«Das ist aus der Buben-Abteilung», sagt die Verkäuferin an der Kasse. Ich verstehe sie nicht ganz und schaue sie fragend an. «Ja, die beiden Pullover und die Hose haben Sie aus der Kleiderabteilung für Jungs. Und Sie haben ja eine Tochter», führt sie weiter aus. Ich runzle meine Stirn, weil ich einfach nicht verstehe, was sie von mir will. Nun werfe ich einen Blick auf die Sachen, die ich kaufen möchte. Ein grauer Pullover mit Waldtier-Motiven. Ein cognacfarbener Pullover mit einem Bärenkopf und die dazu passenden Hosen. Warum sollte meine Tochter diese Sachen nicht tragen können?

Seit ich Mama bin und in Modegeschäften die Kinderbekleidungsabteilung aufsuche, würde ich am liebsten kreischend wieder aus dem Laden rennen. Denn jedes Mal tut sich eine gewaltige Kluft mit Gegensätzlichkeiten auf: Auf der einen Seiten stehen schön sortiert die Baby- und Kleinkinderkleidung in allen möglichen Blau- und teilweise Grüntönen. Auf der anderen Seite dominiert die Farbe Rosa – und zwar in allen erdenklichen Nuancen. Altrosa. Pink. Pastellrosa. Blassrosa. Zuckerwatterosa. Hier kleine T-Shirts mit Dinosaurieren, Rennautos, Astronauten, Fussbällen – da Glitzer, Schleifen und Einhörner. Hier Cars und Bob, der Baumeister. Da Hello Kitty und Eiskönigin Elsa.

Bitte keine starren Geschlechterklischees

Was Kinderkleidung angeht, habe ich meinen eigenen Geschmack und meine eigene Meinung. Für meine elf Monate alte Tochter suche ich immer moderne, stylische und bequeme Kleidungsstücke – und das ohne irgendwelche starren Geschlechterklischees. Mein Tochter soll weder wie eine lebende Barbiepuppe, noch wie ein Clown in bunten und nicht zusammen passenden Kleidungstücken aussehen. Ihr Kleiderschrank soll auch keiner rosafarbener Zuckerwatten-Welt gleichen.

Jedes Mal, wenn ich einen Laden betrete, denke ich mir: «Das dürfte nicht schwer sein, neutrale Kleidungsstücke, die sowohl Mädchen als auch Jungs tragen können, zu finden.» Schliesslich leben wir im Jahr 2019, wo Frauen in der Politik tätig sind und sowohl CEO eines Unternehmens als auch Automechatronikerin sind. Wir leben in einer Zeit, in welcher Männer Teilzeit arbeiten, damit sie sich auch um die Kindererziehung kümmern können. Aber ganz so einfach ist es eben nicht. Denn der Fund und Kauf von nicht stereotypisierten Kinderkleidern ist ziemlich zeitintensiv und nervenaufreibend. Egal, welche Bekleidungsgeschäft, egal, welche Preisklasse – die Mädchen sollen möglichst wie eine Mini-Prinzessin aussehen und die Jungs müssen sich in jedem Fall für Themen wie Autos, Abentuer, Technik und Superhelden interessieren.

Früher gab es keine geschlechterspezifischen Kleider

Wenn ich beispielsweise Kinderfotos von meinen Eltern anschaue und mit ihnen über dieses Thema rede, dann sind keine starren Geschlechter-Typisierungen zu erkennen: Die Bekleidung war damals weiss, orange, rot, geld – also selten nur für Mädchen oder nur für Buben gedacht. Rosafarbene und hellblaue – also geschlechterspezifische Kleidung – ist erst vor wenigen Jahrzehnten in die Läden eingezogen. Dabei wird einem klar, dass die Hersteller und Brands nur ein kommerzielles Interesse haben. Denn mit geschlechterspezifischen Kleidern und Produkten macht man aus einer Ziel- und Konsumentengruppe deren zwei. Würde ich meiner Tochter nur rosafarbene Bodys und glitzernde Höschen kaufen, könnte ich die ganze Babykleidung nicht ein zweites Mal gebrauchen, sollte ich noch einen Jungen auf die Welt bringen. Er würde also eine komplett neue Garderobe bekommen.

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Jetzt nicht falsch verstehen. Selbstverständlich findet man auch im Kleiderschrank meiner Tochter Kleidchen mit Blümchenmotiven, das eine oder andere rosafarbene Kleidungsstück, Haarbänder und Schühche wie Ballerinas. Das gehört für mich natürlich auch dazu. Denn ich behaupte nicht, dss Mädchen keine Kleider in Rosa und Knaben nichts in Blau anziehen dürfen. Aber geschlechterspezifische Baby- und Kindermode sehen – meiner Meinung nach – auch nicht immer ästhetisch aus. Zu viele Kleider in Rosa sehen schnell kitschig aus. Ein Beispiel: Ein rosafarbenes Kleidchen mit weissen Strumpfhose und das Ganze kombiniert mit rosa Schühchen und Rüschchen – Mädchen sehen plötzlich wie Zuckerwatte aus.

Als Mama versuche ich die Kinderkleidungsklischees auszubalancieren, in dem ich Kleidungsstücke für Mädchen und Jungs einfach miteinander kombiniere oder eben neutrale Farben wie weiss, schwarz, beige oder grau kaufe. Schliesslich darf man geschlechterspezifische Kleiderklischees nicht unterschätzen, denn sie bringen auch ein Problem mit sich: Den Mädchen wird damit beigebracht, dass sie immer süss und fein herausgeputzt aussehen muss. Dass sie rosafarbene Kleidchen tragen müssen und sich nicht dreckig machen dürfen. Und den Jungs wird suggeriert, dass sie sich für Autos und Sport interessieren müssen. Und genau das hat einen grossen Einfluss auf ihre Zukunft.

Kinder sollen selbst entscheiden

Ich persönlich möchte viel mehr für meine Tochter. Ich wünsche ihr, dass sie ihre Rolle in der Gesellschaft frei wählen kann. Sie darf ins Ballett gehen, sich aber auch für Fussball interessieren. Und wenn Rosa ihre Lieblingsfarbe wird und sie irgendwann beispielsweise Lokfahrerin werden möchte – dann ist das auch in Ordnung. Aber dann hat sie es aus eigenes Willen entschieden. 

Täglich berichtet «hallowil.ch»-Redaktorin und Mama Magdalena Ceak auf ihrem Instagram-Profil über den Familienalltag und gibt Inspirationen für die Kinderzimmereinrichtung.