Bereits vor den Sommerferien hat Parlamentsmitglied Luc Kauf den Schliessungsentscheid für den Kindegarten Neugruben nicht verstanden und deshalb an der Parlamentssitzung am 4. Juli eine Interpellation eingereicht. Auf seine zwölf Fragen hat der Stadtrat nun geantwortet. «Ich finde den Inhalt sehr oberflächlich», sagt Kauf in seiner ersten Reaktion auf das vierseitige Schreiben, «und nicht wirklich seriös». Er fühle sich alles andere als ernstgenommen.
Weil bei der ersten provisorischen Kindergarteneinteilung ins Auge gefasst wurde, den Kindergarten Neualtwil im aktuellen Schuljahr nicht zu führen, begründet der Wiler Stadtrat den Entscheid Schliessung des Kindergarten Neugruben folgendermassen: «Weil in dessen üblichem Einzugsgebiet sehr wenig Kinder in das erste Kindergartenjahr eintreten und nur neun Kinder im zweiten Kindergartenjahr sein werden.» Und da Neugruben aufgrund der Räumlichkeiten nur 15 Kinder aufnehmen könne und die Anzahl der Kinder im ersten Kindergartenjahr nur bis sieben und im zweiten Kindergartenjahr nur sechs Kinder umfassen würde, werde deshalb der Kindergarten Neugruben geschlossen. «Im Gegenzug wird der Kindergarten Letten nach einem Jahr wieder geöffnet», heisst es in einer Antwort. «Das ist aber keine richtige Antwort auf meine Frage», zeigt sich Kauf enttäuscht. Denn er wollte wissen, auf welcher Ebene der Schliessungsentscheid diskutiert und vollzogen worden ist.
Stadtrat: «Der Weg ist zumutbar»
Trotz der Antwort, kann der Wiler Parlamentarier Kauf diesen Entscheid nicht nachvollziehen. Denn Schulratspräsidentin Jutta Röösli habe im Vorfeld in einem Interview suggeriert, dass sämtliche Kinder im Einzugsgebiet der Kindergärten Neugruben und Neualtwil platziert werden könnten. Kauf weiss,dass dies nicht der Fall ist. Genau das treffe auf die betroffenen acht Kinder nicht zu. Denn diese Kinder wurden für das aktuelle Schuljahr den Kindergärten Zelghalde und Paradiesli zugeteilt. In seinem Schreiben erklärt der Stadtrat, dass die Klassenplanung für die Kindergärten durch die Schulverwaltung anhand der Anmeldungen bis März erstellt wird. «Es bedarf dabei einer städtischen Sichtweise über die Schulheinheitsgrenze hinaus, um ausgeglichene Klassen gestalten zu können», führt der Stadtrat weiter aus. Gerade für die sogenannten Grenzgebiete der Stadt bedeutet dies, «dass nicht von einer fixen Zuteilung in einen bestimmten Kindergarten ausgegangen werden kann.» Es werde aber immer darauf geachtet, dass die Kinder einen vertretbaren Schulweg hätten.
«Schulwegsicherheit wird nicht ernstgenommen»
Und genau den Weg in den Kindergarten hat Kauf in seiner Interpellation besonders bemängelt, denn in seinen Augen ist eben dieser «nicht zumutbar». Mit dieser Zuteilung mute man am Beispiel Kindergarten Zelghalde einem knapp vierjährigen Kind Folgendes zu: einen Schulweg von zirka 1,3 Kilometern, eine Höhendifferenz von etwa 40 Metern und 200 Meter auf der dicht und auch von Lastwagen befahrenen Konstanzerstrasse – mit der Überquerung der Hauptstrasse beim Motorradgeschäft Daneffel.» Und das sei aus der Sicht der Schulwegsicherheit sehr bedenklich. Bei diesem Punkt bezieht sich der Stadtrat auf das Reglement zur Schulwegentschädigung. «Dort wird festgehalten, dass für Kindergartenkinder ein Schulweg bis 30 Minuten, einem Kilometer Distanz, bis 50 Meter Höhenunterschied, mit Fussgängerwegen und einer Regelung der Übergänge an Hauptstrassen zumutbar ist», antwortet der Stadtrat.
