Täglich fragen sich Mamas: «Wie manage ich den Alltag mit Kindern und wie kriege ich Familie und Beruf unter einen Hut?» Vor dieser grossen Herausforderung stehen – wie viele anderen Mütter – Sarah Schnyder, Katja Sohm, Joëlle Blatter und Jessica Lombardi. «hallowil.ch» hat die vier verschiedene Frauen aus der Region an einen Tisch gebracht, um herauszufinden, wie sie zum Thema Fremdbetreuung stehen und wie sie sich im Alltag organisieren.
«hallowil.ch»: In der Schweiz gibt es eine Tendenz, dass Frauen wenige Monate nach der Geburt ihre Arbeitstätigkeit wieder aufnehmen. Was halten Sie persönlich davon?
Sarah Schnyder: Ich persönlich finde es nicht gut, wenn man sein Kind nach den ersten drei Monaten in eine Fremdbetreuung gibt. Gerade weil sich das Kind im ersten Lebensjahr so rasant entwickelt. Und in dieser Zeit erlebt das Kind so viele Meilensteine. Ich denke, dass es da vielen Müttern nach dem Mutterschaftsurlaub gleich geht und sie eigentlich gar keinen Kopf für die Arbeit haben – gerade, weil ein Kind eine riesige Umstellung ist. Ich bin der Meinung, dass der Mutterschaftsurlaub in der Schweiz definitiv verlängert werden sollte. Aber auch der Vaterschaftsurlaub. Ein Tag ist Nichts – diesen Tag brauchen die Männer alleine für die Geburt.
«hallowil.ch»: Wie haben Sie es denn persönlich erlebt?
Sarah Schnyder: Mit meinem Arbeitgeber habe ich grosses Glück. Dieser hat mich nicht einmal unter Druck gesetzt. Ich konnte meinen Mutterschaftsurlaub nach den bezahlten drei Monaten verlängern. Ich bin dann erst nach einem halben Jahr wieder in die Berufswelt eingestiegen – aber auch nur auf Abruf. Und als mein Sohn acht Monate alt war, wollte ich wieder 20 bis 30 Prozent arbeiten.
Joëlle Blatter: 14 Wochen Mutterschaftsurlaub sind schon sehr knapp bemessen. Es ist eine Zeit, die so schnell vorübergeht und gerade, weil die Umstellung beim ersten Kind enorm ist: Von einer 100-Prozent-Anstellung zur Mama mit Baby Zuhause – an das muss man sich zuerst gewöhnen. Oft ist es auch so, dass dann alles ganz anders ist, wie man es sich vorgestellt hat. In der Schweiz ist es oftmals leider so, dass man nach den drei Monaten nicht die Wahl hat: Entweder steigt man mit einem Pensum ein, das der Arbeitgeber vorschlägt oder man muss die Arbeitsstelle leider aufgeben. Häufig ist es so, dass nach dem Mutterschaftsurlaub keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung besteht – vor allem im niedrigen Teilzeitbereich. Als Unternehmerin war meine Ausgangslage anders. Ich war im Zwiespalt: Für mich waren die 14 Wochen definitiv zu wenig, aber auf der anderen Seite liegt mir unsere Firma am Herzen und da konnte ich nicht einfach sagen, dass ich mal ein Jahr pausiere.
«hallowil.ch»: Aber Sie können beispielsweise auch aus der Sicht einer Unternehmerin reden.
Joëlle Blatter: Die Systeme mit dem Mutterschaftsurlaub sind in Europa so unterschiedlich. Und ja die Schweiz dürfte da noch an ihrer Familienfreundlichkeit arbeiten. Aufgrund eines weiteren Unternehmenssitzes in Deutschland, wo eine unserer Angestellten kürzlich Mama geworden ist, haben wir einen direkten Vergleich: In Deutschland dauert die Elternzeit ein Jahr – kann aber auf bis drei Jahre ausgedehnt werden. Und danach sagt die Arbeitnehmerin, wie es mit der Anstellung weitergehen soll. Auch kann der Vater in die Elternzeit miteingebunden werden. So profitiert die ganze Familie. Und wir als Arbeitgeber müssen es so steuern, wie sie es gerne hätte. Wir wissen aber nicht, ob sie in einem Jahr ein oder drei Tage in der Woche arbeiten möchte. Die Arbeitsstelle muss trotzdem freigehalten werden. Dadurch kenne ich zwei verschiedene Systeme, die ich wohlbemerkt beide nicht ideal finde. Ein gesundes Mittelmass wäre die beste Lösung.




