In den letzten Jahren entwickelte sich der Rebhang auf Bronschhofer Seite zu einem ökologischen Kleinod. Wenn die Temperaturen im Frühjahr ansteigen, kriecht, flattert und hüpft es zwischen den Rebstöcken, sehr zur Freude der Anwohner.„Mit dieser Aussicht hat man das Gefühl, man lebe auf dem Land, und ist doch nahe bei der Stadt“, schwärmt Christa Grämiger auf dem Sitzplatz vor der historischen Trotte, wo sie seit Jahren mit ihrer Familie am Fuss des Rebhangs lebt.
Tage werden wärmer
Mit „dieser Aussicht“ meint sie auch eine nuancenreiche Palette von Grüntönen: Zwischen den knorrigen Rebenstämmen beginnt das saftige Gras zu spriessen. Und an den Wildrosenstöcken bereitet sich das zaghafte Hellgrün der Blattknospen auf einen langen Sommer vor; noch sind die Nächte empfindlich kühl.
An einem Bach breitet eine bejahrte Weide ihre hängenden Äste wie aus, die als mächtiger Schirm bald in saftigem Grün stehen werden. Noch vor wenigen Wochen schwoll der Bach gelegentlich vom Schmelzwasser an.
In der geschützten Feuchtwiese nebenan locken die zitronengelben Schlüsselblumen hoffnungsvoll erste Insekten an.
Vielfältige Tierarten
„Wir haben hier schon Blindschleichen, Schlingnattern, Spechte und viele Schmetterlinge beobachten können“, erzählt Christa Grämiger. Während des Gesprächs schwebt zwanzig Meter weiter oben lautlos ein Raubvogel auf seinen Hochsitz und hält nach einem Happen Ausschau. Als er nicht fündig wird, breitet er seine beeindruckenden Flügel wieder aus und sucht anderswo sein Glück. Vielleicht muss er schon bald auch für seine geschlüpften Jungen nach Beute jagen.
Angeordnete Förderung
Dass sich die Biologie auf relativ kleinen Raum so vielfältig präsentiert, ist kein Zufall, es ist gewollt und gezielt gefördert. „Als die Erweiterung des Rebberges anstand, war die ökologische Aufwertung eine Auflage des Rebbau-Kommissär des Kantons St. Gallen“, erzählt Christa Grämiger. „Zusammen mit Mitgliedern des Ortsbügerrates besuchten wir Rebbaugebiete im Rheintal, um uns verschiedene Bespiele ökologischer Ausrichtung anzusehen.“ Neben der Wiler Ortsgemeinde sind drei private Parteien Miteigentümer der Rebfläche.
Schutz unter Steinen
2011 und 2012 wurde der Hang auf der Bronschhofer Seite räumlich erweitert. Die damals gepflanzten Stöcke der Sorte Müller-Thurgau bringen mittlerweile zunehmende Erträge. Sie ergänzen die vor allem aus Blauburgunder-Stöcken bestehende Anlage.
Um die Pflanzenvielfalt zu erhöhen, wurden zusätzlich Samenmischungen ausgebracht. Im Weiteren häuften ökologisch Interessierte Steinhaufen - sogenannte Steinlinsen - auf, die nun Rückzugsorte für verschiedene Reptilien bilden. Um sie vor Raubtieren besser zu schützen, ranken sich die Triebe von Wildrosen wie Stacheldrahtverhaue über sie.
Mauer ohne Mörtel
Experten eines Fachbetriebes schichteten zusammen mit Lehrlingen eine 65 m2 grosse langgezogene Trockenmauer aus Sandstein auf. Auch sie dient als Unterschlupf für allerlei Insekten und Reptilien.
Wo einst die sogenannte „chemische Keule“ die verschiedenen Tier- und Pflanzenarten im Schach hielt, sorgen mittlerweile verschiedene Lebewesen gegenseitig dafür, dass keine Art Überhand nehmen kann. Christa Grämiger: „Manchmal kann ich zusehen, wie der Grünspecht mit dem Schnabel Larven aus den Rinden der Rebstöcke hackt.“
Pflegerische Eingriffe
Völlig autonom regulieren sich das tierische und das pflanzliche Leben nicht, die ökologische Balance muss sanft unterstützt werden. Jedes Frühjahr stutzt eine Gruppe von Freiwilligen die Kopfweiden und die Wildrosen und kürzt das Wildgras, damit alles wieder frisch spriessen kann.
Zusätzlich mäht der Rebwart die Grünstreifen zwischen den Rebenreihen. Zudem wurden Drahtzäune angelegt, damit die Rehe weniger leicht an ihre Delikatessen, frische Triebe von Reben und Rosen, herankommen.
Idylle in Stadtnähe
Die meiste Zeit ist im Rebberg lediglich das Pfeifen, Krächzen und Zwitschern zu hören. Nur einmal im Jahr herrscht plötzlich Hochbetrieb in der Idylle: ein bis zwei Dutzend Frauen und Männer jeglichen Alters lesen eifrig von den Stöcken, was die Hitze der Sommertage und die Kühle der Nächte heranreifen liess.
Oft purzeln dabei einige saftige dunkelblaue Beeren zu Boden, damit herrscht auch für Wespen und anderes Kleingetier Erntezeit. Schliesslich haben auch sie ihren ökologischen Beitrag für einen guten Weinjahrgang geleistet.













