Pascal Bossart öffnet an diesem Abend die Eingangstür zu seiner Wohnung in Flawil – mitten im Dorfzentrum – mit einem breiten Grinsen. Der Gemeinderat und Präsident der Katholischen Kirchgemeinde Flawil ist gut gelaunt. Und das obwohl seine Abteilung Bau und Infrastruktur – für die er als Gemeinderat zuständig ist – vor wenigen Tagen zur sogenannten «Chratzbörschte» ernannt wurde. «Der Flawiler Narrenrat hat so entschieden und wir nehmen den Preis gerne entgegen», sagt Bossart gleich zu Beginn. Er zuckt mit den Schultern. Lacht sichtlich amüsiert.
Es ist eine allbekannte Tradition der Flawiler Fasnacht, die abends am Schmutzigen Donnerstag, genau um «elf ab siebni», stattfindet. Jedes Jahr beehrt der Narrenrat mit der «Chratzbörschte» einen Flawiler Bürger. Die Gewinner zeichnen sich jeweils dadurch aus, dass sie das Jahr davor Ruhm im Dorf durch eine besonders grosse Peinlichkeit erlangt haben. Und natürlich wird diese Peinlichkeit für die Fasnacht verwendet und zur Schau gestellt. Heuer ist es die Abteilung Bau und Infrastruktur der Gemeinde Flawil, die den Preis entgegennehmen darf. Im Anschluss an die Preisvergabe wird die Beizenfasnacht durchgeführt – da ziehen die Guggen von Restaurant zu Restaurant und unterhalten die Bevölkerung.
Bossart kann die Wahl nachvollziehen
«Wir haben überhaupt nicht mit dieser Wahl gerechnet, weil darüber gar nicht nachgedacht haben», sagt Bossart, der zugibt kein «Fasnächtler» zu sein. Schliesslich liege «die geleistete Peinlichkeit» seiner Abteilung auch schon einige Monate zurück. Bossart ist übrigens in Flawil aufgewachsen und hat schon immer im Dorf gelebt. Seine Abteilung habe bestimmt nicht auf den Flawiler Fasnachts-Preis hingearbeitet. Er lacht. Er scheint die Wahl zur «Chratzbörschte» lustig zu finden. «Ja klar, man muss das Ganze mit Humor sehen», führt der Gemeinderat, der bereits drei Jahre in seinem Amt ist, weiter aus, «schliesslich herrscht jetzt die Fasnachtszeit». Und in dieser Zeit sei eben alles ein bisschen anders und lockerer. Dass er ein lockerer Mensch ist, verrät auch der oberste Knopf an seinem hellblauen Hemd, der an diesem Abend aufgeknüpft ist. «Und ja, wir haben uns letztes Jahr einen riesigen Bock geleistet», erklärt Bossart weiter und sagt, dass er die Wahl des Narrenrats nachvollziehen könne. Schliesslich habe die Arbeit seiner Abteilung letztes Jahr für sehr viel Diskussionsstoff im Dorf gesorgt.
Denn bei den 170 neuen Parkplätzen, welche die Gemeinde vergangenen Herbst bekommen hat und so die Blaue Zone erweitert wurde, ist es zu einer Panne gekommen. Das beauftragte Ingenieur-Büro hat sich einen grossen Fehler geleistet und so wurden etwas mehr als ein Dutzend Parkplätze an falschen Orten markiert. Bei der Flawiler Bevölkerung sorgte die Panne für Kopfschütteln und viel Ärger. Und zahlreiche Bewohner haben sich damals öffentlich beklagt. Denn es wurden beispielsweise einzelne Parkfelder vor Garage-Ausfahrten platziert. So mussten 15 Parkplätze nur wenige Tage nach der Markierung wieder aufgehoben oder verschoben werden.
Fasnachts-Motto wegen der «Chratzbörschte» gewählt?
«Unsere Abteilung und das von uns beauftragte Ingenieur-Büro haben in der Flawiler Parkzone für ein ordentliches Durcheinander gesorgt», weiss Bossart. Heute kann der Gemeinderat, der hauptberuflich als Informatiker arbeitet, darüber lachen. Übrigens: Die diesjährige Flawiler Fasnacht steht ganz unter dem Motto «Ändöränand». Bossart selbst bezweifelt aber, dass das Motto alleine wegen der Parkplatzmarkierungs-Panne bestimmt wurde. «Wer die aktuelle ‘Chratzbörschte’-Zeitung etwas genauer unter die Lupe nimmt, kann herausfinden, dass der Preis an unsere Abteilung geht», meint Bossart.
«Obwohl wir das Parkplatz-Konzept mehrere Male genaustens geprüft haben, ist es beim zuständigen Ingenieur-Büro zu diesem Fehler gekommen», sagt Bossart. Das sei im ersten Moment alles andere als ideal und amüsant gewesen. Aber bei solchen Bauvorhaben könne es schon einmal zu einem solchen fehlerhaften Entscheidungen kommen. «Letztes Jahr wurden wir von der Bevölkerung deswegen sehr kritisiert und mit dem ‘Chratzbörschte’-Preis geraten wir nun wieder in den Fokus», so Bossart. Wieder lacht er. Zuckt mit den Schultern. Das Geschehene könne man nun einmal nicht rückgängig machen. Aber auch seine Mitarbeiter der Abteilung Bau und Infrastruktur würden das Ganze im Nachhinein mit einem Augenzwinkern betrachten. «Wir können in Zukunft nur darauf achten, dass solche Patzer nicht noch einmal passieren und ausserdem betrachten es viele Bewohner – mit ein paar Ausnahmen – mittlerweile auch sehr amüsant», sagt Bossart. Wichtig sei doch, dass man zu einem Fehler stehe und ständig im Kontakt mit der Bevölkerung sei. «Und wir haben unseren auch sehr schnell wieder behoben».