Lucas Keel ist seit Kurzem Präsident der Regionalplanung Regio Wil. In dieser Funktion sieht er Möglichkeiten, die Region Uzwil-Oberuzwil-Oberbüren – einwohnermässig ebenbürtig mit Wil – im Nachgang zu Wil-West ebenfalls zu fördern. Ins Rathaus Wil will er aber nicht wechseln.
hallowil.ch: Herr Keel, das zweitletzte Jahr der Amtsdauer geht zu Ende. Ist die Behörde mit ihren Zielen auf Kurs?
Grossmehrheitlich. Themen wie das Abfallkonzept oder die Bahnhofstrasse sind zwar einen Schritt weiter, aber nicht dort, wo wir sein wollten. Auch bei der Entwicklung der Steuerkraft waren wir optimistischer. Zum Teil sind es äussere Umstände, zum Teil waren wir zu ambitioniert, zum Teil müssen wir auch selbstkritisch sein.
hallowil.ch: Zur Bautätigkeit: Das Seniorenzentrum wird erneuert und um fast 80 Pflegeplätze erweitert. Hat der Zweckverband, dem Uzwil, Oberuzwil und Oberbüren angehören, angesichts der privaten Angebote zu grosszügig geplant?
Das wird die Zukunft weisen. Die Spitex-Zahlen zeigen generell deutlich nach oben. Das ist ein vorlaufender Indikator. Ich schlafe gut, weil unser Erweiterungsprojekt nicht nur ein Bauprojekt ist, sondern auch konzeptionelle Änderungen beinhaltet, beispielsweise in der Pflege von dementen Personen. Wir haben mit dem Bauprojekt unzeitgemässe Vier-Bett-Zimmer aufgelöst und alte Bauten abgebrochen. Netto ist der Zuwachs 60 Plätze. Zudem haben wir bereits in der Abstimmungsbotschaft beschrieben, welche Optionen wir bei einem Überangebot hätten.
hallowil.ch: Von ihrem Büro im Gemeindehaus aus können Sie den täglichen Baufortschritt beim Birkenhof – Migros-Markt und vier Wohntürme mit 70 Wohnungen – beobachten. Wächst hier das neue Zentrum der Gemeinde heran und entspricht es den Vorstellungen der Behörde?
Ein einziges Gebäude, weder Mühlehof noch das Gemeindehaus noch das Benninger-Projekt, schafft allein ein Zentrum. Die Freiräume, die Plätze zwischen den Gebäuden, die Aufenthaltsqualität an Strassen, sind mindestens so wichtig. Ob etwas grosszügig und einladend wirkt, hängt sogar mehr von diesen Flächen ab. Diese Flächen sind eine Investition in den Ort. Sie müssen zusammenspielen und werden fortlaufend mit weiteren Bauprojekten entstehen. Der Kurs stimmt, das Puzzle beginnt sich zusammenzufügen. Ich denke, in fünf bis zehn Jahren wird sich das Gesicht grundlegend geändert haben.


hallowil.ch: Viele private Bauvorhaben sind in der Ausführung, andere geplant. Beispielsweise 300 Wohnungen auf der Höggerwiese. Welche Einwohnerzahl für Uzwil schwebt Ihnen vor?
Ironischerweise braucht es eine relativ hohe Bautätigkeit, um überhaupt nur die Einwohnerzahl zu halten. Verschiedene Gemeinden in der Region verlieren Einwohner. Entscheidend finde ich nicht die Einwohnerzahl, sondern eine gute Erneuerung der Wohnbauten. Alte Mehrfamilienhäuser abbrechen, wie etwa an der Schöntalstrasse und qualitativ gut ersetzen. Das sollte noch mehr geschehen. Auch das Schliessen von Baulücken befürworte ich. Das ist zwar nachbarlich oft anspruchsvoll, aber raumplanerisch sinnvoll.
Langfristig rechnet der Gemeinderat mit einem Zuwachs von jährlich rund 65 Personen, also 0,5 Prozent. Wir sind jetzt bei 13'000. Bis wir 14'000 Einwohner hätten, würde es also 15 Jahre dauern.
hallowil.ch: Sie haben an der letzten Bürgerversammlung festgestellt, dass Sie die gegenwärtige Bautätigkeit als eher zu intensiv einstufen. Ist ein stetig weiteres Wachstum der Einwohnerzahl überhaupt wünschbar? Sollen Gemeinden, vor allem urbane, uneingeschränkt weiter wachsen?
Ich habe an der Bürgerversammlung gesagt, dass die Entwicklung zu sprunghaft sei. Zwischen 2012 und 2015 wurde im regionalen Vergleich in Uzwil wenig gebaut, jetzt dafür sehr intensiv. Das bringt sowohl die Gesellschaft wie auch die Verwaltungsorganisation an Grenzen. Mit einer grösseren Bevölkerungszahl können wir die Infrastruktur-Kosten auf mehr Köpfe verteilen, vorausgesetzt, dass die «Bilanz» auch stimmt. Drum brauchen wir vor allem ein qualitatives Wachstum.

