Wer richtig fastet, muss nicht hungern. Der bewusste Verzicht auf feste Nahrung bringt keinen Verlust, sondern echte Bereicherung für Körper und Seele. Eine Selbsterfahrung.
Seit ein paar Stunden steht das Glas mit dem aufgelösten Glaubersalz im Kühlschrank. «Ex und kalt geht es am ringsten», hat die Fastenleiterin Silvia Aebi uns am Vorfastentreffen gesagt. Ein Schauer läuft über meinen Rücken, als ich das Glas an meine Lippen presse –mit einem Glas Apfelschorle spüle ich nach. Na ja, es gibt Schlimmeres.
«Für viele ist das Abführen mit dem Glaubersalz das Unangenehmste an der ganzen Fasterei», weiss Silvia Aebi, die seit vielen Jahren Menschen beim Heilfasten nach Buchinger begleitet und als Pflegefachfrau HF und Kneipp-Gesundheitsberaterin aus einem riesigen Erfahrungsschatz schöpft. Wenn der Entschluss zum Fasten aber feststeht, dann nichts wie los, haben sich wohl auch meine zwölf Fastengspähnli gesagt, die sich am nächsten Montagmorgen im Kirchgemeindehaus treffen. Ein paar essen schon seit zwei, drei Tagen nichts Festes mehr, andere haben wie ich, erst am Vortag begonnen.
Kein Hunger aber «Gluscht
«Dem Überfluss den Rücken kehren», hört man von einigen Frauen, auf die Frage weshalb sie hier sind. Andere wollen sich von «Mödeli» trennen, die sie begleiten, viele wissen vom gesundheitlichen Aspekt und einige wollen sich besser spüren und bewusster essen. Ungefähr die Hälfte sind «Wiederholungsfasterinnen», die Woche gehört bei ihnen zum festen Ritual im Jahresrhythmus. Sie schwärmen vom Wohlbefinden und der neuen Lebenslust, der Energie und dem locker sitzenden Hosenbund. Doch an diesem Morgen erzählen sie von Kopfschmerzen, Schwindel, Gelenkschmerzen und vom «Gluscht» nach etwas zwischen den Zähnen. Silvia Aebi hört zu, gibt Ratschläge, erklärt, weshalb sich plötzlich alte Gebresten wieder zeigen und rät, wenn es nicht anders geht zu einem Espresso. «Lieber einen Kaffee trinken als eine Schmerztablette zu sich nehmen», erklärt sie.
Auf den Körper hören sollen wir, sagt die Fastenfachfrau, die zugleich auch Präsidentin des Schweizerischen Kneippverbandes ist. Uns etwas Gutes tun, spazieren gehen, Siesta machen aber ganz besonders viel Trinken. Mindestens drei Liter pro Tag müssen es sein, erklärt sie. Wasser, Tee, verdünnter Frucht- und Gemüsesaft, Smoothys mit einem hohen Gemüseanteil und natürlich Suppe, selbstgemacht, mit Gemüse, fettfreier Bouillon und wenn’s sein muss, mit einer Kartoffel drin.
Der Leber Gutes tun
Ich bin mir gewohnt, bei einer Schreibblockade etwas zu essen, doch was mache ich, wenn das nicht geht? Ich tigere durchs Haus, es ist aufgeräumt, die Wäsche ist gebügelt und die Pflanzen getränkt. Weil ich leicht fröstle, wärme ich mir das «Chriesisteinkissen»und lege mich hin und träume von einem schäumenden Espresso. Schliesslich entscheide ich mich für einen Spaziergang. Frische Luft tut gut und bald ist Zeit zum Suppe kochen. Am nächsten Tag rücken wir mit Mätteli, Wolldecke, Frotteetüchern und Leinentüchlein ein. Leberwickel mit einem Schafgarbensud, heisst das Programm, zur Freude von Frau und Leber.
