Freitag, 31. August. Über die Industriestrasse werden ein grosser Autokran und mehrere wuchtige Betonfertigelemente angeliefert. In der Mitte der Bildfeldstrasse waren in den Tagen und Wochen zuvor durch die Firma Kibag bereits erste Aushubarbeiten getätigt worden, musste doch die Kanalisation für einen Teil des Quartiers verlegt und erneuert werden. Auf der anderen Seite der Bahnlinie Wil – Weinfelden war der neue Industrieweg für den sogenannten Langsamverkehr seit Anfang Juni bis auf den Einbau des Deckbelags etappenweise erstellt worden.

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So präsentierten sich die Vorbereitungsarbeiten nach der Verschiebung der Kanalisation auf der Bildfeld-Seite wenige Tage vor dem Wochenende.

18 Meter Gleis entfernt
Samstagmorgen, 1. September. Einige Minuten nach Mitternacht passiert der letzte Thurbo von Wil nach Weinfelden die künftige Grossbaustelle. Kurz danach wird im strömenden Regen die Fahrleitung ausgeschaltet und ein 18 Meter langer Gleisabschnitt entfernt. Im Dreischicht-Betrieb nimmt ein Heer von Mitarbeitern der Firma Kibag im gleissenden Scheinwerferlicht die eigentlichen Aushubarbeiten in Angriff. Das im Bereich Baustoffe und Bauleistungen tätige Unternehmen kann dabei unter anderem auf die beim Umbau des Bahnhofs Weinfelden gesammelten Erfahrungen zurückgreifen. Alles läuft optimal. Der ehrgeizige Zeitplan kann nicht nur eingehalten, sondern sogar unterboten werden.

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Der nächtliche Durchstich ist von Freitag auf Samstag erfolgt. 18 Meter Bahngeleise sind weg.


Kurzer Bahnunterbruch als Herausforderung
Die Projektleitung liegt in den Händen der Grünenfelder + Keller Wil AG, die immer wieder für die Sanierung von Bahnübergängen und Bahnstrecken beigezogen wird. Für den Projekt- und Bauleiter Clemens Dahinden ist die Baustelle im Bildfeld trotzdem keine Routineangelegenheit. „Die Besonderheit bei diesem Projekt ist die äusserst kurz gehaltene Unterbrechung des Bahnverkehrs. Um diese auf gut zwei Tage beschränken zu können, haben wir auf die Demontage der Fahrleitung verzichtet“, ist vom Bauingenieur FH zu erfahren.

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Clemens Dahinden von der Grünenfelder + Keller Wil AG sorgte als Projekt- und Bauleiter für den reibungslosen Ablauf der Arbeiten.

5 x 25 Tonnen am Kran
Wenige Stunden später klafft bereits eine riesige Baugrube. Die Vorbereitungsarbeiten für den Einbau der zukünftigen Personenunterführung können beginnen und kommen ohne Hektik schnell voran. Statt wie ursprünglich geplant ab 18 Uhr, hängt schon kurz nach 14 Uhr das erste im Kontaktbetonverfahren erstellte Element am Kran. Erstellt wurden die fünf Elemente zu je 25 Tonnen von der auf die Elementtechnik spezialisierten Fanger AG aus Sachseln im Kanton Obwalden.

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Das erste 25 Tonnen-Betonelement wird auf einer Stahlschiene an den Endstandort verschoben.

Einbau der Unterführung erinnert an Legosteine
Die von den SBB geprüften und abgenommenen Normelemente bedürfen keiner weiteren statischen Berechnung und tragen vor Ort zu einer kurzen Bauzeit bei. Ein Element nach dem anderen wird vom Autokran in die planierte Baugrube und dort auf eine  Art Stahlschiene gehievt. Diese Verschiebevorrichtung ist eine Eigenanfertigung der Fanger AG. So lassen sich die einzelnen Elemente wie von Geisterhand verschieben und wie Legosteine zusammenfügen.

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Das zweite Element wird vom Autokran in die Höhe gehievt ...
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... und ans erste Element angefügt.

Sonntagmorgen, 2. September. Die Unterführung steht. Darüber läuft auf dem wieder Gestalt annehmenden Bahndamm die Verschotterung der Bahnlinie auf Hochtouren. Bauleiter Clemens Dahinden, bei dem in den vergangenen zwei Nächten der Schlaf zu kurz gekommen ist, zeigt sich erleichtert. Die Arbeiten kamen so zügig voran, dass eine weitere nächtliche Schicht für die Kibag-Leute entfällt. Die Gleisinstandstellung, welche Aufgabe der SBB ist, ist jetzt nur noch Routinesache. Ab 5 Uhr am Montagmorgen rollt der Bahnverkehr zwischen Wil und Weinfelden wieder fahrplanmässig.

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Der Baukran ist bald weg. Die Bewohner im Bildfeld blicken wieder ruhigeren Zeiten entgegen.


Vernetzung von Wohnquartier und Arbeitsplatzgebiet
Mit dem Bau der Bahnunterführung für den Langsamverkehr wird in Wil ein im Agglomerationsprogramm der zweiten Generation enthaltenes Projekt mit jahrzehntelanger Vorgeschichte umgesetzt. Bereits bei der Erschliessung des Industriegebiets Ebnet war diese Fusswegverbindung von der ehemaligen Gemeinde Bronschhofen vorgesehen worden, um das Wohnquartier Bildfeld und das Arbeitsplatzgebiet Ebnet jenseits der Bahnlinie zu vernetzen.

Durch die neue Bahnunterquerung in unmittelbarer Nähe der WilMobil-Haltestelle Bildfeld Mitte wird das Industriegebiet Ebnet mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen. Mit dieser Massnahme wird zudem eine deutliche Verbesserung für den Fuss- und Veloverkehr erreicht, insbesondere auch für Wandernde und zu Fussgehende zwischen den Naherholungsgebieten Klinik Wil und Maria Dreibrunnen. Erschlossen wird die Unterführung auf der Bildfeld-Seite einerseits über Treppenstufen und andererseits über eine Rampe für Fahrräder und Kinderwagen.

Bund und Kanton tragen Hauptkosten
Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 1,2 Millionen Franken. Der Bund und der Kanton St. Gallen tragen im Rahmen des Agglomerationsprogramms einen grossen Teil der Kosten bei. Der Stadt Wil verbleibt ein Anteil von ungefähr 550‘000 Franken. „Das für den Bau des neues Industrieweges benötigte Land war auf beiden Seiten der Bahnlinie schon zum grössten Teil im Besitz der Stadt Wil. Zusätzlich mussten lediglich noch einige wenige Quadratmeter erworben werden“, erklärt Philipp Gemperle, Leiter Kommunikation der Stadt Wil, auf Anfrage von hallowil.ch.