hallowil.ch: Die Firma Bühler hat heuer ein hochmodernes Zukunftslabor eingeweiht und damit ein Bekenntnis zum Standort Uzwil abgegeben. Besteht nicht die Gefahr, dass Uzwil vom Werk- zum Denkstandort wird und die einheimischen Arbeitskräfte durch ausländische ersetzt werden (müssen)?
Der Wettbwerb ist längst international. «Denkstandort sein» ist in meinen Augen die grosse Chance für unsere Bevölkerung. Das ist zwar herausfordernd, aber das wird es ohnehin, wenn Planung und Ausführung zusammengebracht werden sollen. Darum setze ich mich dafür ein, dass das duale Bildungssystem in unserer Region in neuen Kompetenzzentren organisiert wird. Wir müssen die internationalen Herausforderungen auf allen Ebenen so gut meistern, dass wir auch künftig Spitze sind. Das war schon hart, und bleibt es.
hallowil.ch: Ist Uzwil sozusagen gezwungen, unter anderem mit attraktivem Steuerfuss, finanzkräftige Neuzuzüger anzuziehen, um seine Zukunftsaufgaben lösen zu können? Die Renovation der Eishalle (6 Millionen Franken) und die Erweiterung der Schulanlage Herrenhof (20 Millionen Franken) sind auf die Zukunft verschoben worden.
Unser Rezept bleibt das sorgfältige und langfristige Investieren. Eher weniger machen, dafür dann aber richtig, zeitgemäss und mit Blick auf die Folgekosten. Der Gemeinderat hätte den Steuerfuss auf 2020 gern gesenkt, musste aber einsehen, dass sich Finanzbedarf für alle Aufgaben und die nötigen Erträge dann nicht in Einklang bringen lassen. Wir wollen auch keine zu grossen Risiken zu Lasten der künftigen Generationen eingehen, darum ist die Eishalle vorfinanziert und auch für die Schulraumerweiterung will der Gemeinderat 7 Millionen Franken auf der Seite haben, bevor sie realisiert wird.
hallowil.ch: Sie haben das Präsidium der Regionalplanungsgruppe Regio Wil übernommen. Was für eine Rolle spielt Uzwil in diesem Verband? Müssen Sie sich dafür einsetzen, dass neben dem Schwerpunkt Wil-West Wil-Ost nicht zum Mauerblümchen wird?
Die Menschen halten sich längst nicht nur in ihrer Gemeinde auf. Sie bewegen sich hauptsächlich regional, sei es beim Arbeiten, Einkaufen, auch in der Freizeit und in der Aus- und Weiterbildung. Die immer grössere Mobilität bedeutet für das Individuum Freiheit, ist zugleich auch Verpflichtung. Man hat eben nicht mehr alles vor der Haustür, siehe Spital-Diskussion. Diese Fragen brauchen eine regionale Abstimmung und Koordination. Uzwil ist der zweitgrösste Ort in der Region, als zusammengewachsener Lebensraum mit Oberuzwil und Oberbüren sogar gleich gross wie Wil. Wil-West hat einen Planungsvorlauf von mehr als zehn Jahren. Wir können also in Oberbüren-Uzwil nahtlos mit diesen Erfahrungen anschliessen.
hallowil.ch: Sie haben für den Nationalrat kandidiert – ohne Chancen, wohl aber um für die Partei (CVP) Stimmen zu holen. Jetzt steht ihr Name auf der Kantonsratsliste. Wenn Sie gewählt und die «Fraktion der Gemeindepräsidenten» weiter vergrössern würden, was hätte Uzwil davon?
Generell: Kantonsräte, die Gemeindepolitik betreiben oder sich um Fragen kümmern, die man quasi mit einem Telefon in die Staatsverwaltung lösen kann, haben ihre Aufgabe nicht verstanden. Statt die Regierung mit Bagatellen zu beüben, würden sie sich besser darum kümmern, wie der ganze Kanton im Verhältnis zu seinen Nachbarn und international optimal aufgestellt werden kann. Sprich, man muss seine Rolle kennen, wissen, was links und rechts läuft und sich auch mal regional einsetzen. Die Rheintaler sind zwar nach innen oft zerstritten, schaffen es aber immer wieder, ihre Kräfte gegen aussen zu einen. Das müsste unserer Region auch besser gelingen. Da sehe ich meinen Beitrag. Und davon profitiert auch Uzwil.

hallowil.ch: Es wird Ihnen attestiert, dass Sie ein zielstrebiger, ideen- und fantasiereicher Lokalpolitiker mit grossem Engagement sind. In Wil wird womöglich das Stadtpräsidium neu zu besetzen sein, wenn Susanne Hartmann (CVP) in die Regierung gewählt werden sollte. Die CVP ist auf der Suche nach Kandidaten. Ist das Wiler Stadtpräsidium für Sie ein Thema?
Nein.
hallowil.ch: Was wird Uzwil im Jahr 2020 bewegen?
Die Abstimmung über die Eishalle.
hallowil.ch: Was wünscht sich Lucas Keel für 2020?
Eine Gemeindepräsidentin, ein Gemeindepräsident verärgert und enttäuscht im Lauf seiner Amtszeit naturgemäss einige Menschen. Das lässt sich nicht vermeiden, wie schon das Sprichwort «allen Menschen recht getan ...» besagt. Und gerade deshalb bemühe ich mich, es für möglichst viele Menschen möglichst gut zu machen und so, dass ich es auch mit mir selbst vereinbaren kann. Und das möchte ich gern weiterhin so halten können.