Am nordöstlichen Rand der Gemeinde Niederbüren steht das Textilmuseum Sorntal, ein Kulturobjekt, welches eine historisch wertvolle Sammlung von Textilmaschinen, Apparaten, Stzoffmustern und Dokumenten aus dem 19. / 20. Jahrhundert beherbergt. Sie ermöglicht einen Einblick in die Sozial- und Industriegeschichte und in das damalige Fabrikleben. Die bisherige Eigentümerfamilie Georgii aus Sindelfingen möchte nun die Liegenschaft verkaufen. Um den Fortbestand des einmaligen Museums zu sichern und einen allfälligen Verkauf an Spekulanten zu verhindern, beschloss der Gemeinderat den Erwerb zu sehr fairen Bedingungen. Das Angebot für die rund 4‘000 Quadratmeter Land und das ehemalige Spinnereigebäude betrug 430‘000 Franken. Das gesamte Museumsgut wird ausserdem kostenlos zur Verfügung gestellt. Das ehemalige Spinnereigebäude aus dem Jahr 1850 wurde 1994 innen und aussen renoviert und als technisches Textilmuseum eingerichtet. Dieses erhielt als einziges technisches Museum im Kanton St.Gallen die offizielle Anerkennung durch den Bund, was die überregionale Bedeutung unterstreicht.
Referendum ergriffen
In Niederbüren regte sich Widerstand gegen dieses Kaufvorhaben. Die Gegnerschaft führte als Begründung an, dass ein Kauf nicht Sache der Politischen Gemeinde sei. Ausserdem befürchteten sie die hohe Unterhaltskosten, welche Niederbüren dann auch zu tragen habe. In der Folge wurde das Referendum ergriffen. Bei der Urnenabstimmung vom 25. November 2018 lehnten die Stimmberechtigten bei einer Beteiligung von 71 % den Kauf mit 418 Nein- gegenüber 338 Ja-Stimmen ab.
Wie der Gemeinderat bedauern auch die Verantwortlichen des Museumsvereins diesen demokratischen Entscheid, akzeptieren ihn jedoch. Gemäss Präsident Richard Holenstein war der Vorstand trotz der unvorhergesehenen Abstimmungsniederlage nicht bereit, die Bemühungen für den Erhalt des wertvollen Textilmuseums aufzugeben. Er versuchte eine neue Lösung für eine Trägerschaft zu entwickeln. Auch Gottlob Lutz, Vertreter der Besitzerfamilie und Kurator des Museums, setzte sich für den Erhalt seines Lebenswerks ein und erreichte bei den Besitzern eine Fristerstreckung bis Ende 2019.
Museumsverein ist gefordert
Im August 2018 wurde der Verein „Textilmuseum Sorntal“ Niederbüren gegründet. Er beabsichtigte, nach einem Kauf durch die Gemeinde die finanziellen Mittel für den Unterhalt aus den Mitglieder- und Gönnerbeiträgen, freiwilligen Zuwendungen sowie aus dem Erlös der Museumsführungen und Veranstaltungen aufzubringen. Nach dem negativen Urnenentscheid bei der Referendumsabstimmung beriet der Vorstand des Museumsvereins intensiv über das weitere Vorgehen. Neben der Suche nach einer neuen Form der Trägerschaft mussten auch die Vereinsstatuten abgeändert werden.
Am 12. Dienstagabend folgten rund 110 Vereinsmitglieder der Einladung zu einer ausserordentlichen Generalversammlung. Präsident Richard Holenstein erwähnte in seinem Rückblick die Vorgeschichte und die Bemühungen der Initianten. „Es ist uns ein grosses Anliegen, den Erhalt und die Zukunft des einzigartigen Textilmuseums Sorntal zu sichern. Es ist mit dem Prädikat „von nationaler Bedeutung“ ausgezeichnet und verdient unsere Unterstützung. Es ist ein wertvolles Kulturgut und Erlebnisstätte der Textiltechnik.“
Einstimmige Beschlüsse
Das Kaufobjekt in Sorntal umfasst total 3‘952 Quadratmeter. 385 Quadratmeter sind das Gebäude, 189 Quadratmeter Strasse und Weg, 828 Quadratmeter befestigte Fläche und 2‘550 Quadratmeter Acker, Wiese sowie Weide. Im Kaufpreis von 430‘000 Franken ist sämtliches Museumsgut eingeschlossen. Der Kaufpreis ist durch den Museumsverein bis spätestens Ende 2019 zu finanzieren und der Verkäuferin zu überweisen. Den Businessplan stellte Aktuar Werner Koller vor. Er erwähnte die bereits zugesicherten Startbeiträge vom Amt für Kultur St.Gallen, der Politischen Gemeinde, der Bürgerkorporation Niederbüren, der Raiffeisenbank Region Uzwil sowie von privaten Gönnern und Spendern. Der Vorstand sieht zudem Möglichkeiten für attraktive Projekte im Zusammenhang mit dem Museumsgut, das noch erfasst wird. Vorgestellt wurde auch ein Budget, das mit positivem Abschluss rechnet. Nach der veränderten Ausgangslage mussten auch über angepasste Statuten abgestimmt werden. Ohne Gegenstimme wurden sie genehmigt. Das gleiche Resultat ergab auch die Abstimmung über den Kauf der Liegenschaft.
Erweitertes Kulturangebot
Mit diesem Beschluss kann Niederbüren sein Kulturangebot um einen weiteren Mosaikstein ausbauen. Welche Landgemeinde dieser Grösse kann schon zwei bedeutende Museen wie das Rock & Pop- und das Textilmuseum anbieten? Richard Holenstein sieht in der grossen Unterstützung einen Lichtblick für eine erfolgreiche Zukunft des Textilmuseums. Er gab bekannt, dass in diesem Jahr das 25-jährige Jubiläum des Textilmuseums mit einem besonderen Anlass gefeiert wird. Ein Dank ging an Gottlob Lutz, der das Museum auf- und ausbaute und der auch weiterhin im Vorstand mitwirkt. Um ihn und seinen Mitarbeiter Franz Kettel bei den Museumsführungen zu entlasten, werden neue Führer eingearbeitet. Nach der Kaufgenehmigung treten die bereits unterzeichneten Verträge für die Liegenschaft und das kostenlose Museumsgut in Kraft.