergeben, oder es werden Spielprinzipien angewandt, die dem Nutzer direkte Nachteile einbringen, sofern er die Spielwelt nicht regelmässig aufsucht. Dazu gehörten auch langwierige Level-Systeme und grossflächige, komplexe Spielwelten, die ein sehr ausdauerndes und zeitintensives Spielen über einen Zeitraum von mehreren Monaten erfordern.
Zusammenfassend könne gesagt werden, dass exzessives Spielen am Computer chronischen Schlafentzug verursacht, welcher nicht nur chronisch müde, sondern auch dick und zuckerkrank machen kann. Häufige Begleiterscheinungen der Computerspielsucht seien sozialer Rückzug und Ängste. Am Ende der Abwärtsspirale zeigten sich vielerlei körperliche Erkrankungen und auch Depression und soziale Isolation.
Empathie und Willensbildung
Nicht anders als Laufen oder Sprechen werde Empathie von Menschen durch viele Einzelerlebnisse mit anderen Menschen erlernt. Sozialverhalten lerne man durch den Umgang mit anderen, idealerweise Gleichaltrigen, unter gelegentlicher Anleitung und Aufsicht von Erwachsenen.Schon vor Jahren wurde schon gezeigt, dass man an Bildschirmen das Einfühlungsvermögen nicht aktiv üben kann. Im Gegenteil, es stellte sich heraus, dass junge Menschen weniger Mitgefühl für ihre Eltern und Freunde aufbringen, je grösser ihr täglicher Bildschirmmedienkonsum ist.
Genauso müsse die Willensbildung erlernt werden. Dabei werde gelernt, seinen eigenen Willen zu entwickeln, so wie Laufen und Sprechen gelernt werden, mit tausenden Versuchen und immer wieder neuen Erfahrungen. Wenn ein Kind spielt, singt, malt oder baut, führt es kleine Willensakte aus und lernt dabei jedes Mal und ist stolz auf selber Erreichtes. Auf mehrfache Weise sabotieren Bildschirmmedien, vor allem Smartphones, den Prozess der Willensbildung. Man habe gar keine Zeit mehr, selber eine Idee zu formen, denn vom Smartphone werde einem gesagt, was zu tun ist.
Medien im Kindergarten
Weitergehend geht Lea Bamert in ihrer Arbeit auf Argumente für und gegen den Einsatz von Medien im Kindergarten ein. Kinder lernen, indem sie beobachten und nachahmen. Den Kindern sollten Inhalte auf Basis des handlungstheoretischen Ansatzes, bei dem reale Sinneswahrnehmungen mit Handlungen in einer greifbaren Realität verbunden sind, vermittelt werden, was gegen den Einsatz von Medien im Kindergarten spreche.
Weil die Kinder in dieser Medienwelt aufwachsen, müssten sie auch lernen, sich darin zurechtzufinden. Wenn man die Kinder von den Medien abschirme, schränke man auch die Möglichkeiten einer Orientierung und einer sinnvollen Umgangsweise mit ihnen ein. Das Ziel sei es allerdings nicht, einfach nichts zu tun und die Kinder sich selbst zu überlassen. Sie brauchten Hilfestellungen, Regeln und Erklärungen von Erwachsenen.
Recherche und Literatur
Es existiert bereits viel Literatur über die Auswirkungen von digitalen Medien auf Kinder sowohl von Kritikern als auch Befürwortern. Im theoretischen Teil meiner Maturaarbeit habe ich mich mit Hilfe entsprechender Literatur, zwei der Richtung digitale Medien und Kinder, eines zur Sprachentwicklung und ein weiteres über die Medienpädagogik im Kindergarten, ins Thema eingelesen.
Im empirischen Teil führte ich Interviews mit Fachpersonen in den Bereichen Medien, Kindergarten und Sprache, um einen praxisnahen Einblick zu erhalten. Zudem führte ich mit Eltern von Kindergartenkindern eine Online-Umfrage durch, wodurch ich Erkenntnisse zu den Mediennutzungsgewohnheiten ihres Kindes zu Hause bekam.
Lea Bamert