Die 14-jährige Soraya püriert mit einem Stabmixer die aufgewärmten Tiefkühlerdbeeren. Daneben steht aufgeschlagener Rahm mit Mascarpone und Löffelbiscuits. Die Schülerin der zweiten Oberstufe der Schule Lindenhof in Wil ist heute für das Dessert im Hauswirtschaftsunterricht verantwortlich. Tiramisu steht auf der Menüliste. «Ich bin Italienerin, ich hab das Dessert gewählt – also sollte ich es auch machen», sagt die Schülerin und lacht herzlich. Gleich danach beginnt sie mit dem Schichten italienischen Klassikers. Als erstes «Ich liebe Hauswirtschaft», sagt Soraya. Warum? «Weil es sich nicht wie Schule anfühlt», antwortet sie. Sie kichert und blickt zu ihrer Schulfreundin Serena, die gerade die Kartoffeln und Zucchetti für die Hauptspeise zugeschnitten hat und mitkichert. Beide blicken zu ihrer Hauswirtschaftslehrerin, die vor sich hinlächelt. «Spass beiseite. Ich mag Hauswirtschaft, weil ich etwas lerne, das mir im Leben etwas bringt», erklärt Soraya. Dann fängt Serena zu lachen an: «Ja genau, und darum hältst du dich an die Regeln vom ‘Mise en place’». Soraya guckt das Durcheinander vor ihr auf der Arbeitsfläche an. Dann lachen beide Mädchen wieder.
Am 21. März 1982 wurde der Welttag der Hauswirtschaft durch den Internationalen Verband für Hauswirtschaft eingeführt. Dieser Tag soll darauf hinweisen, dass Hauswirtschaft viel mehr als das Kochen in der Küche und Putzen der eigenen vier Wände ist. Und ein Ziel steht besonders im Fokus: Die Menschen sollen sensibilisiert werden – denn hauswirtschaftliches Wissen ist eine wichtige Grundlage des Alltags. Auch in der Schweiz und in der Region Wil rückt der Tag heute ins Zentrum: So lanciert der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) eine nationale Kampagne: Heute soll in mehr als 20 Kantonen mindestens ein Anlass stattfinden, der das Bewusstsein für die Hauswirtschaft stärkt. In Wil lancieren drei Hauswirtschaftslehrerinnen zusammen mit SBLV-Präsidentin Ursula Egli eine Aktion, bei der zwei Bäuerinnen im Hauswirtschaftsunterricht von ihrer Arbeit erzählen und mitkochen. Die Bäuerinnen bereiten zusammen mit den Klassen ein Mittagsmenu für Lehrpersonen und Gäste zu.
«Schüler kommen gerne in den Unterricht»
Zurück in der Schulküche des Lindenhofs: Während Soraya die erste Löffelbiscuit-Schicht in eine Backform gelegt hat und die erste Schicht Erdbeer-Püree verteilt hat, reibt Serena zwei verschiedene Käsesorten eines regionalen Hofladens für die fünf Millimeter dicken Kartoffel- und Zucchettischeiben auf dem Backblech. Auch die 15-Jährige geht gerne in den Hauswirtschaftsunterricht. «Neben den albanischen Gerichten, die mir meine Mama zu Hause zeigt, bekomme ich hier die wichtigste Grundlage», sagt die Schülerin, die in Zukunft Fachangestellte für Gesundheit werden möchte. Hauswirtschaft brauche man, um einen Haushalt richtig führen zu können und um für die Familie richtig kochen zu können. «Ja, später wollen wir ja auch Kinder haben und dann sollten wir schon wissen, wie alles praktisch geht und funktioniert», ruft Soraya von der anderen Seite. Sie schichtet schon die erste Rahm-Mascarpone-Masse. Serena probiert vom Käse, den sie noch immer reibt. Sie verzieht den Mund leicht. Der habe einen starken Geschmack.
Der Hauswirtschaftsunterricht ist ein bedeutendes und unverzichtbares Schulfach. Das findet Rita Scheiwiller, die seit 25 Jahren dieses Fach an der Oberstufe Lindenhof unterrichtet. Wichtig sei Hauswirtschaft, weil jeder lernen müsse, seinen Alltag im Haushalt bewerkstelligen zu können. In der Schweiz verfolgt der hauswirtschaftliche Unterricht, heute Wirtschaft-Arbeit-Haushalt, mehrere Ziele: Die Schüler müssen Rezepte lesen können, mit allen sieben Teigsorten sowie Kochvorgängen vertraut sein und diese in der Basis beherrschen. Im Unterricht lernen die Jugendlichen die Lebensmittelpyramide kennen und ihnen wird Produktvielfältigkeit beim Einkaufen bezüglich Gesundheit, Herkunft und wirtschaftlichen Abläufen nährgebracht. «Und die Schüler – sowohl die Mädchen als auch die Jung – kommen gerne in meinen Unterricht», weiss die Lehrerin. Das liege daran, dass die Schüler einen Sinn hinter dem Stoff sehen. «Natürlich kommen auch hier die Theorie und die Prüfungen nicht gut an. Aber meine Schüler kochen gerne und geben sich in der Küche grosse Mühe», so Scheiwiller. Das mache sie stolz. «Sie lernen gut und halten sich an Gelerntes sowie an gestellte Vorgaben», führt sie weiter aus. An dieser Stelle betont Scheiwiller, dass die Leute teilweise die Bedeutung von Hauswirtschaft unterschätzen würden. «Es ist viel mehr als putzen und kochen», erklärt die Lehrerin, die nebenbei noch Zeichnen, Werken und Handarbeit unterrichtet. Der Hauswirtschaftsunterricht sei eine wichtige Lektion für das Leben und in diesem Sinne essentiell. Hauswirtschaft bedeutet die selbständige Wirtschaftsführung einer Familie.
«Selbständigkeit ist wichtig»
Das Erdbeer-Tiramisu von Soraya ist fertig. Die Kartoffel- und Zuchettischeiben von Serena werden mit Käse überbacken. Der Nudelsalat von Elif, die gerade die letzte Essiggurke zugeschnitten hat, kommt kurz in den Kühlschrank. Und Medina bereitet noch das zweite Dessert zu: Schokoladencookies. Hauswirtschaftslehrerin Scheiwiller steht neben ihr und schaut zu. «Ich würde die Teigkugeln weiter auseinander auf das Backblech legen», rät sie ihrer Schülerin. Die 14-Jährige nickt. Befolgt den Tipp sofort. «Viele Sachen, die wir hier lernen, können wir dann zu Hause anwenden», sagt die Schülerin.
«Natürlich haben wir einen Lehrplan, nach dem ich den Unterricht gestalte. Aber trotzdem möchte ich den Schülern Selbständigkeit mit auf den Weg geben», sagt Hauswirtschaftslehrerin Scheiwiller. Sie schaue bewusst ihren Schülern über die Schultern und greife wenn nötig ein. «Wichtig ist, dass beim Kochen nichts schief läuft, und dafür bin ich da.» Es dürfen keine Lebensmittel ungeniessbar sein oder weggeworfen werden. Kochen nach Mass steht an oberster Stelle. «Deshalb ist es so wichtig, dass die Schüler lernen, Rezepte zu lesen und sich vor dem Kochen gut vorzubereiten», betont die erfahrene Hauswirtschafterin.