«In den vergangenen 19 Jahren gab es noch nie einen solchen Zwischenfall», sagt Jonschwils Gemeindepräsident Stefan Frei. Er spricht von jenen schrecklichen Momenten, die sich vergangene Woche am Fusse des Wildbergs zugetragen haben. Nach einem Streit zweier Eheleute hat der Mann mit Brandbeschleuniger das Haus in Brand gesteckt. Nach einer verzweifelten Flucht erschoss er sich – umzingelt von Polizisten – selbst (siehe unten). «Die ersten zwei bis drei Tage war dies überall ein Gesprächsthema. Je näher man wohnt, desto grösser ist die Betroffenheit. Die meisten Leute kannten die Familie aber nicht persönlich. Besonders betroffen waren die unmittelbaren Nachbarn, die sicherlich die Bilder des Brandes noch im Kopf haben», sagt Frei. In der Zwischenzeit hat der örtliche Feuerwehrkommandant für zwei Nachbarfamilien ein Careteam organisiert – unter anderem wegen der Kinder.
Knapp eine Woche ist seither vergangenen. Viele Fragen sind noch immer ungeklärt. Die wichtigste ist jene nach dem Motiv: Wie konnte es zu dieser schlimmen Tat kommen? «Auch aus Gründen des Schutzes der hinterbliebenen Witwe und des Kindes machen wir keine Angaben zum Motiv», sagt Beatrice Giger von der Staatsanwaltschaft St. Gallen auf Anfrage von hallowil.ch.
Gemeinde stellt Wohnung zur Verfügung
Eine Frage ist auch, ob die Frau schon wieder ein Dach über dem Kopf gefunden hat. «Die Gemeinde konnte eine Wohnung anbieten, welche die Gemeinde bis Ende August gemietet hat, die aber bereits frei ist. Die betroffene Frau hat sich bis jetzt noch nicht dazu gemeldet», sagt Gemeindepräsident Frei.
In der Zwischenzeit ist noch ein neues Problem aufgetaucht: die Brandruine. Die Nachbarn befürchten, dass sich aufgrund der derzeit vorherrschenden Trockenheit und etwas Wind Schadstoffe im Quartier verbreiten könnten. Die Gemeinde hat gehandelt. «Derzeit laufen Abklärungen mit der Gebäudeversicherungsanstalt und eine Spezialfirma ist mit der Umsetzung beauftragt worden», sagt Stefan Frei.
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So hat hallowil.ch am 20. Juni berichtet:
Das Drama in Jonschwil begann mit einem mutmasslichen Streit zwischen dem 72-jährigen Ralf R.* und seiner 38-jährigen Ehefrau, die kurz danach aus dem Haus flüchtete. Nach Angaben der Kantonspolizei verständigte sie umgehend den Notruf. Der Ehemann, der nach Recherchen von «hallowil.ch» ein in der Region bekannter Kinder- und Jugendpsychiater ist, zündete in dieser Zeit das Haus an und flüchtete darauf mit einem Auto in eine unbekannte Richtung. «Beim Eintreffen der ersten Rettungskräfte stand das Einfamilienhaus bereits in Vollbrand», berichtet die Kantonspolizei (Kapo) St. Gallen in einer Medienmitteilung am Donnerstagmorgen. Die Feuerwehren Jonschwil und Wil bekämpften mit Grossaufgebot den Brand. «Aus Sicherheitsgründen und als Folge der starken Rauchentwicklung wurden die Bewohner der Nachbarhäuser kurzzeitig evakuiert», heisst es vonseiten der Kantonspolizei St. Gallen. Das gemeinsame fünfjährige Kind der Eheleute sei zum Zeitpunkt des Brandes nicht im Haus gewesen. «Das Kind war in dieser Nacht bei Verwandten», sagt Hanspeter Krüsi, Kommunikationsleiter der Kapo St. Gallen, auf Anfrage von «hallowil.ch».
