Am ersten Abend der dreiteiligen Vortragsreihe stellte die Sozialwissenschafterin und Ethikerin Dr. Jeannette Behringer den Einfluss von Fake-News auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie ins Zentrum. 

Jeannette Behringer

Die Themen Demokratie, Nachhaltigkeit und Ethik treiben die auch als Politologin ausgebildete Jeannette Behringer um. Im Juni 2018 hatte sie in Oberuzwil bereits einen Vortrag zum Thema «Politischer Fundamentalismus» gehalten. Vor zwei Jahren gründete sie dann das «Forum für Demokratie und Ethik».

Das Forum ist – so steht es auf der Webseite von Jeannette Behringer – «Denkraum und Brücke zwischen Menschen, Organisationen und Themen. Es versteht sich als Impulsgeber, leistet Analyse, Beratung, Prozessbegleitung und Moderation.»

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Ellen Schout Grünenfelder, Seelsorgerin, begrüsste das überschaubare Publikum anstelle der erkrankten Bichwiler Pfarreileiterin Ingrid Krucker-Manser.


Begriff «Fake-News» seit 2017 im Duden aufgeführt

Spätestens seit der Präsidentschaft von Donald Trump in den USA ist das Wort zum Inbegriff von unwahren Nachrichten geworden. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend noch verstärkt. Allerdings ist das Phänomen «Fake-News» keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Der Ausdruck «Lügenpresse» für die Qualitätsmedien war schon im 19. Jahrhundert zu lesen. Eine wissentlich falsche Behauptung, unermüdlich wiederholt, stösst immer irgendwann bei manchen Menschen auf Zustimmung. Fake-News sind Falschnachrichten, die mit Absicht verbreitet werden. Es sind aber auch Informationen, die die Form seriöser Medien nachahmen und damit für viele als glaubwürdig gelten. Sie zersetzen bis anhin gültige Werte wie Verlässlichkeit, Vertrauen in Staat und Institutionen und führen zu gewollter Unsicherheit – die ihrerseits wieder mit einfachen Erklärungen beantwortet wird.

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Definition von «Fake-News»


Kabarettistisch abgehandelte Verschwörungstheorien

In den sozialen Netzen werden unzählige Youtube-Filme verbreitet, die Verschwörungstheorien verbreiten. So ist Bill Gates ein beliebtes Opfer für alle möglichen Behauptungen. Die Corona-Krise hat das Aufkommen von solchen Falschmeldungen in die Höhe getrieben. Leider hat dies auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft beschädigt, was zu den Absichten solcher Falschmeldungen gehört. Auch hier gilt es, genau hinzuschauen.

Soziale Medien verstärken Polarisierung

Seit dem Aufkommen der verschiedenen «Social-Media-Portale» hat sich die Verbreitung von solchen Falschnachrichten potenziert. Facebook, Instagram, Telegram und all die verschiedenen Messengerdienste unterbreiten ihren Nutzerinnen und Nutzern auf deren Interessen zugeschnittene Informationen. Was von den sogenannten «Mainstream-Medien» veröffentlicht wird, gilt bei Verbreitern von Falschnachrichten als «Fake-News». Das kann sich bis hin zu einer sogenannten «Bubble» – zu Deutsch: Blase – entwickeln. 

Man bewegt sich nur in einer Art Parallelwelt, die im schlimmsten Fall kaum mehr etwas mit der Realität zu tun hat. Diskussionen werden unmöglich, da keine gemeinsame Basis mehr gefunden werden kann. Wer sich in Foren gewisser Medien einmal etwas umsieht, kann ob all der Hasskommentare wirklich erschrecken. Natürlich hilft die Anonymität des Netzes, solche Aussagen ungefiltert abzulegen, da Sanktionen kaum zu befürchten sind.

Algorithmen übernehmen die Herrschaft über Themen

Definiert wird der Begriff so: «Ein Algorithmus ist eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems oder einer Klasse von Problemen. Algorithmen bestehen aus endlich vielen, wohldefinierten Einzelschritten.» So wird einer interessierten Person beispielsweise genau der Lesestoff vorgeschlagen, der zu ihrer politischen, religiösen oder gesellschaftlichen Einstellung passt. Mit wenig Aufwand wird so eine optimale Wirkung erzielt. Man möchte Empörung, Skandalisierung erreichen oder möglichst einfache Antworten auf komplexe Fragen geben. Darum wird der Gedankenaustausch auch so schwierig, weil kaum mehr über den Tellerrand hinausgeschaut wird, bis hin zu erbitterten Feindschaften.