«Das Thema Schulwegsicherheit wird hier überhaupt nicht ernstgenommen», sagt Kauf. Diese tolerierbare Distanz, welche der Stadtrat nennt, sei ein Schleichweg und bedürfe einer Begleitung durch Erwachsene. Kauf geht noch einen Schritt weiter: Am Freitagmorgen schickt er der hallowil.ch-Redaktion ein Schreiben zu. Oberhalb seiner Reaktion auf die Antwort des Stadtrates hat er zwei Bilder platziert. Auf dem linken Bild ist ein Lastwagen auf der Konstanzerstrasse abgebildet. Auf dem rechten Bild einer der gefährlichste Schulweg der Welt, bei dem Kinder in China an einer Klippe entlang klettern. «Was haben diese beiden Schulwege gemeinsam?», fragt Kauf. Beide seien augenscheinlich gefährlich und bei beiden müssten Kindergartenkinder während der ganzen Schulzeit über begleitet werden. «In China wird zumindest der Anspruch ‘Erlebnispfad Schulweg’ erfüllt», führ Kauf weiter aus, «bei der Konstanzerstrasse kann man sich zumindest darüber streiten.»
«Völliger Unsinn»
Auf die Frage von Parlamentarier Kauf, wie die Schulwegsicherheit – insbesondere im Abschnitt «Grunstrasse, Avia-Tankstelle, Konstanzerstrasse, Überquerung Konstanzerstrasse bei Daneffel» - sichergestellt wird, antwortet der Stadtrat: «Die sechs betroffenen Kinder werden gemeinsam in einer Gruppe laufen können. Zudem tragen sie Leuchtwesten. Es gibt von der Grundstrasse bis zur Konstanzerstrasse Höhe Daneffel ein durchgängiges Trottoir.» Kauf staunt, dass man das Schreiben mit den zwölf Antworten so überhaupt freigegeben hat. Für eine Stadt, die mit dem Label «Kinderfreundlich» ausgezeichnet wurde, findet Kauf die Gesamtsituation befremdend. Das sei völlig unnatürlich, dass die Kinder täglich in der Gruppe auf den Kindergartenweg machen. «Jeder hat seine Gspändli mit denen er mehr Zeit verbringt als mit anderen Kindern», so Kauf. Man rede immer davon, dass der Kindergarten- und Schulweg eine Entdeckungsreise sein soll, «aber in diesem Fall ist es, pädagogisch gesehen, ein völliger Unsinn».
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So berichtete hallowil.ch am 5. Juli:
Genau zum Schluss des aktuellen Schuljahres reicht Luc Kauf, Wiler Parlamentsmitglied, am Donnerstagabend eine Interpellation ein. Kernthema der dringlichen Interpellation, welche das Stadtparlament in ihrer letzten Sitzung erhält, ist die Schliessung des Kindergartens Neugruben. «Die Ironie hinter diesem Entscheid ist, dass auf der einen Seite wegen der steigenden Schülerzahlen Schulraum geschaffen werden muss, auf der anderen Seite nun ein Kindergarten geschlossen wird», so das Parteimitglied von Grüne Prowil auf Anfrage von «hallowil.ch». Gerade weil man bei einer ersten provisorischen Kindergarteneinteilung eine Schliessung des Kindergartens Neualtwil geplant war, weil in dessen Einzugsgebiet wenig Kinder ins das erste Kindergartenjahr eintreten.
Um die Situation zu erklären, zitiert Luc Kauf in seiner dringlichen Interpellation Schulpräsidentin Jutta Röösli aus einem Zeitungsinterview vom Frühjahr – als bekannt wurde, dass der Kindergarten Neugruben für das Schuljahr 2019/2020 geschlossen wird. Röösli begründete damals den Entscheid mit unterdotierten Klassen. «Im Durchschnitt rechnen wir mit Klassengrössen im Kindergarten von 18 bis 19 Kindern; dabei orientieren wir uns an den durchschnittlichen Schülerzahlen im Kanton St. Gallen», nennt Kauf ein konkretes Zitat des Interviews. Im Volksschulgesetz werde gar von Klassengrössen im Kindergarten von 16 bis 24 Kindern gesprochen. Der Kindergarten sei ausserdem in einer Wohnung untergebracht . Die damit verbundenen limitierten Platzverhältnisse würden hier nur eine Klassengrösse von zirka 15 Kindern zulassen.
