Es ist kurz vor Zwölf am Mittag. Der Heimweg durchs Quartier, ob zu Fuss oder mit dem Auto, wird plötzlich zur Gedulds- und Sicherheitsprobe. Die Schüler sind auf dem Heimweg von der Schule und gestikulieren, diskutieren, lachen und geniessen die unkontrollierten Momente und den Freiraum zwischen Schulzimmer und dem Zuhause.

Ich fahre da sogar gerne mit 20 durchs Quartier, oder weiche auch mal aus, wenn ich zu Fuss unterwegs bin und es gar hektisch wird. Ich freue mich über die lachenden und lebensfrohen Kinder und überlasse ihnen die Hoheit auf ihrem gemeinsamen Schulweg. Genau auf diesem Weg, auf welchem sie zwischenmenschliche Erfahrungen sammeln und lernen. Wo sie sich unterhalten über die Schule oder das unter Freunden gemeinsam Erlebte. Dazwischen mal ein kleiner Streich wie zu guten alten Zeiten, als der Schulweg noch zum gemeinsamen Erlebnis und manchmal gar Geheimnis gehörte.

Gerne erinnere ich mich an die eigene Schulzeit zurück. So richtig verlockend waren die Hochsteckfrisuren in den 60ern. Da landeten die Schneebälle wunderbar weich und verschwanden in den Haargestecken der Damen. Nicht immer gelang die Flucht nach angerichtetem Unheil und man kassierte mal eine deftige Rüge. Mindestens. Heute kennen das leider zu viele Schüler kaum mehr, weil sie von Türe zu Türe chauffiert und behütet werden. Ein trügerisches Behüten.

Da hält vor dem Tonhalle-Schulhaus, Richtung Stadt, tatsächlich 20 Meter vor dem Fussgängerstreifen, ein grosses schwarzes Gefährt am rechten Strassenrand. Es hat kein Platz mehr auf den mit Elterntaxis besetzten Privat-Parkplätzen. Der kleine Knips kommt wie «Sbisiwetter» auf das Auto zu, rennt dann vor dem Auto der Taxi-Chauffeuse auf die Strasse und prompt vor ein Auto, das zum Glück noch bremsen kann. Mir stockt der Atem, ich schüttle den Kopf und denke: Liebe Mutter, was tust du da deinem Kind an. In Einerkolonne warten die Elterntaxis vor dem Mattschulhaus. Auch hier rennen die Erst- und Zweitgixler auf das Auto der Elterntaxis zu ohne auf den rollenden Verkehr (Autos und Fahrräder) zu schauen. Um Himmels Willen. Was soll das, liebe Eltern?

Etwas „Acht geben“ und vor „Schaden schützen“ ist die Bedeutung im Duden für das Wort „behüten“. Liebe Eltern, vermittelt euren Kindern nicht nur, behütet und bewacht zu werden, sondern auch etwas Eigenverantwortung zu lernen. Aber auch den Spass am gemeinsamen Schulweg erleben zu lassen. Geht doch selber mal zu Fuss mit auf den Schulweg. Das erspart sogar das Fitnesscenter. Das Kind lernt mit anderen Kindern auf dem Schulweg Spass zu haben. Zum Glück gibt es noch die hütenden Omas und Opas, welche die gemeinsamen Erlebnisse und die Geheimnisse des Schulwegs noch kennen.

Mäni Rüegg*

* = Mäni Rüegg ist aktiver Lokaljournalist in Pension. Seit vielen Jahren beobachtet er das Geschehen in Wil und Umgebung. In der hallowil.ch-Kolumne «Mänis Perspektivenwechsel» nimmt er eine andere Sichtweise ein und berichtet ungeschminkt über Dinge, die einfach mal niedergeschrieben werden müssen.