Hausbesitzer brachte sich mit einer Waffe um
Weil der 72-jährige Hausbesitzer, der in Rumänien geboren und in Israel aufgewachsen ist, auf der Flucht war, wurde eine interkantonale Fahndung nach ihm und dessen Auto ausgelöst worden. Kurz nach 3.30 Uhr beabsichtige er an seinen Wohnort zurückzukehren. Nach Angaben von Polizeisprecher Krüsi wollte eine Kapo-Patrouille das Auto anhalten. Den Polizisten sei es gelungen den Hausbesitzer mit Hilfe eines Stop-Schilds an der Agrola-Tankstelle – in der Nähe seines Hauses – zu umstellen. «Der 72-Jährige fuhr auf einen Platz und richtete eine Waffe gegen sich selber», informiert die Kapo bereits am Donnerstagmorgen die Medien. «Obwohl die Rega sofort verständigt und der Mann sofort ärztlich versorgt wurde, konnte er nur noch tot geborgen werden», berichtet Krüsi von den dramatischen Geschehnissen in Jonschwil.
«Ja, ich kenne die Familie persönlich, aber ich möchte mich nicht zum Vorfall äussern», sagt eine ältere Anwohnerin, die am Donnerstagmorgen beim betroffenen Haus vorbeispaziert, und winkt die Fragen von «hallowil.ch» freundlich ab. Auch die Nachbarin, die ihr Haus direkt neben dem abgebrannten Haus hat und mit ihrer Familie am Vormittag nach dem Grossbrand zurückkehrt, will keine Auskunft geben: «Ich muss mich um meine Kinder kümmern». Eine dritte Nachbarin läuft zu ihr und umarmt sie. Die beiden Damen flüstern. «Ich gebe keinen Kommentar ab», sagt auch die dritte Nachbarin als sie wieder zum Garten ihres Hauses läuft, das sich gleich gegenüber des abgebrannten Hauses befindet. Der Schrecken scheint bei den Anwohnern der Wildbergstrasse in Jonschwil noch tief zu sitzen.
Dass so etwas in Jonschwil geschah, ist auch für den Jonschwiler Gemeindepräsidenten Stefan Frei schwer verständlich. «Solche Ereignisse erschrecken», sagt Frei gegenüber «hallowil.ch», «vor allem wenn sie in der eigenen Gemeinde passieren». Der Hausbesitzer und seine Familie seien nie negativ aufgefallen. Dabei informiert der Gemeindepräsident, dass das Grundstück bereits am Donnerstagvormittag abgesperrt wurde. «Weil es einsturzgefährdet ist», so Frei. Ihm liege es am Herzen, die Frau und das fünfjährige Kind nun zu unterstützen und zu schauen, wo die beiden nach diesem dramatischen Erlebnis wohnen werden. «Sofern die Frau unsere Hilfe annehmen möchte», sagt er abschliessend.
Feuerwehrleute mussten ins Spital
Nebst den Feuerwehren standen ein Einsatzleiter der Sanität, ein Rettungswagen mit Notarzt, ein Staatsanwalt sowie mehrere Patrouillen und Spezialisten der Kapo St.Gallen im Einsatz. Das Kompetenzzentrum Forensik der Kapo St.Gallen wurde mit der Spurensicherung beauftragt. «Um was es beim Ehestreit ging und warum der Mann das Haus in Brand gesetzt hat, wissen wir noch nicht», sagt Krüsi. Das Motiv gilt es nun zu ermitteln. «Das kann Wochen dauern», fügt der St. Galler Polizeisprecher an. Hierfür wolle man die Familie, Nachbaren und das Umfeld des 72-Jährigen befragen. «Die Spurensicherung und die Befragungen müssen übereinstimmen und dann wissen wir Genaueres», so Krüsi.
Laut Krüsi geht es der Ehefrau und dem Kind den Umständen entsprechend. «Sie werden von Spezialisten psychologisch betreut.» Am Einfamilienhaus entstand ein Sachschaden von mehreren 100 000 Franken.
Ausserdem mussten sich drei Angehörige der Feuerwehr wegen einer Rauchgasvergiftung im Spital behandeln lassen. Weder die Feuerwehr Jonschwil noch die Feuerwehr Wil möchte sich zu ihrem Einsatz äussern. Sie verweisen auf die Kapo.
*Namen von der Redaktion geändert.