Dass das Bildungsdepartement seine Meinung schnell revidierte und statt der Kindergarten Neualtwil nun der Kindergarten Neugruben geschlossen wird, begründete Schulpräsidentin Röösli im Zeitungsinterview folgendermassen: «Neualtwil ist grosszügiger ausgestattet und kann dementsprechend mehr Kinder aufnehmen. In der Überprüfung der provisorischen Kindergarteneinteilung fiel folglich der definitive Entscheid auf Neugruben, auch mit Einbezug der Anregungen der Kindergartenlehrpersonen».
Man hätte alle drei Kindergärten weiterführen können
«Das alles wirkt befremdend auf mich», sagt Kauf gegenüber «hallowil.ch». Fakt ist, dass auf den aktuell verfügbaren Klassenlisten für das kommende Schuljahr im Kindergarten Städeli und im Kindergarten Neualtwil zusammen 44 Kinder (23 plus 21 Kinder) aufgelistet sind. «Das ist weit über den angestrebten Durchschnittszahlen», ist Kauf überzeugt. Und weiter: «Mit den acht Kindern, die den Kindergärten Zelghalde und Paradiesli zugeteilt worden sind, hätten also alle drei Kindergärten sehr gut gefüllt werden können».
Laut Kaufs Interpellation wird in den Aussagen von Röösli suggeriert, dass sämtliche Kinder im Einzugsgebiet der Kindergärten Städeli, Neugruben und Neualtwil in den beiden verbleibenden Kindergärten Städeli und Neualtwil platziert werden können. «Das ist aber nicht so», weiss Kauf. Tatsache sei, dass dies für mindestens acht Kinder, welche im Einzugsgebiet dieser Kindergärten wohnen, nicht zutreffe. Diese seien nämlich für das Schuljahr 2019/ 2020 dem Kindergarten Zelghalde (sechs Kinder) und dem Kindergarten Paradiesli (zwei Kinder) zugeteilt worden. In seiner Interpellation zeigt Kauf konkrete Beispiele auf: «Mit dieser Zuteilung mutet man am Beispiel Kindergarten Zelghalde einem knapp vierjährigen Kind Folgendes zu: einen Schulweg von zirka 1,3 Kilometern, eine Höhendifferenz von etwa 40 Metern und 200 Meter auf der dicht und auch von Lastwagen befahrenen Konstanzerstrasse – mit der Überquerung der Hauptstrasse beim Motorradgeschäft Daneffel.» Und das sei aus der Sicht der Schulwegsicherheit sehr bedenklich. «Betroffene Kinder müssten diesen Kindergartenweg im ersten Jahr zwei Mal und im zweiten Jahr sogar vier Mal am Tag gehen. Mit dem Tempo eines Kindergartenkindes gerechnet, dauert ein Weg mindestens 25 Minuten», erklärt Kauf in seiner Interpellation. Und gegenüber «hallowil.ch» geht er sogar noch weiter: «Das ist doch kein Schulweg-Vergnügen mehr». Dabei sei der Weg in den Kindergarten oder in die Schule doch pädagogisch sehr wichtig.
«Eltern müssen ihre Kinder begleiten»
Laut Kauf könne man über die Länge des Kindergartenwegs diskutieren. Aber dass Kindergartenkinder «eine stark befahrene Hauptstrasse mit einem schmalen Trottoir überqueren müssen» bereitet dem Stadtparlamentarier grosse Sorgen. Und deshalb stellt er in seiner Interpellation konkrete Fragen unter anderem in Bezug auf die Schulwegsicherheit, die es nun zu beantworten gilt: «Ist die Schulwegsicherheit geprüft worden? Wenn Ja, wie? Ist die Kantonspolizei zur Überprüfung eingeladen worden? Wenn nein, wieso ist sie nicht eingeladen worden?» Ausserdem möchte Kauf wissen, wie die Schulwegsicherheit – insbesondere beim Abschnitt der Hauptstrasse im Bereich Via-Tankstelle, Konstanzerstrasse mit Überquerung Daneffel – sichergestellt wird.
«Solange die Kinder den Weg zum Kindergarten nicht allein sicher bewältigen können, liegt es in der Verantwortung der Eltern, das Kind zu bringen» so Kauf. Und: «Dieser Entscheid den Kindergarten Neugruben zu schliessen, zwingt die Eltern, ihren Nachwuchs zwei Jahre lang in den Kindergarten zu begleiten.»