Zusammengekauert sitzen die beiden drei Tage alten Bibeli auf dem weichen Frotteetuch unter der Wärmelampe. Ihre bräunlichen Federn ähneln fransigen Putzfäden. Sie sind zerzaust und erinnern eher an einen Igel als einem Straussenbibeli. Hin und wieder will der eine oder der andere Federknäuel aufstehen, torkelt ein paar Schrittchen und fällt hin. Noch sind die Küken nicht sicher auf den kurzen Beinchen.

Auf der anderen Seite der Kinderstube, die ihnen Claudia und Jakob Schwager in der Remise eingerichtet haben, tummeln sich die ersten beiden Straussenbabys, die auf dem Hof geschlüpft sind. Drei Wochen zuvor war der grosse Tag endlich da. 42 Tage waren die Eier im Brutkasten, wurden kontrolliert, gehegt und gepflegt, bis es dann endlich losging. Die dicke Schale des grossen, gegen zwei Kilogramm schweren Eis kriegte Risse, man hörte das Klopfen des Kükens, das die harte Schale mit dem hinteren Teil des Nackens aufzubrechen versuchte. «Wir konnten es kaum erwarten», erzählt das Paar. Es braucht viel Fingerspitzengefühl und eine grosse Portion Glück, wenn es mit der Befruchtung und dem Schlüpfvorgang klappen soll, verraten sie.

Zusätzliches Standbein

Heute zeigen sich die beiden dreiwöchigen Straussenkinder in ihrer schönsten Pracht. Braunes Gefieder, das ihnen immer noch ein bisschen struppig vom Rumpf absteht, aber mit eleganten, langen Hälsen in apartem Leopardenmuster. Selbstbewusst spazieren sie durch ihre helle Behausung. «Wir sind stolz, dass der Schlüpfvorgang geklappt hat. Nun sind wir auch für die kommende Aufzucht zuversichtlich», sagen Jakob und Claudia Schwager, die seit zehn Jahren den Milchwirtschaftsbetrieb in Ifwil führen. Vor ein paar Jahren, als sich der Milchpreis immer mehr nach unten bewegte, habe man neben den 35 Milchkühen nach einem zusätzlichen Standbein gesucht, erzählt Jakob Schwager.

Im Herbst 2017 kamen die ersten 20 Strausse, mit ungefähr drei Monaten, auf den Hof. Der Weg dahin war lang, das Bewilligungsverfahren mühsam. Gut zweieinhalb Hektaren Land wurden mit einem 180 Zentimeter hohen Zaun eingezäunt. Zudem absolvierte der Landwirt Weiterbildungen zur artgerechten Haltung dieser Wildtiere in Deutschland und in der Schweiz.


So schmeckt Straussenfleisch

Im vergangenen Herbst, die Strausse waren nun 14 Monate alt, konnten die ersten Tiere zum Metzger geführt werden. Dieser Vorgang müsse ruhig und stressfrei für die Tiere verlaufen. Deshalb fährt Schwager mit ihnen nur ins Schlachthaus der Metzgerei Kohler im benachbarten Sirnach. Das Fleisch, ungefähr 35 Kilogramm, werde dann in der Metzgerei Keller und Führer in Wil konfektioniert und im Hofladen in Ifwil verkauft. «Die Nachfrage ist gross», sagt Claudia Schwager. Die Kundschaft liebt das gesunde, cholesterin- und fettarme Fleisch, das optisch dem Rindfleisch ähnle, geschmacklich aber zwischen Rind- und Pferdefleisch zuzuordnen sei. Preislich vergleichbar sei Straussenfleisch mit Kalbfleisch.

Aus den Überresten des geschlachteten Strausses werde Hundefutter hergestellt. Und vom Straussenfett gewinnt die Bäuerin eine Salbe für trockene Haut. Heute leben gegen 30 Strausse auf dem Hof. Noch sei das Ausbrüten mit dem entsprechenden Apparat keine Selbstverständlichkeit, verrät Jakob Schwager. Man habe viele Eier gebraucht, bis diese vier Küken nun gesund und munter geschlüpft seien, sagt er. Auch heute wisse man noch nicht, ob das Futter, die Mineralstoffe, die Bruttechnik oder die Genetik die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung beeinflussen.

Enzo und der Balztanz

Während Claudia und Jakob Schwager über ihre Straussen sprechen, spaziert einer der beiden Hähne mit hoch erhobenem Kopf dem hohen Zaun entlang. Er zeigt sich gerne und trägt den Kopf hoch. Enzo weiss es, er ist der Chef. Seine Beine und sein Schnabel leuchten rot, zusammen mit der Straussendame seiner Wahl geniesst er den Morgenspaziergang und lässt sich sogar zum Balztanz bitten. Er schüttelt das riesige Gefieder, geht in die Hocke, der staubige Boden umhüllt kurz seine langen Beine, die er mühelos ineinander verbiegt um kurze Zeit später hocherhobenen Hauptes und im Schlepptau von seiner momentanen Herzensdame von dannen zu ziehen. Es ist Paarungszeit.

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Ein Vogel, der nicht fliegt, aber allen davonläuft

Der Strauss kommt ursprünglich aus Asien und ist ein Fluchttier. Bei Gefahr steckt er nicht den Kopf in den Sand, sondern ergreift die Flucht. Seine Laufgeschwindigkeit beträgt bis zu 70 Stundenkilometer. Er ist ein Pflanzenfresser. Ein Jungtier wiegt ungefähr 600 bis 700 Gramm, hat ein geflecktes Gefieder und statt einem Eizahn einen starken Nackenmuskel, der sich nach dem Schlupf zurückbildet. Die Brutzeit dauert 42 Tage bei 36,5 Grad im Brutapparat. Ein Ei wiegt ungefähr 1500 Gramm Das entspricht ungefähr der Menge von 25 Hühnereiern. Die Straussenhaltung ist ein Nischenbetrieb. Die Halter sind in einem Verband organisiert. Es gibt in der Schweiz ungefähr ein Dutzend Betriebe mit Zuchttieren. (rb)