Die Ostschweiz frohlockt über mehr Züge zwischen St. Gallen und Zürich ab dem 9. Dezember. Doch halten beileibe nicht alle in Wil. Im westlichen Teil des Fürstenlands tritt man dem neuen Fahrplan vielerorts zurückhaltend bis skeptisch gegenüber. Dieser bringt sogar mit sich, dass nicht mehr nur Intercitys Wil haltlos passieren, sondern neu auch Interregios. Hallowil unternimmt zehn virtuelle Reisen.
Ich bin Wiler und möchte nach Zürich, um ein paar schöne Stunden am See zu geniessen: Das geht mit dem neuen Fahrplan, ohne umzusteigen. Da die Zürcher S12 stündlich bis nach Wil verlängert wird, ergibt sich eine Direktverbindung nach Stadelhofen und somit eine Verbesserung des Komforts – und zwei Minuten Zeitersparnis obendrauf. Der Haken: Die direkten Züge fahren nur von Montag bis Freitag. Wer am Wochenende ans Zürcher Seebecken will, muss weiterhin in Winterthur oder Zürich HB umsteigen.
Ich bin Uzwiler und will in Konstanz shoppen: Die Anzahl schneller Direktverbindungen zwischen St. Gallen und Konstanz wird erhöht. Neu gibt es jede Stunde einen solchen Zug. Als Uzwiler habe ich aber nichts davon. Ganz im Gegenteil. Bis anhin gab es alle zwei Stunden eine Direktverbindung – auch für den Heimweg. Das war mit vollen Taschen noch nützlich. Da die S1 ab Uzwil künftig in einer anderen Taktlage verkehrt, fällt diese Direktverbindung weg. Dafür gibt es in St. Gallen 23 Minuten Aufenthalt. Es braucht 1 Stunde und 16 Minuten nach Konstanz – mindestens.
Ich bin Wiler und plane einen Ausflug ans Münchner Oktoberfest: Bis anhin gab es Direktverbindungen. Zwar brauchte man auch mit dieser über dreieinhalb Stunden, dafür konnte man in Wil den Speisewagen besteigen und die Diesel-Lock-Fahrt durch Bayern geniessen. Die Direktverbindung fällt weg und es braucht künftig in den meisten Fällen über eine Stunde mehr in die bayrische Metropole. Teilweise ist es nun empfehlenswert, mit einem Schnellbus ab Zürich nach München zu fahren. Trotzdem ist diese Anpassung für die Mehrheit der Wiler positiv. Da dieser Eurocity in den Taktfahrplan integriert war, hatte er oftmals Verspätung, vor allem aus Deutschland kommend. Dieses Problem fällt weg.
Ich bin Wiler, wohne im Neulandenquartier und möchte am Sonntag im Obertoggenburg Skifahren: Wer erste Schwünge in die frisch präparierten Pisten ziehen will, muss das Auto nehmen. Die erste Verbindung mit dem ÖV von Wil, Bubenloo nach Unterwasser, Post gibt es sonntags um 8.07 Uhr. 93 Minuten später ist man in Unterwasser, Post – und somit nicht vor 10 Uhr auf der Piste. Beim Après-Ski darf man auch nicht allzu lange hängen bleiben. Letzte Verbindung heim ist um 17.45 Uhr ab Unterwasser. Aber das mit dem Après-Ski ist im Obertoggenburg ja ohnehin eine andere Geschichte.
Ich bin Wiler Bundesrätin und möchte umsteigefrei nach Bern: Früh aufstehen ist angesagt. Um 5.33 Uhr gibt es eine Direktverbindung in die Bundeshauptstadt mit Ankunft um 7.28 Uhr in Bern. Es ist der einzige direkte Zug – und somit immerhin einer mehr als in die Gegenrichtung. Das ist schon bis anhin so. Ob es daran liegt, dass Karin Keller-Sutter bereits angekündigt hat, unter der Woche eine Wohnung in Bern nehmen zu wollen, falls sie gewählt wird? Immerhin ist in Aussicht gestellt, dass es ab 2021 wieder regelmässig direkte Züge Wil-Bern geben wird.

Ich bin Flawiler und pendle nach Zürich Oerlikon zur Arbeit: Das wird mit dem neuen Fahrplan angenehmer. Halbstündlich gibt es eine Direktverbindung. Bis anhin war es keine einzige. Dadurch reduziert sich die Reisezeit auf unter eine Stunde. 52 Minuten sind es noch. Zudem kann man in Flawil in einen noch halbwegs bevölkerungsreduzierten Zug einsteigen. Der Kampf um einen Sitzplatz in Wil entfällt.
Ich wohne in Bazenheid und arbeite beim Bühler in Uzwil: Die Fahrzeit beträgt mindestens 50 Minuten für die paar Kilometer. Mit dem Auto ist das in gut einer Viertelstunde zu schaffen. Auch dies hat mit der veränderten Taktlage der S1 zu tun. Die Folge ist ein über 20-minütiger Aufenthalt in Wil. Noch extremer wird es, wenn ich in Lütisburg wohne und einen Ausflug ins Chocolarium Flawil plane. Zwar wird die Haltestelle «Flawil, Maestrani» deutlich besser erschlossen mit dem neuen Fahrplan, für besagte Strecke sind aber satte 85 Minuten einzurechnen. Da ist man mit dem Velo deutlich schneller.
Ich bin Zuzwiler und möchte in Wil bummeln: Bis anhin gab es einen Schnellkurs, der auf direktem Weg das Wiler Zentrum angesteuert hat. Das ändert sich. Entweder fährt der Bus künftig durch das Dorf Züberwangen und dann in Wil direkt zum Bahnhof. Oder er lässt zwar das Dorf Züberwangen aus, fährt dann aber via Spital und den Wiler Bleicheplatz zum Bahnhof. Beide Kurse brauchen gleich lang. Dafür gibt es neu einen «schönen» Viertelstunden-Takt. Bis anhin fuhren die beiden Buse pro halbe Stunde nahe hintereinander, was dann auch eine Lücke ergab.
Ich wohne im Münchwiler Ortsteil St. Margarethen und will an den Flughafen Zürich, um die Ferien zu beginnen: Bis anhin war das nicht möglich, da St. Margarethen nicht vom ÖV erschlossen war. Oder anders formuliert: Man hätte zuerst rund einen Kilometer mit dem Gepäck nach Münchwilen laufen müssen, um dann einen Schlenker nach Wil einzulegen. Neu gibt es einen direkten Bus von St. Margarethen nach Eschlikon, wo ein guter Anschluss nach Winterthur und dann weiter zum Flughafen besteht. Etwas mehr als eine Stunde ist dafür einzurechnen. Am Sonntag funktioniert das nicht, da der neue Bus nur von Montag bis Samstag verkehrt.
Ich bin Braunauer und möchte in den Nachbarort Wuppenau: Dafür ist ausserhalb der Rush-Hour eine Stunde einzurechnen – inklusive 37 Minuten Aufenthalt in Wil. In Braunau ist ein Auto ganz grundsätzlich eine gute Grundvoraussetzung. Denn auch für die Reise nach St. Gallen braucht es wegen der neuen S1-Taktlage künftig mehr als eine Stunde.