«Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und die Partnerschaft von Mann und Frau – auf diese Grundwerte haben sich Vertreter aller Weltreligionen im Jahr 1993 geeinigt», sagt die Wiler Stadtpräsidentin Susanne Hartmann gleich zu Beginn ihrer Eröffnungsrede am Fest der Religionen. Damals hätten die Religionen dieser Welt einen gemeinsamen Nenner gefunden. Das sei richtig, wichtig und gut so. Deshalb steht die Veranstaltung Wiler Fest der Religionen unter dem Motto «Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen» – dabei handelt es sich um ein Zitat des Schweizer Theologen Hans Küng. «Und dies ist die Grundlage der eben genannten Grundwerte aus dem Jahr 1993», führt Hartmann weiter aus. Denn der Stadt Wil liegt es – gemeinsam mit der Wiler Fachstelle Integration – am Herzen, dass die verschiedenen Religionsgemeinschaften nicht nebeneinander, sondern miteinander leben.

Das Fest der Religionen, das alle zwei Jahre stattfindet, soll in erster Linie die religiöse Vielfalt der Äbtestadt zeigen und deutlich machen, dass ein Miteinander unterschiedlicher Religionen möglich ist. Denn das Fest in Wil wurde von vier Institutionen ermöglicht: Unter der Führung von Esther Hilber, Fachperson der Fachstelle Integration; Christoph Casty, Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde Wil; Bekim Alimi, Imam der islamischen Gemeinschaft Wil, und Franz Wagner, Diakon der katholischen Kirche. Gerade jetzt, wo in der Öffentlichkeit viel über da Verhältnis von Religion und Gesellschaft diskutiert wird, möchten die Wiler Religionsgemeinschaften mit den Bürgern ins Gespräch kommen. «Wir wollen miteinander und nicht übereinander reden», sagt Casty. Nur im persönlichen Gespräch könnten Vorurteile überwunden werden. Ein friedliches Miteinander könne gelingen, wenn religiöse und vor allem kulturelle Unterschiede mit Respekt behandelt werden.

Wenn die Realität anders aussieht

«Der gemeinsame Dialog kann nicht genug wiederholt werden», betont Stadtpräsidentin Hartmann an diesem Anlass. Dabei betont sie, dass es in der Realität ganz anders aussehe. Denn die religiösen Gemeinschaften seien noch weit von der Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und der Partnerschaft von Mann und Frau entfernt. Woran diese Tatsache liegt? «Aus meiner Sicht gibt es zwei Gründe», sagt Hartmann, «das Wissen und das Wollen.» Laut dem Theologen Küng brauche es in erster Linie umfassende Informationen. «Nur dadurch lässt sich die ständig drohende Instrumentalisierung der Religion für politische, ökonomische, ethnische und nationalistische Interessen vermeiden», führt Hartmann weiter aus.

Pfarrer Casty sieht es als grosse Bereicherung, wenn sich verschiedene Religionen gemeinsam in der Öffentlichkeit präsentieren. Denn mit dem Fest der Religionen werde ein klares Zeichen gesetzt: «Wir wollen miteinander leben.» Fakt sei, dass die Menschen in der Stadt noch deutlich getrennt voneinander leben. Die Durchmischung fehle einfach noch. «Es ist noch ein langer Prozess», ist Casty überzeugt. Aber Wil macht wichtige Schritte in die richtige Richtung.