Dick eingemummt liegen wir auf dem Parkett, schlummernd stellen wir uns vor, wie unsere Leber vor Freude jauchzt. Beim Fasten wird die Leber arg strapaziert. Sie muss mit den «Schlackenstoffen» zurechtkommen, die während unserer Trinkkur ausgeschwemmt werden, lernen wir. Am nächsten Tag verzichte ich aufs Fastengrüppli und gehe ins Fitness. Spinning ist angesagt, ich spüre keinen Unterschied zu sonst, kann gut mithalten, fühle mich fit. Den angebotenen Traubenzucker stecke ich mir verschämt in den Mund, er schmeckt köstlich und ich nehme mir vor, den Fauxpas in der Gruppe zu beichten. Nachmittags kommt das Schreiben doch noch in Fluss.
Endlich mal wieder beissen
Rotbackig und prall steht der Apfel nun vor uns. Fastenbrechen, heisst das Zauberwort, nachdem wir uns die ganze Woche gesehnt haben. Der Tisch ist festlich mit Blumen und Kerzen gedeckt. Behutsam schneiden die Frauen den Apfel in dünne Schnitze, riechen an ihm und fühlen, wie ihnen das Wasser im Mund zusammenläuft. Andächtig nehmen sie den ersten Bissen zu sich. «Endlich mal wieder beissen», frohlockt eine und versichert, dass sie noch nie einen so schmackhaften Apfel gegessen habe.
Die fröhliche Stimmung verrät es, man ist stolz, die Woche gesund hinter sich zu haben. Silvia Aebi rät zur Vorsicht und mahnt vor allzu euphorischem Essen in der Aufbauphase. Kleine Häppchen müssen es sein, Hüttenkäse, Gschwellti, Gemüse, gekochte Salate. «Haltet euch so lange wie möglich an eine leichte Küche, lasst Süsses stehen und wagt euch erst später an erste Fleischspeisen», rät sie den Frauen. Ich habe mich entschieden, noch zwei, drei Tage anzuhängen – und im nächsten Jahr bin ich selbstverständlich wieder dabei.
Intervallfasten ist gross in Mode
Im Vergleich zum Fasten nach Buchinger, welche die am häufigsten angewendete Fastenmethode ist und es sich um eine reine Trinkkur auf der Basis von Gemüsebrühe, Säften und Tees handelt, bedeutet das Intervallfasten oder intermittierendes Fasten, dass man eine gewisse Zeit isst und danach eine gewisse Zeit fastet. Intervallfasten ist keine Diät im Sinne einer phasenweisen Ernährungsumstellung, sondern sollte eine langfristige Umstellung der Ernährungsgewohnheiten einleiten.
Es gibt verschiedene Arten des Intervallfastens. Beim 5:2-Fasten wird an fünf Tagen normal gegessen und an zwei Tagen wird die Kalorienmenge auf 500 Kalorien reduziert. Beim 16:8-Intervallfasten wird immer eine strikte Pause von 16 Stunden eingehalten, in der nicht gegessen wird. Getrunken wird nur Wasser und ungesüssten Tee. Im nüchternen Zustand verbrennt der Körper Fett, welches vorher nicht abbaubar war. Da erst 12 Stunden nach der letzten Mahlzeit der Fastenzustand eintritt, kommt der Körper normalerweise kaum in den Fettbrennungszustand. Das soll einer der Gründe sein, weshalb Menschen mit Intervallfasten Körperfett verlieren, ohne dass sie etwas an ihrer Ernährung und ihrer Fitness ändern, erklärt der amerikanische Arzt Jasong Fung im Buch «Die Schlank-Formel», welches erst im Dezember in deutscher Sprache erschienen ist.
Entscheidend ist, dass die Fastenzeiten strikt eingehalten werden. Das Intervallfasten ist zeitlich nicht begrenzt. Das intermittierende Fasten ist eine gute Diätmethode, um langfristig abzunehmen.
Quelle: Die «Schlank-Formel» von Jason Fung. Verlag: Riva















