Sonntagswanderung im oberen Toggenburg. Dieses erreiche ich ab Wil mit der Bahn von Gleis 4. Mag sein, dass es auch am Seniorenalter liegt, dass man eher zeitig auf dem Bahnhof ist. Die Zeiten sind vorbei, als man mit dem Fahrrad auf den Bahnhof hetzte, durch die Unterführung rannte und dann noch mit dem letzten Pfus den Zug erreichte. Diesen Pfus brauche ich nachher zum Wandern. Dafür habe ich Zeit, mich umzusehen und da - oh graus - zeigt sich Abscheuliches.
Sonntagmorgen am Gleis 4. Dreck und Abfall soweit das Auge reicht. Ich nehme an, dass die Olmarückkehrer da einiges dazu beigetragen haben. Zeitungen, Zigaretten, Flaschen, Plastik, Büchsen und so weiter, und so fort. Dass das Bahnpersonal nicht fast stündlich die Gleise säubert, kann ich nachvollziehen und macht zudem kaum Spass. Eigentlich müsste man die Verursacher fassen können, sie in ein Übergwändli stecken und dann den eignen Dreck aufräumen lassen. Bleibt wohl Wunschdenken.
Ein Bahnhof am Sonntagmorgen, nicht nur in Wil, ist ohnehin ein Schlaraffenland, um zu beobachten, Menschen zu sehen und zum Teil auch Schicksale zu erahnen. Obwohl schon gehen 9 Uhr, torkeln die letzten Heimkehrer über den Platz. Zwei junge Personen haben alle Mühe, ihren Kampfhund, der zwar ein ganz lieber sein soll, zu führen. Schon sind auch die ersten Dauergäste im Anmarsch, welche ausgerüstet mit einem Sixpack Bier den Tag am Bahnhof verbringen werden.
Zwei Tage später. Nach einer tollen Wanderung die Rückkehr aus dem Thurgau auf dem Bahnhof Wil. Der Bus fährt noch nicht und das gibt mir Zeit, die Toilette aufzusuchen. Aber wo ist sie nur? Nach erfolgreicher Suche stehe ich vor einer verschlossenen Tür, die sich nur öffnen lässt, wenn ich sie mit einem Franken füttere. Na ja, das ist für mich in Ordnung. Immerhin kann ich dann ein sauberes und scheinbar intaktes WC vorfinden, ohne dass ich mit der einen Hand die Nase zuhalten muss und mit der anderen versuche das WC-Papier abzurollen. Was ich dann aber antreffe, ist nicht gerade erbaulich. Die Schüssel voll, am Boden – trotz Gitterrost wie im Freilaufstall – der Mageninhalt eines Vorgängers. Und im Behälter stecken noch gebrauchte Spritzen. Pfuiteufel. Auch hier kann ich nachvollziehen, dass kaum Personal bereitsteht, dass hinter jedem WC-Gänger nachwischt und alles desinfiziert.
Künftig spare ich mir den Franken, klemme meine Backen zusammen und stürme zum Migros-WC. Das sind aber wohl auch nicht die Kunden, welche dort erwünscht sind.
Ob auf den Gleisen, dem Perron oder im WC: Leider haben wir immer mehr Kostgänger in unserer Gesellschaft, welche den Anstand irgendwo verloren haben. Wohl in einer Food Tüte, welche sie auf die Gleise schmissen.
Mäni Rüegg*
* = Mäni Rüegg ist aktiver Lokaljournalist in Pension. Seit über 42 Jahren in der Äbtestadt wohnhaft, beobachtet er das Geschehen in Wil und Umgebung. In der hallowil.ch-Kolumne «Mänis Perspektivenwechsel» nimmt er eine andere Sichtweise ein und berichtet ungeschminkt über Dinge, die einfach mal niedergeschrieben werden müssen.