«hallowil.ch»: Frau Lombardi und Frau Sohm, was halten Sie vom Schweizer System, das Kind nach nur drei Monaten in die Fremdbetreuung zu geben?
Katja Sohm: Ein Kind muss einen festen Boden unter den Füssen haben – also Bezugspersonen, die in den ersten drei Lebensjahren konstant für das Kind da sind. Das können eben verschiedene Personen sein – neben den Eltern beispielsweise die Grosseltern, Gotti oder eine Tagesmutter. Kinder brauchen für ihre Entwicklung neben Sicherheit, Vertrauen und Geborgenheit eine Routine. Deshalb bevorzuge ich nicht eine Kita als Fremdbetreuung, weil es in diesen bekanntlich viele personelle Wechsel gibt. Und so muss sich ein Kita-Kind ständig an neue Bezugspersonen gewöhnen.
Jessica Lombardi: Ich habe in einer Kinderkrippe meine Lehre absolviert und für mich war es normal, dass dort Babys mit gerade Mal zwei Monaten zur Eingewöhnung kommen. Aus der Sicht der Betreuerinnen ist das ideal, wenn die Kinder so früh kommen, weil sie dann auch nicht fremdeln. Ich persönlich hätte meinen Sohn nie im Leben nach nur 14 Wochen in die Obhut einer fremden Person gegeben. Für ein Baby ist das einfach zu früh. Gerade in der Anfangszeit kann nur die Mama, die Bedürfnisse ihres Babys befriedigen. Ich würde meinen Sohn, der mittleiweile zweineinhalb Jahre alt ist, auch heute nicht in einer Kita abgeben.
Sarah Schnyder: Mich interessiert jetzt, warum gerade Du als Expertin das sagst.
Jessica Lombardi: Der Betreuungsschlüssel für die Angestellten ist ein riesiger Witz. Wenn zwei Erzieherinnen zwölf Kinder im Alter zwischen wenigen Monaten und vier Jahren betreuen müssen, dann können sie niemals allen Kindern gerecht werden. In der Schweiz gibt es selten Kitas, die ausreichend Personal haben. Man verspricht den Eltern oft das Blaue vom Himmel. Ein Beispiel: Wenn man sagt, dass man einen ganzen Vormittag mit den Kindern draussen ist. Wenn um neun Uhr gefrühstückt wird, um zehn Uhr werden alle Kinder angezogen – vor allem im Winter eine riesige Herausforderung – und um 10.30 Uhr alle wieder ausgezogen werden, damit um elf Uhr das Mittagessen serviert werden kann, dann ist es mit so vielen Kindern unmöglich, so lange draussen zu bleiben.
«hallowil.ch»: Das heisst also: Das, was in den Kitas versprochen wird, wird also nicht eingehalten?
Jessica Lombardi: Es kommt natürlich ganz auf die Kita an. Es gibt natürlich auch gut organisierte Kitas, aber es gibt eben auch viele schlechte Institutionen. Ich selbst habe in fünf verschiedenen Krippen gearbeitet und war nie wirklich zufrieden. Es müsste einfach viel mehr Personal haben. Es ist einfach schwierig mit so wenig Erzieherinnen zusammen mit den Kindern etwas zu machen. Die Wartezeiten sind für die Kinder endlos lang. Nehmen wir das Beispiel Zähneputzen: Die Kinder stehen alle in eine Reihe – bis man beim letzten Kind ist, müssen alle mindestens eine Viertelstunde warten. Und wir als Mamas wissen, wie ungeduldig Kleinkinder sind. Dann heisst es immer, dass ein Kind nie alleine von einer Erzieherin gewickelt werden darf, um eben Missbräuche zu verhindern. Aber wie will man das machen, wenn nur zwei Angestellte auf zwölf Kinder aufpassen müssen? Und wenn solche tragischen Vorfälle passieren, dann nur, weil jemand alleine mit Kindern war. Theoretisch darf niemand in einer Kita mit den Kindern alleine sein. Ich habe einmal in einer Kita gearbeitet und da kam drei Jahre lang weder jemand von der Lebensmittelkontrolle noch von der Aufsichtsbehörde.
