So vielfältig, lebendig und attraktiv die Wiler Kultur ist, so zurückhaltend und ideenlos, bis gar einfältig in Leserbriefen, und bei Projekten vom Neid getrieben, präsentiert sich der Gegenwind für die Wiler Kultur.
Es fehlt die echte koordinierende Antriebsfeder – auch aus dem Rathaus, um Wil als Kulturstadt besser zu positionieren. Eine mutige Idee mit Leuchtcharakter über die Region hinaus. Etwas Neues und vielleicht gar Provokatives. Irgendwie braucht es noch mehr wie das Rock am und das «h» im Weier, das Fête de Lion, das Klassik Openair, das Musiktheater, die Tonhalle, die Kulturhalle oder den Gare de Lion. Man sprich immer vom Leuchtturm Hof, verkennt aber, dass es noch viele andere Kulturlichter gibt, die nur brennen, weil sich Private darum bemühen.
Es sind sehr, sehr viele Private, Vereine, Institutionen, Genossenschaften und Interessengemeinschaften, welche das Kulturleben zusätzlich reichhaltig beleben. Diese sehen sich aber mit immer mehr Papierkram und Vorschriften, Einsprachen und Auflagen konfrontiert. Da mutet es schon blamabel an, dass in den Schubladen der Stadt Wil seit nunmehr seit bald vier Jahren die Anfragen, Vorschläge und Ideen betreffend kultureller Teilnutzung des verwaisten Turms der IG Wiler Kultur schlummern und die Initianten keine abschliessenden Entscheide erhalten. Nicht einmal einen negativen. Übrigens bewegt sich der Netto-Aufwand der Stadt für die Kultur in den vergangenen Jahren zwischen 1,0 % und 1,2 % des städtischen Gesamtaufwandes.
Anlässlich des Podiums zur Wiler Kultur im September blieben die Vertreter der Stadt fern. Das schien mir etwas gar einfach und kurzsichtig. Die Wertschätzung für ehrenamtliches Kulturschaffen wäre auch an einem solchen Anlass gefragt und nicht nur am Dankesanlass, der so eher zum Pflichttermin der Stadt verkommt.
Es kommt mir vor wie vor fast 20 Jahren, als in denselben Büros die Ideen für die neuen Sportanlagen Bergholz von einer Schublade in die andere verfrachtet wurden und niemand das Dossier ernsthaft in die Hand nahm. Es musste sehr weh tun und die alten Anlagen kurz vor dem Vergammeln stehen, bis man handelte. Die Kultur mag vielfältiger, komplexer und gar komplizierter sein als der Sport in der Region. Doch haben inzwischen die Initianten der IG Wiler Kultur die Kraft etwas verpufft, um gegen die Windmühlen der Bürokratie und Expertisen anzutreten und sie fühlen sich verschaukelt.
Bereits in die Schublade der Törichten gehören Leserbriefe wie jener gegen die Jungtambourentage in Wil. Da wurde wohl jemand von Anstand und Respekt und der dazu passenden Intelligenz verfolgt und er war tatsächlich schneller als alle drei zusammen. Der Leserbriefschreiber hat sich inzwischen entschuldigt. In die Schublade der Neider gehören jene Einsprecher, welche verhinderten, dass auf der Weierwise ein Garten-Gastrobetrieb geführt werden kann. Dies zu Tageszeiten und nicht bis mitten in die Nacht. Es wäre eine weitere positive Aufwertung für das Äbtestädtchen.
Es gibt sie, die Kulturschaffenden in Wil und der Region. Was fehlt ist der Mut zu etwas Speziellem. Wenn zum Beispiel die Vertreter von Ohm 41 etwas Spezielles kreieren, ist des Wilers Lohn eher ein mitleidiges Lächeln, denn ein nachdenkendes Schmunzeln und dazu eine Prise Humor mit etwas Satire.
So schön unsere Altstadt mit Hof und dem Weier auch ist, fehlt als Gegenpol zur Historie der etwas schrille Touch, der auch über die Stadtgrenzen hinaus dafür sorgt, dass darüber gesprochen wird. Ich weiss: In der Altstadt wird auch gewohnt und gelebt, das wird aber auch in Bischofszell, Winterthur und Lichtensteig.
Mäni Rüegg
* = Mäni Rüegg ist aktiver Lokaljournalist in Pension. Seit vielen Jahren beobachtet er das Geschehen in Wil und Umgebung. In der Hallowil-Kolumne «Mänis Perspektivenwechsel» nimmt er eine andere Sichtweise ein und berichtet ungeschminkt über Dinge, die einfach mal niedergeschrieben werden müssen.