A.W.* isst am Samstag mit ihrem Ehemann, ihren drei Kindern und ihrem Vater im Restaurant der Wiler Migros. Das jüngste Familienmitglied, das von A.W. noch komplett gestillt wird, bekommt Hunger. Ganz bedeckt und mit Hilfe von Stillkleidern stillt die Mutter das zehn Monate alte Baby. Ganz in Ruhe und ohne jemanden zu stören. «Nach dem Essen mussten wir im Laden unseren Einkauf erledigen», erzählt die Mutter. Weil ihr Vater in Singapur lebt und deshalb einige Schweizer Produkte vermisst, macht dieser einmal im Jahr einen Grosseinkauf in der Migros. «Bei diesem jährlichen Einkauf kauft er den Supermarkt fast leer», berichtet die enttäuschte Migros-Kundin. Ihr Erlebnis hat A.W. am Tag danach, am Sonntagmorgen, auf der offiziellen Facebook-Seite der Migros geteilt und übt damit Kitik am Detailhandelsunternehmen. Während sie in den Laden gehen wollte, bekam ihr Sohn noch einmal Hunger. Also legte sie ihn noch an die zweite Brust. «Und ich war wohlbemerkt ganz bedeckt», erzählt sie weiter. Denn sie hatte spezielle Stillkleidung und einen Still-BH an. Sie finde, dass sie sich völlig korrekt und unauffällig verhalten habe und ist sich keiner Schuld bewusst.

«Plötzlich stoppt mich ein Sicherheitsmitarbeiter und sagt mir, ich solle das sofort unterlassen. Anscheinend habe sich jemand beschwert», schildert die Mutter weiter. Sie habe die Aufforderung des Mannes verweigert. Einerseits musste die Familie den Einkauf erledigen, andererseits musste das Hungerbedürfnis des Babys gestillt werden. «Daraufhin hat er mir gesagt, dass er seine Chefin holt, die mir dann Hausverbot erteilen wird.» Sie sei auch zwei Tage nach dem Ereignis entsetzt. Im Jahr 2019 sei das definitiv ein intolerantes Verhalten gegenüber Müttern. «Und das soll ein familienfreundliches Unternehmen sein?», fragt die Mutter offen auf der Facebook-Seite.

«Die Migros ist ein familienfreundliches Unternehmen», sagt Natalie Brägger, Projektleiterin Kommunikation der Migros Ostschweiz gegenüber «hallowil.ch» auf Anfrage, «entsprechend ist das Stillen in unseren Supermärkten und Restaurants erlaubt.» Aus Erfahrung wisse die Migros, dass Mütter ihre Kinder bei ihnen diskret stillen würden. «So, dass sich keine anderen Kunden gestört fühlen», ist sich die Projektleiterin sicher. Wer im Supermarkt ein ruhiges Plätzchen zum Stillen suche, dürfe sich jederzeit an das Personal wenden. 

Das Hausverbot ist nicht gültig

«Zum Fall in Wil», betont Projektleiterin Brägger, «können wir sagen, dass natürlich kein gültiges Hausverbot ausgesprochen wurde.» Die Migros Ostschweiz bedaure die Kundenreklamation, die nach dem Gespräch zwischen dem Sicherheitsmitarbeiter und der Kundin entstanden sei. «Wir entschuldigen uns für diesen Vorfall», sagt Brägger weiter.

«Auch wenn ich kein Hausverbot bekommen habe und mir dieses nur angedroht wurde, bin ich enttäuscht und verletzt», erklärt die junge Mutter. Ihr gehe es überhaupt nicht darum, nun gegen das grösste Schweizer Detailhandelsunternehmen zu schiessen. Aber: Die Migros müsse informiert werden, wenn Mitarbeiter so mit Kunden umgehen würden. Sie habe sich über Facebook gemeldet, weil sie eine Antwort auf das Geschehene haben möchte. «Ich möchte wissen, warum ich und meine Familie so schlecht behandelt wurden.» Für sie ist klar, dass sie das letzte Mal in der Migros Wil war. Sie nehme das angedrohte Hausverbot dankend an. Denn so einen Laden wolle sie mit keinem Franken mehr unterstützen, schreibt sie weiter auf Facebook «Wir werden natürlich noch persönlich den Kontakt zur verärgerten Kundin aufsuchen», verspricht Brägger, Projektleiterin der Migros Ostschweiz. 

Auch Migros Wil bedauert den Vorfall

Am Montagnachmittag suchte A.W. dann ein Gespräch mit der Filialleiterin des Standortes Wil. Denn der Sicherheitschef hatte sie, nachdem sie den Facebook-Eintrag veröffentlicht hat, privat über den Messenger der Social-Media-Plattform, kontaktiert. «Er schrieb mir, dass er seinen Mitarbeiter schützen müsse, weil meine Version der Geschichte nicht korrekt sei», informiert die dreifache Mama. Denn der betroffene Sicherheitsmitarbeiter werfe ihr vor, die blanke Brust gezeigt zu haben und an der offenen Käse-Theke gestillt zu haben. Reagiert habe er aus hygienischen Gründen. «Ja, ich bin an der Theke vorbeigelaufen, aber ich stand nicht direkt davor», sagt sie. «Ausserdem: Was ist am Stillen so unhygienisch?» Laut A.W. hat die Wiler Filialleiterin den Vorfall ebenfalls bedauert und sich für das Verhalten des Sicherheitsmitarbeiter entschuldigt. «Sie meinte, dass sei eine Kompetenzüberschreitung des Sicherheitsmitarbeiters gewesen», erzählt sie weiter. Auch die Filialleiterin habe ihr bestätigt, dass man sowohl im Restaurant, als auch im Supermarkt stillen dürfe. 

*vollständiger Name der Redaktion bekannt