Grönland hat nach der Antarktis das zweitgrösste Gletscherreservoir der Welt. Bis zu 3000 Meter hoch ist das Eis an seiner dicksten Stelle. Dies Eisberge sind also deutlich höher als der Säntis. Auch jetzt im Hochsommer treiben scheinbar unendliche viele Eisschollen und -berge vor der Küste des Landes. Und gerade auf der grössten Insel der Welt, wo über 80 Prozent mit Eis überzogen sind, wo gefrorene Fjorde auch im Sommer Umwege für Schiffe nötig machen, lässt sich der Klimawandel gut ablesen. Zum Beispiel bei einer Expedition auf den Tasiusaq-Gletscher – also auf das so genannte Inland-Eis. Auch dieser geht spür- und vor allem sichtbar zurück. Wo noch vor einem halben Jahrzehnt Eistürme waren, ist heute lediglich Geröll übrig. Um rund fünf Meter pro Jahr geht der Gletscher zurück. Und vor allem geht die Schmelze immer schneller vonstatten. Dies ist zu sagen, obwohl die Einheimischen berichten, die hiesigen Gletscher seinem im vergangenen Jahr sogar gewachsen. Ein Indiz, die Trendwende sei geschafft, ist diese Momentaufnahme noch lange nicht.
Das Abschmelzen der Gletscher hat Auswirkungen auf die ganze Welt. In Zahlen ausgedrückt: Würden alle grönländischen Gletscher auftauen, so hätte der gesamte Meeresspiel einen um sieben Meter höheren Stand. Schon jetzt steigt er um rund einen Millimeter pro Jahr. Das hat für uns in Zentraleuropa zwar grossmehrheitlich nicht allzu dramatische Auswirkungen. Für andere aber schon. Unlängst fand hier im Ilulissat ein World-Economic-Forum statt. An diesem hat Bangladesch einen Evakuierungsplan für 24 Millionen Menschen präsentiert, berichten Einheimische.
Auch ein persönliches Erlebnis deutet auf den Klimawandel hin. So hat es bereits jetzt Mitte Juni unangenehm viele Mücken an der Westküste Grönlands. Dass es hier Moskitos hat, ist trotz der nördlichen Lage von 69 Grad nicht aussergewöhnlich. Aber der Zeitpunkt erstaunt. So wird berichtet, für gewöhnlich kämen diese Insekten erst im Juli und nicht schon im Juni.
Allerdings hat der Klimawandel hier in Gröndland auch positive Seiten. Durch das Auftauen des Eises wird viel Wasser freigesetzt, welches wertvolle Mineralien aus den Steinen herauslöst. Dies wiederum ist Basis für neue Pflanzen und neue Tiere und somit neues Leben im hohen Norden. Was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass der Klimawandel voranschreitet – selbst in Grönland.
Bemerkung: hallowil.ch-Chefredaktor Simon Dudle ist derzeit in Grönland in den Ferien und befasst sich dabei auch mit dem Klimawandel.
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So hat hallowil.ch am 16. Juni berichtet:
Das Land ist so geheimnisvoll wie seine Bewohner, etwa sechs Mal grösser als Deutschland, allerdings wohnen hier mit rund 55'000 Personen nur rund halb so viele Leute wie in der gesamten Region Wil. Über die grösste Insel unseres Planeten, welche geografisch zu Nordamerika gehört und politisch ein autonomer Bestandteil des Königreichs Dänemarks ist, weiss kaum jemand bescheid. Im Folgenden Eindrücke aus einem Land, wo das Eis alles bestimmt, jetzt im Sommer die Sonne nie untergeht und – wie in Wil – ein Bär das Wappen ziert. Auch der Klimawandel ist ein Thema.
