Die Künstlerin Immin Chung Poser wohnt seit einigen Jahren in Oberuzwil. Doch schon seit 20 Jahren tritt sie mit dem amerikanischen Pianisten Owen Lovell immer mal wieder als Klavierduo „zu zwanzig Fingern“ auf. Beide haben an der renommierten Universität von Texas in Austin studiert und ihren Doktortitel in Musik auch dort erworben. Ihr Repertoire ist breit gefächert.
Eingespieltes Duo
Viel Raum hat man an einem Flügel nicht, wenn man darauf zu zweit spielen soll. Man kommt sich sehr nahe, braucht deshalb grosses Vertrauen in den Spielpartner. Das 20-jährige Zusammenspiel war denn auch deutlich zu hören. Immer wieder tauschten die beiden ihre Plätze, damit sie zwischen Melodie-Stimme und Begleitung abwechseln konnten. Reizvoll war auch die optische Wahrnehmung. Da der kräftig gebaute Mann, daneben die zierliche, schlanke Künstlerin, jedoch beide gleichermassen fähig, vom feinsten Piano unvermittelt in exzessives Forte zu wechseln, ohne dass die Zuhörerschaft einen klanglichen Unterschied ausmachen konnte.
Viele Passagen wurden teilweise auswendig gespielt. Nicht vergessen werden darf Owen Lovells Ehefrau Rachel Schimelman - früher selber musikalisch tätig, von Beruf aber Grafikerin -, die als „Umblättlerin“ eine grosse Verantwortung für schnelle Seitenwechsel innehatte. Ein winziges Kopfnicken Lovells war jeweils das Zeichen für den Wechsel.
Auch der Tod hatte seinenPlatz
Mit der Fantasie in F Moll von Franz Schubert – 1828, kurz vor seinem Tod komponiert - begann das Duo das Konzert. Immin Chung Poser gab dazu einige Erklärungen. Dass Schubert aus einer verliebten Stimmung heraus dieses Stück geschrieben hat, war deutlich zu hören. Lieblich begann alles, doch plötzlich kamen Turbulenzen auf, die Künstler griffen kraftvoller in die Tasten. Auch richtig düstere Passagen gab es, denn die Liebe ist ja nicht immer nur hochgemut. Und wie sich im Leben vieles immer mal wiederholt, so kehrte auch ein Thema immer wieder. Der Tod bekam ebenfalls seinen Platz, erst mit dem „Dance macabre“ von Camille Saint-Saëns – bearbeitet von Ernest Guiraud – und darauf mit einer Sonatina von Johann Sebastian Bach namens „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“, bearbeitet von György Kurtà.
Antonin Dvorak hat 16 solche Tänze geschrieben. Für das Konzert hatten die Künstler vier davon ausgelesen, Stücke mit ganz verschiedenartigen Tempo-Vorgaben. Nun ging ein wahres Feuerwerk an Tonfolgen los. Man konnte sich die prächtigen Roben und gepuderten Frisuren vorstellen, mit denen die Damen und Herren um 1828 nach diesen Melodien getanzt hatten. Völlig den Atem nahm das letzte offizielle Stück, der Tanz Nr. 72 mit der Tempo-Vorgabe „presto“. Wenn man meinte, schneller gehe es nun wirklich nicht mehr, dann täuschte man sich – es ging. Lauter Applaus verdankte diese Darbietung.
Zugaben
Das Duo verwöhnte das Publikum zum Schluss mit zwei Zugaben. Sie könnten aus 120 verschiedenen Stücken auslesen, schmunzelte Immin Chung Poser. Dabei kam die Zuhörerschaft in den Genuss des „Libertango“ von Astor Piazolla. Owen Lovell spielte auf dem Flügel, seine Duopartnerin ihrerseits auf einem interessanten Instrument namens Melodica, deren Ton durch eingeblasene Luft hörbar gemacht wird. Damit improvisierte die Künstlerin, rhythmisch sicher unterstützt von ihrem Partner. Und ganz zum Schluss senkte das Duo schliesslich den Blutdruck des begeisterten Publikums mit dem Stück „Melodie“ von Christoph Willibald Gluck wieder auf normale Stärke.