Die Platzzahl in der Gemeindebibliothek Uzwil ist beschränkt. Wer Einlass bekommen hatte, wartete gespannt auf die berühmte Schauspielerin. Heidi Maria Glössner wurde von Jolanda Erismann, der Leiterin der Gemeindebibliothek, auf das Podest begleitet. Sie gab der Schauspielerin in der Folge Gelegenheit, sich in ihrem ganzen Facettenreichtum zu präsentieren. Ihre Sprechkunst und ihr schauspielerisches Talent kamen auch in der eingestreuten Lesung zu Geltung. Die Geschichte «Wurst und Liebe» von Elke Heidenreich liess Heidi Maria Glössner zu einem Erlebnis werden.
Entscheid für die Schweiz
Es war der Krieg, welcher das 1943 geborene deutsche Mädchen in die Schweiz brachte. Die Mutter blieb in Deutschland, Heidi Maria kam an die Henauerstrasse in Niederuzwil zu einer Schweizer Mama. Dort fühlte sie sich wohl, und weil die Grenze geschlossen war, wurde sie hier heimisch. Die Möglichkeit, ein deutsches Gymnasium zu besuchen, schlug sie aus. Stattdessen besuchte sie die Handelsabteilung der Kantonsschule in St. Gallen.
Auf die Frage, wann der Wunsch erwacht sei, Schauspielerin zu werden, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: «Im Kindergarten». Im «Rattenfänger von Hameln» habe sie die Rolle der Erzählerin bekommen. In kurzer Zeit habe sie den ganzen Text auswendig gekonnt und zu Hause unaufgefordert ständig wiederholt. Das Auswendiglernen habe ihr auch später nie Schwierigkeiten bereitet. Die Schauspielkunst besteht für sie in der Gestaltung einer Rolle.
«Brotberuf» als Basis
Für sie sei klar gewesen, dass nur die Bühne in Frage komme. Dennoch habe sie den Umweg über einen «Brotberuf» in Kauf genommen. Mit dem Handelsdiplom in der Tasche hat sie ein Jahr lang in Amerika gearbeitet. Dort ist sie erstmals mit Hollywood und dem Leben der Schönen und Reichen in Kontakt gekommen. Zurück in der Schweiz liess sie sich als Sekretärin an der ETH anstellen. Jetzt wurde es ihr möglich, die Schauspielschule zu besuchen. Ihr erstes Engagement hatte sie am Theater in Bern, wo sie jetzt auf 50 Jahre Bühnenkarriere zurückblicken kann.
Unvergessliche Rollen
Heidi Maria Glössner ist nach wie vor eine gefragte Schauspielerin auf Bühnen und in Filmen. Rollen wie Maria Callas hat sie geprägt, und sie ist von ihnen geprägt worden. Besonders erwähnt wurden beispielsweise auch der Film «Herbstzeitlosen» und der Schweizer Tatort «Die Musik stirbt zuletzt». Eine Biografie gedenkt die Schauspielerin nicht zu schreiben. Ihren Erfolg schreibt sie der Neugier und ihrem leidenschaftlichen Einsatz zu.
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Heidi Maria Glössner zur Oscar-Verleihung
Schauspieler suchen das Rampenlicht und sind darauf angewiesen. Wer sich erfolgreich darin bewegt, wird im Lauf der Zeit meist mit Ehrungen und Preisen bedacht.
hallowil.ch: Frau Glössner, welchen Stellenwert haben für Sie Auszeichnungen? Wie empfinden Sie es, dass eine Grande Dame des Films wie Glenn Close bei der Oscar-Verleihung erneut übergangen worden ist?
Heidi Maria Glössner: «Dass Uzwil, wo ich meine Jugendjahre verbracht habe, ein Zimmer im neuen Gemeindehaus nach mir benannt und mit Fotos von meinem Wirken geschmückt hat, hat mich zutiefst berührt. Beeindruckt hat mich auch, wie liebenswürdig ich vom Gemeindepräsidenten Lucas Keel und von Verwaltungsleiter Thomas Stricker empfangen worden bin.
Auszeichnungen empfinde ich immer als ein riesiges Kompliment. Kürzlich ist mir – einer Ostschweizerin – von den Bernburgern die Ehrenmedaille überreicht worden. Auch der Prix Walo und der Lebenswerkpreis der Albert-Ziegler-Stiftung haben mich sehr gefreut.
Dass Glenn Close bei der diesjährigen Oscar-Verleihung erneut übergangen worden ist, mag aus ihrer Sicht bedauerlich sein. Ich habe mich aber für Olivia Colman ausserordentlich gefreut. Die Auszeichnung für ihre Rolle der Königin Anne im Film «The Favourite» ist hochverdient. Sie ist eine reizende und liebenswerte Frau, und sie spielt das Biest grandios. Für mich war die Auszeichnung das Highlight der Oscar-Verleihung. Eine wirklich verdiente Ehre.»