Angekommen in Ilulissat. Es ist ein Nest mit knapp 5000 Einwohnern und somit kleiner als Münchwilen, aber die drittgrösste Gemeinde Grönlands. An Ilulissat kommt man als Grönland-Reisender nicht vorbei. Denn Ilulissat ist der Ausgangspunkt zur Diskobucht, welche man ganz einfach gesehen haben muss. Dazu aber später mehr. Ilulissat liegt nicht per Zufall an der Westküste Grönlands. Die meisten der wenigen Ortschaften sind dort errichtet worden, da der Golfstrom das Klima mildert – und das Gebiet somit überhaupt erst bewohnbar macht. Die Siedlungen liegen fast alle an der Küste – die meisten in der südlichen Hälfte des Landes. Weiter oben ist es zu kalt. Teile der Küsten und des Südens sind schneefrei - zumindest zwischen Juni und September. In den anderen Monaten ist es Winter.
Ein Flughafen im Nichts
Die Anreise ist einfacher als früher, da die verschiedenen Ortschaften heute dank der Air Grönland miteinander verbunden sind und nicht auf das Schiff zurückgegriffen werden muss. Richtig: Wenn man von einer Ortschaft zur anderen gelangen will, nimmt man in Grönland das Flugzeug. Auf die Flugbrücke ist man auch angewiesen, wenn man ein Kind gebärt oder vertiefte ärztliche Hilfe braucht. Denn ein Strassennetz zwischen den Kommunen gibt es nicht. Die Anreise ist also – mit etwas Planung – nicht weiter kompliziert. Würde man meinen. Wenn einem nicht die Swiss einen dicken Strich durch die Rechnung machen würde. Denn der Morgenflug nach Kopenhagen, von wo aus jeweils am Mittag Grönland angesteuert wird, wurde kurzerhand gestrichen. Technische Probleme. Da pro Tag genau ein Flieger von Kopenhagen nach Grönland abhebt und die meisten dieser Flieger restlos ausgebucht sind, gab es einen ungewollten zweitägigen Aufenthalt in Dänemark und jenseits der Öresund-Brücke im schwedischen Malmö – und ansehnliche Zusatzkosten, über welche man sich mit den Swiss-Rechtsanwälten noch vertieft unterhalten wird. Das ist dann halt auch die Konsequenz, wenn man sich der Empfehlungen so ziemlich aller Reisebeschreiber widersetzt und auf die Unterstützung eines Reisebüros verzichtet.
Nun gut: Immerhin die Air Grönland hatte Freude ein der zusätzlichen Buchung – und machte für den rund vierstündigen Flug kurzerhand ein Upgrade in die Businessclass daraus. Angesteuert wurde die Ortschaft Kangerlussuaq. Diese Aneinanderreihung von Buchstaben kann man sich auch beim 13 Mal lesen nicht einprägen. Ist aber auch nicht wichtig. Denn Kangerlussuaq besteht nur aus einem Flughafen – ist allerdings die Drehscheibe des grönländischen Flugverkehrs, da das Klima dort noch etwas milder ist als an der Küste und eine genug lange Landebahn für auch grössere Flugzeuge zur Verfügung steht. Wobei eigentlich nur ein grösseres Flugzeug dort landet. Denn die Air Grönland besitzt genau ein grosses Flugzeug, nämlich einen Airbus A330-200 für 278 Passagiere. Innerhalb des Landes verkehren sieben Propeller-Flugzeuge vom Bombardier mit einem Fassungsvermögen von je 37 Personen – und diverse Helikopter. Beim Weiterflug nach Ilulissat über die unendlich gross wirkenden Gletscher und eiskalten Seen fällt es einem schwer, an Klimastreik zu denken.
Fussball im Sand
So dann die Ankunft in Ilulissat mit gut zwei Tagen Verspätung. Es ist für geneigte Nordland-Reisende ein traumhafter Ort, wo die «gekalberten» Eisberge im Meer vorbeiziehen, es mehrere Schulen, Einkaufsläden und viele heulende Schlittenhunde gibt. Selbst ein Fussballplatz ist zu finden, der auch rege benutzt wird. Mit Rasen oder Kunstrasen als Unterlage? Weder noch. Sand muss genügen. Mehr kann hier nicht erwartet werden. Willkommen in Grönland.