Alljährlich feiern die Wiler Bürgerinnen und Bürger – ausser in Zeiten der Pandemie – in der Tonhalle gemeinsam die Fastnachtseröffnung, traditionell mit einer Bürgerwurst, einem Bürli, Kartoffelsalat und Wein aus dem eigenen Rebberg. Der Anlass wird von Musik und einem Bühnenprogramm begleitet. Die Veranstaltung hat ihre Wurzeln in einer früheren Wahlfeier der alljährlich gewählten Stadtregierung.
Zur Fastnachtseröffnung versammeln sich die maskierten Ortsbürger in der Tonhalle zu einem Unterhaltungsprogramm.
Viele waren unerwünscht
Heute ist gesetzlich klar geregelt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um das Bürgerrecht der Stadt Wil zu erlangen. Bis ins 19. Jahrhundert war das Sesshaft werden in Wil eine grosse Herausforderung. Aufenthaltsgenehmigungen wurden sehr zurückhaltend erteilt. Noch viel schwieriger war das Bürgerrecht zu erlangen.
Der Fürstabt als oberster Landesherr sowie die Stadtregierung setzten die Kriterien dazu fest: Nicht-Katholiken hatten kein Chance, ebenso unehelich geborene, und Personen mit unpassenden Berufen wurden nicht berücksichtigt. Auf diese Weise konnten die Wiler Gewerbetreibenden und Handwerker Konkurrenz in der eigenen Stadt verhindern.

Bürgerrecht auf Probe
Den wenigen Menschen, die das Wiler Bürgerrecht erhielten wurde es jeweils vorerst für zehn Jahre auf Probe erteilt. Die Eingebürgerten hatten verschiedene Geldleistungen zu entrichten, deren Höhe individuell festgelegt wurde. Zum Teil wurden ihnen Auflagen gemacht. So wurde etwa von einem Arzt die Erwartung von bescheidenen Rechnungen für seine Tätigkeit gefordert. Vereinzelt wurden auch Juden eingebürgert, damit sie für Geldgeschäfte zur Verfügung standen. Wer seiner Steuerpflicht nicht nachkam, verlor sein Bürgerrecht wieder.

Zur Fastnachtseröffnung haben die Nicht-Ortsbürger bis heute ihre eigene Wurst.
Silberbecher der Braut
Wenn ein Bürger eine Nicht-Bürgerin heiratete, hatte diese einen Silberbecher abzuliefern. Dieser wurde eingeschmolzen und aus dem Erlös städtische Ausgaben bezahlt. Wer das Bürgerrecht besass, konnte sich alljährlich an der Wahl der Stadtregierung und des Gerichts beteiligen. Aber nur wer mindestens sechs Jahre als Bürger in der Stadt gelebt hatte, durfte selber für eines dieser Ämter kandidieren. Wie damals üblich, waren Frauen von den Wahlen ausgeschlossen.

Gehorsamseid
Zu Jahresbeginn wurden jeweils aus einer vom Abt als oberster Stadtherr vorgelegten Liste 12 Ratsherren sowie ein Schultheiss gewählt. Nach erfolgter Wahl durch die Ortsbürger mussten alle männlichen Stadtbewohner der gewählten Regierung und dem Abt mit einem Eid den Gehorsam schwören.
Einwohner zweiter Klasse
Die sogenannten Hintersassen oder auch Beisassen waren zugezogene Personen, die in Wil ein Aufenthaltsrecht bekamen, aber erheblich weniger Rechte als die Bürger besassen. Die Bewilligung zur Wohnsitznahme wurde von der Stadtregierung und auch vom Landesherrn erteilt, respektive verweigert.
In der Regel wurden nur Gewerbetreibende und Berufsleute aufgenommen, wenn ein entsprechender Mangel in der Stadt bestand. In Wil wurde etwa ein Fachmann im Leinwandgewerbe mit Beziehungen an die Handelsorte Lyon und Mailand akzeptiert. Einem Vieharzt wurde dagegen der dauerhafte Aufenthalt in Wil verweigert, weil befürchtet wurde, er würde verbotenerweise auch Menschen behandeln.

Einige Pflichten, kaum Rechte
Die Hintersassen durften nicht an Gemeindeversammlungen teilnehmen und nicht für Wahlen in Behördenämter kandidieren. Und sie durften kein Grundeigentum erwerben und kein Vieh weiden.
In den Messen mussten sie in der Kirche mit den schlechteren Sitzplätzen vorlieb nehmen und zum Heiraten brauchten sie eine Bewilligung. Sie hatten einige Pflichten, sie mussten etwa bei Bränden beim Löschen helfen, bei Angriffen auf die Stadt mussten sie sich an der Verteidigung beteiligen und sie konnten zu Frondiensten herangezogen werden.

Im ehemaligen Restaurant Schweizerhaus am Friedtalweg stand zur Fastnachtseröffnung für die Schamauchen Schweinsrippli mit Kraut auf der Menükarte.