«hallowil.ch»: Halten Sie als ehemalige Kita-Arbeitnehmerin also nichts vom Label Quali-Kita, das beispielsweise die beiden Wiler Kitas Süd und Nord besitzen?
Jessica Lombardi: Doch – wenn die Kitas auch regelmässig kontrolliert werden.

«hallowil.ch»: Man hört in der Runde eine gewisse Abneigung gegenüber Kitas.
Katja Sohm: Ich habe nichts gegen Kitas, schliesslich soll sich jede Familie so organisieren, wie sie es für richtig hält. Ich persönlich finde, dass Babys und Kleinkinder nicht in eine Institution gehören, in der sie zu Menschen keinen engen Bezug aufbauen können. Schliesslich müssen Kita-Betreuerinnen professionell bleiben und es ist unmöglich zu so vielen Kindern eine emotionale Bindung aufbauen zu können.
Joëlle Blatter: Weil ich schon in meiner ersten Schwangerschaft wusste, dass ich ziemlich schnell nach dem Mutterschaftsurlaub wieder arbeiten wollte, haben mein Ehemann und ich auch diese Möglichkeit in Betracht gezogen. Also haben wir die Kita in unserem Wohnort angefragt und dabei schlechte Erfahrungen gemacht. Obwohl ich telefonisch mehrmals nach einem Kita-Platz gefragt habe, habe ich nie von der Kitaleitung einen Rückruf erhalten. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass dies kein zuverlässiger und kompetenter Platz für mein Kind ist. Das hat uns dann total gebremst. Andere Eltern in unserem Bekanntenkreis haben uns andere Kitas in der Region empfohlen. Eine andere Kita wollten wir aber nicht anfragen, weil diese nicht auf unserem Arbeitsweg liegen. In die Gegenrichtung zu fahren, kostet enorm viel Zeit. Das heisst aber nicht, dass ich grundsätzlich gegen Kitas bin.
Sarah Schnyder: Ich bin kein Fan von diesen Institutionen. Meinen Sohn würde ich nie in einer Kita abgeben. Ich finde es nicht richtig, dass bei einer Kitaplatz-Anfrage Mütter und Väter ihren Lohn preisgeben müssen und je nach Einkommen mehr oder weniger bezahlen. Und weil mein Ehemann und ich beide gut verdienen, sollten wir für einen Kitaplatz tiefer ins Portemonnaie. Ich unterstütze es, wenn alleinerziehende Mütter weniger bezahlen dürfen. Aber die Betreuungskosten allgemein aufgrund eines Haushalteinkommens zu definieren, ist nicht gerecht. Bekommt denn mein Kind eine bessere Betreuung und mehr Aufmerksamkeit, wenn ich draufzahle? Nein, tut es nicht.
«hallowil.ch»: Es gibt verschiedene Betreuungsmöglichkeiten. Welche Variante können Sie anderen Mamas also empfehlen?
Joëlle Blatter: Ich habe das Glück, dass meine Mutter und Schwiegermutter uns unter die Arme greifen und je einen Tag in der Woche ein Kind zu sich nehmen. Dies ist natürlich nicht selbstverständlich. Zusätzlich haben wir in der Nähe unseres Wohnortes eine extrem flexible Tagesmutter gefunden. Und eben, die Kinder fühlen sich bei den gleichen Bezugspersonen einfach wohl und können sich so entfalten.
