Er lebt in Wil von der Sozialhilfe, ist 34-jährig, Jahresaufenthalter mit der Bewilligung B, verschuldet – und hat sich der mehrfachen Erpressung und Geldwäscherei schuldig gemacht. So lässt sich kurz, knapp und zugespitzt die Lebenssituation jenes Mannes zusammenfassen, der sich am Donnerstag vor dem Kreisgericht Wil in Flawil zu verantworten hatte.
Es ging vor Schranken um die Frage, ob der Eritreer Teil eines erpresserischen Systems ist oder nicht. Laut der Staatsanwaltschaft war dessen Aufgabe, Lösegeld zu sammeln und Schleppern in Äthiopien, dem Sudan oder Libyen zukommen zu lassen. Auf dem beschwerlichen Weg nach Europa werden Flüchtlinge in jenen Ländern wiederholt festgenommen. Da sie häufig keine Reisepapiere verfügen, zahlen sie Schleppern Geld. Haben die Fliehenden dieses nicht, werden sie gefangen gehalten, bis Angehörige das Geld aufbringen. Manche Emigranten werden entführt oder gar gefoltert, bis der Geldfluss erfolgt.
75 Anrufe pro Tag – 2 Fälle dokumentiert
Bezahlt wird das Geld an Mittelsmänner, die sich im jeweiligen Aufenthaltsland der Angehörigen befinden. Das Geld wird in bar entgegengenommen und an die Erpresser gesandt. Von mindestens sieben Entführungs-Opfern soll der Wiler Geld bekommen und über das Mittelmeer geschickt haben. Mit Namen dokumentiert sind aber nur zwei Fälle. Diese wurden schliesslich verhandelt. Doch der Angeklagte bestritt vor Gericht, ein solcher Mittelsmann zu sein – bevor er gegen Ende der Befragung gar nichts mehr sagen wollte.
Also stand bei den Plädoyers der Anwälte Aussage gegen Aussage. Für den Staatsanwalt war erwiesene Sache, dass der Eritreer Erpressungen begangenen hat. Diese Aussage erfolgte mit Verweis auf abgehörte Telefongespräche, welche der Angeklagte getätigt hatte. Und dies nicht zu knapp. 6800 Verbindungen hatte er innerhalb von drei Monaten aufgebaut – also rund 75 am Tag. «Weil viele meiner Freunde ausserhalb der Schweiz wohnen», sagte der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung. Der Staatsanwalt forderte eine bedingte Haftstrafe von 22 Monaten.
Über 27'000 Franken Genugtuung beantragt
Der Verteidiger hätte für seinen Mandanten gerne einen Freispruch und 27'500 Franken an Genugtuung bekommen. Für ihn war nach der Beweisverhandlung klar, dass so manches nicht klar war. Zum Beispiel, wer das Geld wem gegeben hat. Der Inhalt der erwähnten Telefongespräche sei nicht belegt. Der Verteidiger stellte nicht in Abrede, dass sein Mandant Geld in die Heimat schicke. Allerdings tue er dies legal im Rahmen des so genannten Hawala-Systems. Damit kann Geld mittels Geheimcodes schnell, vertraulich und kostengünstig transferiert werden. «Belegt ist kein einziger Rappen an Erpressung, und schon gar keine Geldwäscherei», sagte der Verteidiger.
Doch für das Gericht war der Fall klar und es verurteilte den Eritreer zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten. Zudem muss er fast 70'000 Franken an Verfahrenskosten und an den Staat zahlen, wenn es seine Verhältnisse erlauben. «Er war nicht nur Gehilfe, sondern Mittäter. Es brauchte ihn, um ein System aufrechtzuerhalten», begründete der Richter. Die Erpressungen seien aufgrund der aufgezeichneten Telefongespräche bewiesen.
Im Verlaufe der Verhandlung war auch ein Landesverweis zur Debatte gestanden. Ein solcher wurde nicht ausgesprochen, weil im Vorfeld keine so genannte Härtefallprüfung erfolgt war.