Dass der Mann im Mai 2018 seine Frau in der eigenen Wiler Wohnung mit einem Messer getötet hatte, wurde nicht bestritten. Die Diskussionen drehten sich am Donnerstag in Flawil vor allem um die Frage, ob der Mann einen besonders skrupellosen und heimtückischen Mord (Staatsanwaltschaft) oder «nur» eine krankheitsbedingte, vorsätzliche Tötung (Verteidiger) begangen hatte.

Der sich seit 2004 in psychiatrischer Behandlung befindende Mann, bei dem eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert wurde, hatte aus dem Nichts heraus auf seine im Schlafzimmer zum Gebet knieende Frau 51 Mal mit einem Rüstmesser, das er in der hinteren Hosentasche vor ihr verborgen hatte, eingestochen. Zuvor hatte er noch gewartet, bis die Kinder aus der Wohnung waren. Nach der Tat zog er sich, neben seiner röchelnden Frau, in aller Ruhe eine neue Hose an, schloss die Tür ab und ging zur Polizei – und wartete, bis er an die Reihe kam. «Mir isch en Seich passiert. I han en Striit mit minere Frau gha und sie mitem Messer verletzt, also uf si igstoche. Sie isch no dihei. Wies ere goht weissi nöd, ibi denn gange», teilte er - laut Anklageschrift - den verdutzten Beamten mit. Diese konnten wenig später nur noch den Tod der Frau feststellen.

Auch der Sohn ist depressiv

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann die Tat besonders heimtückisch und skrupellos geplant und begangen hatte und verteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 12,5 Jahren – womit es sogar ein halbes Jahr über das von der Staatsanwaltschaft verlangte Strafmass hinaus ging. Das Gericht ordnete an, dass die Freiheitsstrafe zugunsten einer stationären Massnahme aufzuschieben sei. Der Mann muss sich also in einer Psychiatrischen Klinik behandeln lassen. Danach wird er für 15 Jahre des Landes verwiesen und im Schengener Informationssystem ausgeschrieben. Er sei kein Härtefall, urteilte der Richter mit Hinblick auf den Landesverweis, denn «eine Familie existiert praktisch nicht mehr». Tatsächlich ist der Sohn mittlerweile selbst depressiv und in psychiatrischer Behandlung – und die Tochter ist aus der Region weggezogen. Ausserdem muss der Mörder insgesamt 65'000 Franken Genugtuung an seine Kinder, den Schwager und die Mutter der Getöteten bezahlen.

Die Verteidigung hatte auf Totschlag und eine Strafe «am unteren Rahmen des Strafmasses» plädiert. Auch sei von einem zu langen Landesverweis abzusehen. Denn nur so könne vielleicht die Familie irgendwann wieder zueinanderfinden, so der Verteidiger. Doch von alledem wollte das Gericht nichts wissen.

Eine Stelle neben der Zelle

Der Beschuldigte wirkte, als ob ihn das Geschehen im Gericht wenig bis nichts anginge. Zwar äusserte er mehrfach sein Bedauern und bat den anwesenden Schwager und die abwesenden eigenen Kinder um «Verzeihung». Doch viel mehr kam ihm nicht über die Lippen – und selbst da wirkte seine Stimme sehr emotionslos. Er werde jede Strafe akzeptieren, doch eigentlich sei er im vorzeitigen Strafvollzug ziemlich glücklich, denn «ich habe hier eine feste Arbeit, und das gleich neben der Zelle», erzählte er. Diese «Empathielosigkeit» hielt ihm am Ende auch der Richter vor. «Ihre Gefühlskälte war auch heute spürbar», gab er dem Mörder mit auf den Weg zurück ins Gefängnis.

Nur wenige Schritte entfernt sass sein Schwager – und dieser zeigte jene Gefühle, welche man vom reuigen Mörder hätte erwarten dürfen. Immer wieder wurde der Mann, der ein enges Verhältnis zur Schwester gepflegt hatte, von Weinkrämpfen geschüttelt. Er machte mehrfach deutlich, dass er es bis heute nicht begriffen habe, wie es so weit kam. Er habe zur Familie seines Schwagers ein wunderbares Verhältnis gepflegt. «Wir haben uns monatlich gesehen. Sie sind zu uns gekommen oder wir zu ihnen gegangen», so der in Deutschland lebende Mann.

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Vorschau:

Wann gehen wir gemeinsam einkaufen? Diese harmlose Frage war der Auslöser für einen Streit, in welchem ein heute 47-jähriger Mazedonier seine Ehefrau getötet hat – mit 51 Stichen eines Küchenmessers. So schreibt es zumindest die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen in der Anklageschrift. Es passierte demnach im Mai 2018 an der Hubstrasse in Wil. Als nach dem Mittag jenes Freitags Sohn und Tochter der beiden die gemeinsame Wohnung verlassen hatten, sollen sich die schlimmen Szenen zugespielt haben.

Der Mann schnappte sich ein über 10 cm langes Rüstmesser und steckte es in die Gesässtasche. Im Schlafzimmer wurde die Diskussion mit seiner Frau betreffend Einkaufen wieder aufgenommen. Als Folge davon stach der Mann gemäss der Staatsanwaltschaft wiederholt auf seine Frau ein. Diese sei vom Angriff so überrascht gewesen, dass sie sich nicht wehren konnte und auch ausweichen nicht möglich war.

Auf der Polizeistation gewartet

Als sich die Frau nicht mehr rührte, wechselte der Mann laut Anklageschrift die mit Blut verschmierte Hose und verliess das Zimmer, während seine Gattin noch lebend am Boden lag. Seine Ehepartnerin liess er sterbend im Schlafzimmer zurück, wo sie dann auch starb. Nachdem der Mann das Messer abgewaschen hatte, verliess er laut Anklageschrift die Wohnung, um die Polizeistation aufzusuchen. Dort nahm er im Warteraum Platz. Rund eine halbe Stunde war er schliesslich an der Reihe, ohne sich vorher bemerkbar gemacht zu haben. Denn Polizisten sagte er dann: «Mir ist ein Mist passiert. Ich hatte einen Streit mit meiner Frau und ich habe auf sie eingestochen. Sie ist noch zuhause. Wie es ihr geht, weiss ich nicht.»

Der Angeklagte soll zum Tatzeitpunkt an einer paranoiden Schizophrenie gelitten haben. Laut Staatsanwaltschaft habe er das Unrecht seiner Tat einsehen können. Aufgrund der psychischen Störung sei er aber nur vermindert fähig gewesen, gemäss dieser Einsicht zu handeln.

Auch 15 Jahre Landesverbot gefordert

Am 19. Dezember muss ich der Man vor dem Kreisgericht Wil in Flawil verantworten. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren. Der Vollzug sei allerdings zu Gunsten einer stationären Massnahme aufzuschieben. Zudem soll er für 15 Jahre des Landes verwiesen werden. Bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung gilt für den Angeklagten die Unschuldsvermutung.

hallowil.ch wird über die Verhandlung berichten.