Der 61-jährige Aargauer hatte nach seiner Ausbildung zum Lehrer an der Universität Zürich Geschichte und Philosophie studiert. Mit 30 Jahren war der Helikopter-Militärpilot bei der Einführung der Super Puma bereits Chefinstruktor. Nach verschiedenen Stationen als Berufsoffizier in der Schweizer Luftwaffe war er auf den 1. April 2009 zum Chef Einsatz Luftwaffe und Stellvertretenden Kommandanten der Schweizer Luftwaffe ernannt worden. In seiner Einleitung blickte Müller auf die unter seiner Leitung gestandenen Einsätze von Super Puma-Helikoptern der Schweizer Armee in Albanien (1999) und Sumatra (2004) zurück. In Albanien ging es damals während des Kosovo-Krieges um die Versorgung von in Camps untergebrachten Vertriebenen mit Hilfsgütern und Lebensmitteln. Auf der indonesischen Insel Sumatra wurden nach dem Tsunami mit rund 200‘000 Toten Hilfsflüge durchgeführt.
„Wir haben es mit einer veränderten Sicherheitslage zu tun. Am Rande von Europa passieren Sachen, die wir uns vor 10 oder 20 Jahren nicht vorgestellt haben. Die Freude über den Mauerfall im Jahr 1989, von dem viele Menschen einen dauerhaften Frieden in Europa erwartet haben, war verfrüht. So hat die bisweilen etwas vernachlässigte Landesverteidigung in den skandinavischen Ländern wieder einen höheren Stellenwert erhalten“, hielt Müller fest. Weil um das Jahr 2025 die Lebensdauer verschiedener grosser Waffensysteme der Schweizer Armee auslaufen wird, ist derzeit das Evaluationsverfahren für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und die Modernisierung der bodengestützten Luftverteidigung im Gange.
Generell vertritt Bernhard Müller die Ansicht, dass sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren stark verschlechtert habe. Die weltweite Instabilität nehme zu. "Länder haben keine Freunde, nur Interessen", sagte er bei seinen Ausführungen zum Thema Machtpolitik.
Scheiterte der Gripen an den Bürozeiten?
Der heute im Kanton Obwalden wohnhafte Luftwaffen-Kommandant sieht in der 2014 von den Stimmbürgern verworfenen Vorlage verschiedene Gründe. Wenige Monate vor der Abstimmung hatte der Co-Pilot ein Passagierflugzeug der Ethiopian Airlines auf dem Weg von Addis Abeba nach Rom in seine Gewalt gebracht. Die von zwei Eurofightern der italienischen Luftwaffe eskortierte Maschine landete später um sechs Uhr auf dem vorerst gesperrten Flughafen Genf. Begleitet wurde diese im Schweizer Luftraum von zwei französischen Kampfjets. Der Grund: Aus Kostengründen arbeitete die Schweizer Luftwaffe damals nur zu Bürozeiten. Die Schweizer Jet-Piloten nahmen ihre Arbeit erst um acht Uhr auf. Für Bernhard Müller ist heute klar: „Diese Schmach vor der Abstimmung hat der Vorlage 2014 das Genick gebrochen“.
Weil damals in den frühen Morgenstunden keine Schweizer Luftpolizei verfügbar stand, wurde die Einsatzbereitschaft im Luftpolizeidienst seit 2016 schrittweise ausgebaut. Ab 2021 werden während 365 Tagen rund um die Uhr zwei Flugzeuge vom Typ F/A -18 einsatzbereit sein. Damit soll die Luftwaffe ihrem Auftrag „Helfen – Schützen – Kämpfen“ wieder gerecht werden und den Schutz des Schweizer Luftraums jederzeit gewährleisten.
Ein Kostendach soll es richten
Anders als beim Gripen, der schon im Parlament auf viel Kritik gestossen war, will sich der Bundesrat nicht mehr auf eine Anzahl neuer Kampfflugzeuge festlegen. Richten soll es ein Kostendach von acht Milliarden Franken, das für die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge sowie von Boden-Luft-Raketen zur Verfügung steht. Der Luftwaffen-Kommandant ist der Ansicht, dass die nun vorliegende Gesamtschau die damaligen Argumente für das Gripen-Nein berücksichtige und dem Beschaffungspaket mehr Spielraum einräume.
