Am kommenden Sonntag erfolgt in der Stadtkirche St. Nikolaus Wil in einem Festakt die Neuplatzierung der historisch wertvollen Wiler Madonna mit dem Jesuskind in der neu gestalteten Marienkapelle. Benno Ruckstuhl, Mitglied der Wiler Kunst- und Museumsfreunde, verdankt die Kirchgemeinde die wirkungsvolle Platzierung in der Marienkapelle der Statkirche. Kommenden Sonntag erfolgt um 11 Uhr in einem Festakt die Eröffnung der Marienkapelle mit der dann öffentlich zugänglichen Marienfigur.Die Wiler Madonna, eine der fünf ältesten in der Schweiz bekannten Holzskulpturen der thronenden Madonna, ist eine romanische Gottesmutter nach dem Vorbild der Hodegretia (Wegweiserin), einer Marienikone in der Hodegon-Kirche in Konstantinopel. Sie erinnert eindrücklich an eine uralte Verehrung.

Zufällig aufgefunden
Die Marienfigur wurde 1879 in der Beinhauskapelle zu St. Peter, der heutigen Liebfrauenkapelle, aufgefunden und gelangte als Depositum ins historische Museum St. Gallen. 1909 entstand im Hof zu Wil ein Ortsmuseum. Die Madonna kam daraufhin nach Wil zurück und fand ihren Platz in der Äbtekapelle.

1964 entstanden erste Studien zur Renovation der Taufkapelle in St. Nikolaus und der dortigen Aufstellung der antiken Madonna. Umgesetzt wurde diese Idee 1983 mit der Gesamtrenovation der Stadtkirche. Schon bald gelangte die kostbare Marienfigur aus verschiedenen Gründen in einen Schaukasten in die Sakristei von St. Nikolaus, wo sie dem Kult entzogen und dem Kirchenvolk nicht mehr zugänglich war.

Bei archologischen Grabungen entdeckt
Anlässlich der Renovation der Kirche St. Peter Wil und der Liebfrauenkapelle 1995/96 wurden archäologische Grabungen durchgeführt. Sie haben ergeben, dass um das Jahr 1000 mit Sicherheit im südlichen Teil des heutigen Mittelschiffes der Kirche ein älteres, wesentlich kleineres Gotteshaus stand. In diesem Heiligtum wurde jene thronende Muttergottes mit Kind verehrt, die heute unter der Bezeichnung „Wiler Madonna“ bekannt ist. Sie wurde in der Zeit von 1160 bis 1180 geschaffen und wird dem süddeutsch-schwäbischen Kunstkreis zugeordnet, ist also bereits über 800 Jahre alt. Als verstümmelte Figur wurde sie 1879 in einer Nische im Chor der Liebfrauenkapelle wieder entdeckt

Raumgestaltung der neuen Marienkapelle
Ruedi Elser aus Wil, Leiter der Denkmalpflege im Kanton Thurgau, beschreibt es als besondere Herausforderung, mit der neuen Marienkapelle einen stimmungsvollen und würdigen Raum zur Betrachtung und Verehrung der romanischen Wiler Madonna zu schaffen. Die neue Gestaltung mit Form, Farbe und Licht soll zwischen der kleinen, wunderbaren Figur und dem im Verhältnis grossen Raum vermitteln. Der Raum der ehemaligen Taufkapelle wurde dazu von sämtlichen Zutaten befreit.

Der rechteckige Raum unter dem Kreuzgewölbe mit zwei Türen, eine zum Schiff und eine seitliche Türe zum Chor, ein seitliches Fenster mit Glasgemälde und der rote Tonplattenboden sind geblieben. Ein neues Farbkleid schmückt die verputzten Wände und das Gewölbe, sorgfältig gestaltet und gegliedert von der Restauratorin Doris Warger. Und im Zentrum des Raumes, sanft beleuchtet vom Kerzenlicht, steht die Madonna in einer neugeschaffenen Struktur, gleichsam einer schützenden Aura.

Eröffnungsfeier 10. Dezember
Nächsten Sonntag erwacht die berühmte Wiler Madonna nun aber wieder aus ihrem „Dornröschenschlaf“ und erhält ihren neuen Platz in der dafür geschaffenen Marienkapelle in der Stadtkirche St. Nikolaus. Die Seelsorger der katholischen Pfarr- und Kirchgemeinde Wil werden die neue Marienkapelle im Festgottesdienst von 11 Uhr segnen und die uralte, kostbare Marienfigur wieder ihrem ursprünglichen Zweck zurückgeben: der Verehrung durch das Kirchenvolk.

Umrahmt wird der Festgottesdienst mit der „Missa in B“ für Chor, Soli, Orchester und Orgel. Es singt der Chor zu St. Nikolaus und spielt das symphonische Orchester Wil.

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Die Nebenkapelle der Stadtkirche bildet als neue Marienkapelle Verehrungsort der "Wiler Madonna".