KI – Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch

Heute ist der Ausdruck «KI» bereits ein stehender Begriff. Das Wort «Intelligenz» beinhaltet, dass man eigene Gedanken kreiert, mit Fantasie ans Werk geht. Man kann jedoch unterdessen Maschinen so programmieren, dass sie einen Sachverhalt blitzschnell analysieren und daraus Schlüsse für Handlungen ziehen können. Man programmierte beispielsweise Computer wie den Schachcomputer «Deep Blue», der 1997 den damals amtierenden Schachweltmeister Gary Kasparov schlug. Oft kann man unterdessen gar nicht mehr unterscheiden, ob man sich jetzt mit einem Menschen oder einem sogenannten «Bot» unterhält. Das weckt Unbehagen und Ängste.

Bedrohung der Demokratie

Die demokratische Staatsform verlangt mündige Bürger, die hinterfragen, nachhaken und verschiedene Gesichtspunkte in ihr Abstimmungsverhalten einfliessen lassen. Der zunehmende Individualismus bringt es mit sich, dass sich viele nur noch in ihrer ganz persönlichen Welt bewegen. Der Blick auf das grosse Ganze geht verloren. Fake-News brechen komplexe Fragen auf einen einfachen Nenner herunter, erklären die Welt aus der Sichtweise - und zu Gunsten - ihrer Verbreiter. Doch für ein Abwägen aller Faktoren, die bei einer Abstimmung eine Rolle spielen, sind seriöse Medien ein Muss. Werden Behörden, Institutionen oder Medien ständig schlecht gemacht, verkleinert sich das Vertrauen in den Staat. Von gewissen Kreisen ist das natürlich gewollt, denn so lassen sich deren Ziele viel leichter verfolgen.

Medienkompetenz gefragt

Bei einer Befragung fanden 49 % laut einer Umfrage des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft im Jahr 2021 Fake-News zwar ein Problem, aber gleichzeitig 51 %, diese sei nicht besonders gefährlich. Leicht ist es nicht, einer professionell aufgemachten Falschmeldung auf die Schliche zu kommen. Es gilt, sich zu informieren, verschiedene Quellen einzubeziehen und sich danach eine eigene Meinung zu bilden. Grundlage dazu ist eine gute Lesekompetenz.

Leider sind viele Bürgerinnen und Bürger heute nicht mehr bereit, für Qualitätsmedien – die gibt es zum Glück doch auch noch – zu bezahlen. Die Gratiskultur hat sich in viele Bereiche eingeschlichen. «20 minuten» ist die Zeitung mit der höchsten Auflage in der Schweiz. In kleinen Häppchen wird hier der Leserschaft Wichtiges, aber auch sehr viel für die Gesellschaft Unwichtiges vorgesetzt. Leider steigern eben vor allem Skandale und Skandälchen die Auflage. Zu denken geben muss auch der steigende Anteil an Menschen, die keinerlei Medien nutzen, die sogenannt «News-Deprivierten». Das kann einen tatsächlich deprimieren...

Qualitätsjournalismus wird geschwächt

Man kann den Themenbereich rund um Fake-News nicht abhandeln, ohne auf die Unverzichtbarkeit verlässlicher Nachrichten hinzuweisen. Die sogenannte «Vierte Gewalt im Staat» hat eine grosse Verantwortung, die Sachverhalte von brennenden Gesellschaftsthemen mit Recherche und Einordnungen für die Leserschaft auszuformulieren. Doch sinkende Werbe-Einnahmen und zunehmende Konsumhaltung vieler Bürgerinnen und Bürger machen dem Qualitätsjournalismus zu schaffen. Das Thema wird am zweiten Bildungsabend vom Dienstag, 15. März vertieft behandelt werden. Dieser Anlass findet um 19:30 Uhr in der Unterkirche Oberuzwil statt. Dr. Sabrina Heike Kessler, Oberassistentin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich, wird diesen Abend gestalten.