Das Risiko einer von den Bundespolitikern geforderten Paketlösung liegt darin, dass die Luftwaffe bei einer Ablehnung der Vorlage mit leeren Taschen dastehen würde. Divisionär Müller weist in einem Vergleich mit den acht Milliarden Franken darauf hin, dass sich die Gesamtkosten für den Bau der Alpentransversalen Neat auf gegen 25 Milliarden Franken belaufen würden.
Am 23. März dieses Jahres hatte das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) im Rahmen des Projekts „Air2030“ festgelegt, welche Anforderungen die neuen Mittel zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren aus der Luft erfüllen müssen. Zudem hat es die Kriterien für die Evaluation sowie weitere rüstungspolitische Vorgaben festgelegt, unter anderem zu den Kompensationsgeschäften. Gegenwärtig läuft das Evaluationsverfahren.
Fünf Flugzeugtypen aus vier Ländern
Als Ersatz für die Kampfflugzeuge des Typs F/A-18 und der noch verbleibenden Tiger F-5 stehen fünf Typen aus Deutschland, Frankreich, Schweden und den USA zur Wahl. Nicht in Frage kommen russische und chinesische Flugzeuge. Den Herstellern wurden für das Evaluationsverfahren rund 2000 Fragen gestellt, die bis Ende Januar 2019 beantwortet sein müssen. Bei den Raketen stehen Systeme aus Frankreich, Israel und den USA zur Debatte. Angestrebt wird der Typenentscheid im Jahr 2020 und die Auslieferung zwischen 2025 und 2030.
Divisionär Müller macht sich gewisse Sorgen über die Einhaltung des ambitiösen Zeitplans: „Der Entscheid muss schnell kommen. So bin ich gespannt auf die neue Zusammensetzung des Bundesrates nach den beiden Ersatzwahlen vom 5. Dezember. Es wird sicher die eine oder andere Überraschung geben“. Bundesrat Guy Parmelin, Chef des VBS, hat immer wieder betont, dass es für dieses Rüstungsgeschäft keinen Plan B gebe.
Drohne auf Kollisionskurs mit F/A-18
Im Anschluss an sein Referat beantwortete Müller, der vor 38 Jahren auf dem Flugplatz Lommis ein älteres Sportflugzeug vom Typ Bölkow Bo 207 erworben hatte, Fragen aus dem Kreis der über 100 Jahrgänger. Angesprochen auf die von Drohnen ausgehenden Gefahren, berichtete der Luftwaffen-Chef über eine Beinahe-Kollision zwischen einer Drohne und einem F/A-18 auf 6000 Metern über dem Brienzer Rothorn. Zwar wurde Anzeige gegen Unbekannt erstattet, doch konnte der Besitzer der Drohne nie ermittelt werden. „Die mangelnde Regulierung und die bisher ausbleibende Registrationspflicht stellen für die Schweizer Luftwaffe ein Problem dar. Die Ausarbeitung von Gesetzen benötigt in der Schweiz halt viel Zeit“, bedauert der Divisionär.
Auf die Frage nach der Zukunft der Patrouille Suisse, wies Müller darauf hin, dass diese im kommenden Jahr auf ihr 55-jähriges und das PC 7-Team auf sein 30-jähriges Bestehen zurückblicken kann. „Diese beiden Kunstflugstaffeln der Schweizer Luftwaffe, die eigentlich ein Luxus sind, empfinde ich als emotionales Thema. Wenn der Tiger am Ende ist, wird es die Patrouille Suisse wohl auf einem anderen Flugzeug-Typen geben“, ist vom Divisionär zu erfahren.
Welches Flugzeug soll es sein?
„Welches Flugzeug-Muster würden denn Sie als Herr Müller beschaffen?“, lautete eine weitere Frage. „Zum heutigen Zeitpunkt hätte ich als Entscheidungsgrundlage noch nicht ausreichend Informationen. Ich darf Ihnen aber versichern, dass ich gemäss Planung von Bundesrat Parmelin noch im Amt sein werde, wenn der Typen-Entscheid gefällt wird“, gab der Luftwaffenchef preis.