Die Zeit werden auch wir Senioren noch erleben, in denen es kaum mehr einen Bankschalter gibt – und schon gar keine Ticketschalter bei der SBB mehr. Die Post ist ein digitalisiertes Hochregallager, aus welchem ich am Touch-Bildschirm meine Dienstleistungen beziehe, Wünsche erfüllen oder Aufträge erteilen kann. Bargeld kann ich nur noch im Museum betrachten, denn alles läuft über mein Handy. Oder noch besser, den eingepflanzten Chip in meinem Hintern. Da wundern wir uns über Ladenlokale, Dienstleistungsschalter und Gastrobetriebe, die schliessen, wenn ich alles mit meinem Chip oder einem Klick erledigen, nach Hause bestellen und mich in der digitalen Welt von der Gesellschaft verabschieden kann. Freundliches Lächeln an Schaltern und Kassen ist vorbei. Wir werden künftig digital verwaltet.

Wellenförmig sind die belästigenden und peinlichen Telefonate mit unnötigen Umfragen, frechen Anfragen und unmöglichen Angeboten. Schon fast eine Plage die Mails mit haarsträubenden Angeboten, Kreditversprechungen und Erbversprechen. Versprochen werden das ewige Leben, Millionengewinne und Millionenerbschaften. Hände weg und sofort löschen.

Beispiele gefällig? Bist du tot oder lebendig? Ein Mann überreichte uns heute eine Sterbeurkunde mit Ihrem Namen, in der er darum gebeten wurde, dass wir ihm Ihre nicht verschuldeten humanitären Gelder in Höhe von 7.800.000,00 EUR auszahlen. Sollen wir fortfahren und ihn bezahlen? Kontaktieren Sie mich für weitere Informationen unter David Arden. Lieber Herr Arden: Der Maileigang ist schon gelöscht.

Oder: Guten Morgen, Sie haben eine Benachrichtigung. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Carlos Alves de Almeida. Wir geben Kredite im Bereich von 9000 bis 900'000’000 $ aus bei 2% Zinssatz. Das Angebot verbunden mit Grüssen von Vera Russel UKD.

Zwei Tage später eine Investitionsmöglichkeit in Neuseeland mit garantierten Gewinnversprechungen von 4%. Liebe Frau Russel in London, investieren sie 900 Millionen als Kredit in Neuseeland in meinem Namen. Kassieren sie die 2% Zins und überweisen sie die verbleibenden 2% Gewinn an mein noch zu eröffnendes fiktives Bankkonto. Das sind dann satte 18 Millionen Gewinn für beide – und das ohne Risiko.

Oder: Mein Name ist Frau Maryrose aus Frankreich. Ich bin eine 59-jährige Frau. Ich war zu spät verheiratet. Na ja: Lieber zu spät als nie, zumindest für sie. Mr. Kingsley war mein Ehemann und auch einer der besten Bauunternehmer hier in Frankreich. Und auch ein gelassener Bauunternehmer in London. Er wurde am 7. Januar 2016 von einem seiner Freunde in London vergiftet. Der Arme. Gute Freunde hatte ihr Mann in London. Baulöwen sind ja immer gefundene Fressen für angehende reiche Witwen. Das Vermögen, an welchen sie mich nun beteiligen wollen, aus welchen Gründen auch immer, senden sie bitte auch nach Neuseeland. So können sie mit 2% ihren Lebensabend gestalten. Mit den anderen 2% äufne ich weiter mein fiktives Konto. Da sind ja die 7,8 Millionen aus der Sterbeurkunde von David Arden gerade mal ein Zustupf für die Kaffeekasse – und das lebendig oder tot.

Von mir werden diese grosszügigen Menschen keinen Klick weiter etwas erfahren. Und hoffentlich auch nicht umgekehrt – ob nun tot oder lebendig, Herr Arden.

Mäni Rüegg*

* = Mäni Rüegg ist aktiver Lokaljournalist in Pension. Seit vielen Jahren beobachtet er das Geschehen in Wil und Umgebung. In der hallowil.ch-Kolumne «Mänis Perspektivenwechsel» nimmt er eine andere Sichtweise ein und berichtet ungeschminkt über Dinge, die einfach mal niedergeschrieben werden müssen.

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Kolumnist Mäni Rüegg wundert sich aber die vielen Angebote.