Jessica Lombardi: Ich bin selbstständige Tagesmutter und betreue neben meinem Sohn täglich noch ein bis vier weitere Kinder. Für mich ein ideales Angebot. Wie der Titel schon verrät – eine Tagesmutter ist eine Mama, die sich tagsüber um ein fremdes Kind kümmert. Die Kinder, die ich tagsüber betreue, liebe ich wie meinen Sohn.
Sarah Schnyder: Meine Mama ist pensioniert und betreut meinen Sohn, während meiner Arbeitszeit. Und dafür bin ich sehr dankbar und es ist das Beste, was mir passieren konnte. Wem kann man sonst mehr vertrauen, als der eigenen Mutter? Sie ist extrem flexibel sowie zuverlässig und richtet sich ganz nach meinen Terminen. Sonst finde ich eine Tagesmutter auch eine super Lösung.
«hallowil.ch»: Aber in einer Kita haben die Kinder mehrere Sozialkontakte, was für ihre Entwicklung enorm wichtig ist. Denn Kinder brauchen Kinder – weil sie voneinander am meisten lernen.
Sarah Schnyder: Diese Kontakte hat mein Sohn auch ohne eine Kita. In seinem Umfeld gibt es genug Kinder, mit denen er regelmässig spielt. Er leidet also nicht darunter, dass nur meine Mama ihn betreut.
Jessica Lombardi: Eine Tagesmutter betreut auch meistens mehrere Kinder an einem Tag.
«hallowil.ch»: Ein grosses Thema in der Schweiz ist auch die Betreuung, welche die Grosseltern kostenlos übernehmen.
Jessica Lombardi: In unserer Familie ist es so, dass meine Eltern und Schwiegereltern getrennt sind und alle einen neuen Partner haben – in diesem Sinn hat unser Sohn acht Grosseltern. Alle lieben ihn abgöttisch und möchten Zeit mit ihm verbringen. Nun kommt das grosse Aber: Sie sind alle noch berufstätig. Bei vielen Eltern in der Schweiz ist das der Fall.
Joëlle Blatter: Natürlich leisten Grosseltern viel. In unserem Fall würde es ohne Grosseltern nicht gehen. Man muss sich aber den Gegebenheiten der Grosseltern anpassen und auf manche kurzfristige Änderungen eingehen können.
«hallowil.ch»: Die ganze Organisation der Kinderbetreuung und das Zeitmanagement der Familie – sind Sie alleine dafür verantwortlich oder organisieren Sie das zusammen mit Ihren Ehemännern sowie Ex-Partnern?
Katja Sohm: Mein Ex-Freund und ich haben uns bereits während der Schwangerschaft getrennt. Anfangs war es mit der Organisation der Betreuung für unseren Sohn etwas schwierig, weil die Fronten verhärtet waren. Mittlerweile haben wir eine enge Kommunikation. Mein Sohn verbringt jedes zweite Wochenende bei seinem Papa und das liegt mir am Herzen. Er soll sowohl seine Mama haben, als auch seinen Papa.
Sarah Schnyder: Also da bin ich wie eine alleinerziehende Mama – das Ruder liegt ganz bei mir (lacht). Weil mein Ehemann in Schichten arbeitet, ist es gar nicht möglich, ihn in die ganze Organisation miteinzubeziehen.
Jessica Lombardi: Als Mama und Tagesmama bin ich froh, wenn die ganze Organisation in meiner Verantwortung ist. Mittlerweile habe ich diese Routine und wenn ich alles alleine organisiere, dann muss ich auch nicht ewig diskutieren. Und wenn wir ehrlich sind, dann ist das in allen Familien so, dass die Frau die Federführung hat. Das bedeutet aber nicht, dass sich mein nicht für die Kindererziehung interessiert. Er nimmt sich viel Zeit für unseren Sohn, ist aber froh, wenn alles steht.

In der Serie «Kita im Fokus» sind bisher diese Beiträge erschienen:
Teil 1: Ein Porträt über eine Mama, die nicht beide Kinder in die Kita schicken möchte
Teil 2: Eine Reportage über eine Wiler Kita, die auf Qualität setzt