Ist eine im Turbinenbau spezialisierte Jonschwiler Firma im Juni nur knapp einem Brandanschlag entgangen? Vieles deutet darauf hin. Im Internet ist auf Portalen, welche der linksextremen Szene zuzuordnen sind, ein unmissverständliches Bekennerschreiben aufgetaucht. Dieses liegt hallowil.ch vor. Darin steht: «Als Beitrag zu den internationalen Aktionstagen gegen den Ilisu-Staudamm in der Türkei haben wir in der Nacht vom 7. Juni bei der österreichischen Baufirma Andritz in Jonschwil Feuer gelegt: Kriegs-Profiteure, Faschismus-Kollaborateure und Umwelt-Zerstörer sind angreifbar.» Darunter ist ein Andritz-Firmenauto zu sehen, unter dem eine braune Flasche liegt, an der etwas befestigt ist. War es ein Sprengsatz? Eine Brandvorrichtung? Oder nur eine Attrappe? «Es entzieht sich meiner Kenntnis, was es genau war», sagt Lukas Hugentobler, Geschäftsführer der Jonschwiler Firma Turbal AG, deren Hauptkunde die Andritz Hydro ist.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat die Ermittlungen aufgenommen. Deren Mediensprecherin Beatrice Giger sagt gegenüber hallowil.ch: «Die Staatsanwaltschaft hat ein Strafverfahren gegen unbekannte Täterschaft wegen versuchter Brandstiftung eröffnet. Die Ermittlungen in alle Richtungen laufen.» Wie hallowil.ch-Recherchen ergeben haben, hat der Zwischenfall an jenem 7. Juni ein Grossaufgebot der Blaulicht-Organisationen ausgelöst und auch die Feuerwehr war vor Ort. Aus der Tatsache, dass «nur» wegen «versuchter» Brandstiftung ermittelt wird, kann aber abgelesen werden, dass kein Feuer ausgebrochen ist. Zum genauen Tathergang geben sich alle Direktbeteiligten wortkarg.
Kreditgarantien zurückgezogen
Doch warum ist die Jonschwiler Firma ins Kreuzfeuer der linksextremen Szene geraten? Die Firma Turbal AG, welche im Jahr 1960 in Algetshausen als Modellbau-Schreinerei gegründet worden war, ist seit den 1980er-Jahren im Turbinenbau tätig. Im Jahr 2009 wurde der Neubau in Jonschwil bezogen. Hauptkunde ist wie erwähnt die Firma Andritz, welche in Jonschwil ein technisches Büro betreibt. Der österreichische Teil der Andritz-Gruppe ist am Bau des Ilisu-Staudamms beteiligt. Dort soll der Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und dem Irak für ein Wasserkraftwerk aufgestaut werden. Doch dieses Projekt der türkischen Regierung ist stark umstritten. Ein Hauptkritikpunkt: Mit Inbetriebnahme müssten die Stadt Hasankeyf und weitere archäologische Stätten überflutet würden. Ein erster Anlauf war zu Beginn des Jahrtausends unter heftigem internationalem Protest gescheitert. Jedoch wurde das Projekt neu lanciert. Doch im Jahr 2009 zogen Deutschland, Österreich und die Schweiz ihre Kreditgarantien zurück, weil sie Auflagen für Umwelt- und Kulturgüterschutz als nicht erfüllt sahen. Laut dem Bekennerschreiben seien heute nur noch wenige internationale Firmen am Projekt beteiligt, darunter die Andritz Österreich.
Werden also Turbinen aus Jonschwil beim Ilisu-Staudamm eingebaut? Turbal-Geschäftsführer Lukas Hugentobler dementiert: «Turbal und auch Andritz Jonschwil konzentrieren sich auf Kleinwasserkraft. Für Grosskraftwerke wie jenes in der Türkei liefern wir weder Technologie noch Waren. Wir sind nicht involviert. Deshalb ist die Sache für uns erledigt.» Hugentobler legt Wert auf die Feststellung, dass Andritz Österreich am Staudamm-Bau beteiligt ist, Andritz Jonschwil aber nicht.
Die Arbeit ging weiter
In die Details will Hugentobler betreffend Tathergang nicht gehen. Er spricht aber von einem «mulmigen Gefühl», welches auch er an jenem Morgen des 7. Juni gehabt habe. Die Arbeit – das in dritter Generation tätige Familienunternehmen beschäftigt gesamt rund 30 Mitarbeitende – habe aber selbst an besagtem Morgen weitergehen können. Ob es in der Zwischenzeit zu Festnahmen gekommen ist, will die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekanntgeben.