Im Mittelalter bestand in Europa ein komplexes Geflecht von Verteidigungsbündnissen sowie von Lehnsverträgen. Manche Eigentümer von Grundbesitz überschrieben ihr Vermögen einem Kloster. Die Schenkung diente dem eigenen Seelenheil durch den Erlass von den Sünden. Zum Teil wurden die Schenkenden damit auch von allfälligen Pflichten zum Kriegsdienst befreit. Im Weiteren unterstand der Besitz künftig dem Schutz eines weltlichen oder kirchlichen Herrschers. Wer ihn brandschatze, plünderte oder besetzte musste mit schlimmen Strafen rechnen. Der Donator und seine Nachkommen behielten das Nutzungsrecht, mussten dafür aber einen Pachtzins entrichten. Dieser wurde oft in Naturalien abgeliefert.
Der freie allemanische Bauer Rotpald (gelegentlich auch als Rotbald sowie als Rothbold geschrieben) vermachte 754 seine Güter vor Zeugen dem Kloster St. Gallen. Sein Besitz war weit verstreut. Er besass unter anderem im heutigen Rickenbach, in Wilen, in Züberwangen, in Dussnang sowie in Oberwangen Eigentum.
Historische Ursprünge Wils
Die Abtretung von Rotpald ist in einem Vertrag festgehalten. Er wird «Henauer Urkunde» genannt. Die Veinbarung wurde mutmasslich auf dem heutigen Gemeindegebiet von Henau unterzeichnet. Als jährlicher Lehnszins wurden regelmässige Arbeitsleistungen sowie 40 Brote, 1 Jungschwein sowie 30 Eimer Bier festgelegt. Dies entspricht 1125 Litern. Bier war damals ein verbreitetes flüssiges Nahrungsmittel.
In der Urkunde ist von Wila die Rede. Ob damit Wilen oder Wil gemeint ist, bleibt unklar. Es hat sich eingebürgert von der urkundlichen Ersterwähnung Wils im Jahr 754 zu sprechen. Streng genommen ist damit die Region gemeint. Wann Wil als Stadt gegründet wurde, bleibt unklar. Gemäss schriftlichen Aufzeichnungen wurde sie von den Grafen von Toggenburg 1226 dem Kloster St. Gallen vermacht, sie hat demnach schon vorher bestanden.
Wiler leisteten kaum Wiederstand
Der Bierzins wurde 1540 wieder zu Thema, als am 25.Juli im Hofkomplex die so genannte Dienerschaftskapelle eingeweiht wurde. Im mächtigen Gebäude residierten die Fürstäbte des Klosters St. Gallen. Als ihre Untertanen in der Umgebung des Klosters im Zuge der Reformation immer widerständiger wurden, fühlten sich die Klosteroberen in St. Gallen öfters bedrängt und bedroht. Sie zogen sich auf der Flucht vor den Unruhen für längere Phasen in den Wiler Hof zurück. In der Äbtestadt mussten sie mit weniger Aufruhr rechnen. Daher wurde der Sitz des Klostervorstehers ausgebaut.
Zwar hielt die Reformation auch in Wil Einzug, aber die Stadt kehrte rasch zum alten Glauben zurück. Vielleicht spielte dies eine Rolle, als Abt Diethelm Blarer von Wartensee zur Einweihung der neuen Kapelle für die Dienerschaft eine üppige Kirchweih ausrichtete und den Bierzins als Freibier an sie ausschenken liess.
Bis zum Jahr 1722 wurde die Hofchilbi alljährlich durchgeführt. Es folgten Hungerjahre, die keine Feierlaune aufkommen liessen. Der Brauch geriet in Vergessenheit. Bis ins Jahr 1972. Dann belebte ihn die damalige Brauerei Hof neu. Bis heute erfreut sich das alljährliche Volksfest auf dem Goldenen Boden grosser Beliebtheit und erweist sich als Publikumsmagnet. Mittlerweile wird das Bier an die Besucher verkauft. Der erwirtschaftete Erlös fliesst in die Kasse der Stiftung Hof zu Wil. Er kommt unter anderem dem Unterhalt des Hofs zugute. Die dritte Renovationsetappe steht an. Mittlerweile wird das Bier von der Brauerei Feldschlösschen geliefert.





Jubiläumsbier wurde zum Dauerbrenner
Einst gärte in insgesamt vier Brauereien in Wil das Bier. Im Laufe der Geschichte mussten nach und nach alle ihr Geschäft aufgeben. Die Grossbrauereien verdrängten die kleineren Produzenten vom Markt. Ab 1982 blieben auch in der Brauerei im Hof die Sudkessel leer. Damit endete die jahrhundertelange Bierkultur. Doch nur vorübergehend. Dass die Äbtestadt nach einer langen Tradition gänzlich ohne einheimisches Bier sein sollte, konnten einige Idealisten nicht akzeptieren. Sie riefen 2004 das Thubobräu als lokal verankertes Erzeugnis ins Leben. Anlass war die Ersterwähnung der Henauer Urkunde.
Was ursprünglich als befristete Aktion zum Jubiläum geplant war, hat sich zu einer dauerhaften Erfolgsgeschichte entwickelt. Mittlerweile wird eine beachtliche Menge von Bier, die der Anzahl von 100 000 Spezli entspricht, pro Jahr verkauft. Die Gerste wächst in westlicher Richtung vor den Toren Wils auf einem Feld des Landwirts Marcel Rickenmann. Der Hopfen seinerseits stammt aus der Region Stammheim. Beides zusammen wird in der Brauerei Sonnenbräu in Rebstein zum Thurbobräu vergoren.


