Es war bereits die zweite Durchführung des Passionsweges zur Fastenzeit. Mit dem Kreuzzeichen voran schritten die Teilnehmenden aus den beiden Landeskirchen durch das Stadtzentrum, was auch die Aufmerksamkeit Unbeteiligter erreichte. Diakon Franz Wagner eröffnete bei der Kreuzkirche Wil den Passionsweg. «Gemeinsam auf dem Weg, wollen wir auf starke Frauen aus der Zeit Jesu treffen, indem wir deren Lebensart nachspüren und was sie uns heute zu sagen haben», beschrieb Wagner den Ablauf. Musikalische Begleitung erhielt der Passionsweg durch Miriam Scherrer am Saxophon.
Die Frau des Pilatus
An der ersten Station bei der Kreuzkirche erinnerte Diakon Franz Wagner an die Frau des Pilatus. Von ihr gebe es nicht sehr viel Information über deren Lebensart. Offensichtlich aber war es dem schreibenden Evangelisten aber wichtig, deren Intervention zur Verurteilung Jesu bei Pilatus festzuhalten. Die Frau des Pilatus habe sich bei ihrem Mann Pilatus gegen die Verurteilung Jesu gewehrt aus einem erlebten Traum in der Nacht. Darin zeige sich das feine Gespür der Frau für Traumdeutung und der Mut zu sagen was zu sagen ist.
Maria Magdalena
An der zweiten Station beim Kloster St. Katharina stellte Priorin Simone Hofer die biblische Frau Maria Magdalena als Frau der Freundschaft vor. Freundschaftlich begleitete und unterstützte sie Jesus in guten und schwierigen Zeiten. Dank steter Vertiefung der Freundschaft habe sie auch das Scheitern und den Tod Jesu überstanden. Weder Schrecken noch Angst, weder Folter noch Tod habe die Freundschaft abbrechen lassen.
Daraus lasse sich schliessen, dass es für Freundschaft und Liebe keine Hindernisse gebe. Auch auf dem Gang zum Kreuz habe Magdalena nicht von Jesus abgelassen. Stark sei Maria Magdalena nicht aus eigener Kraft geworden, sondern aus der unverbrüchlichen Freundschaft Gottes zu den Menschen, was auch Menschen von heute nutzen können.

Die heilige Veronika
Das nächste Innehalten folgte bei der Stadtkirche, wo die heilige Veronika und deren mutiges Einschreiten für Jesus zum Thema wurde. Brigitte Witzig und Norbert Schalk umschrieben deren Lebensart. Veronika, bekannt durch das Schweisstuch mit eingeprägtem Jesus und dessen Dornenkrone, habe sich auf dem Kreuzgang Jesu mit spontanem Einsatz gezeigt. Nicht die Apostel, sondern eine Frau, Veronika, sei ohne grosses Aufsehen zur Tat geschritten, Jesus den Schweiss abzuwischen. Veronika habe gemacht was Not-wendet.
Veronika könne uns Mut machen in unserem Alltag ebenso ohne Aufsehen zu handeln. Ein Jedes könne sich selbst die Frage stellen, wann letztmals die eigene Not gewendet wurde.

Dorothee Sölle
Mitten in der Fussgängerzone folgte das nächste Innehalten. Zur Vorstellung kam die Theologin Dorothee Sölle. Sie sei es gewesen, die uns suchende, zweifelnd glaubende Menschen berührte mit der Kraft ihrer Sprache. In ihrer Lebensart sei zum Vorschein gekommen, was im Leben wirklich zählt.
In der Vorstellung der Gedanken durch Diakonin Ursula Möck und Franz Schibli kamen weitere Hinweise zur Begegnung von Maria und Martha, wo Jesus dem Hinhören von Maria auf seine Auslegungen mehr Gewicht gab, als dem emsigen Schaffen von Martha.

Gebetshaus Hauptpost
Beim Gebetshauses Wil, im oberen Stockwerk der Hauptpost, fand das vorletzte Innehalten statt. Das Leiterehepaar Liborada und Elmar Meile wiesen eingangs auf die Wirkkraft des Gebetshauses hin, ein Ort wo man Last loswerden könne, wenn alles zu viel wird und man kaum mehr kann. Die Kapelle ist frei zugänglich und kann über die Webseite Gebetshauswil.ch eigens für sich allein reserviert werden, zurzeit tagsüber während acht Stunden geöffnet.
Zur Vorstellung kam die Heilung einer blutflüssigen Frau, im Markus-Evangelium festgehalten. Sie stehe für starken Glauben, nur die Berührung des Kleides Jesu geheilt zu werden. Jesu Antwort: «Dein Glaube hat dir geholfen». Für unsere Zeit übertragen gelte, Jesus einfach alles zuzutrauen, zu nehmen was Jesus anbietet, wenn Verzweiflung Auswege sucht.
Dora Rittmeyer, eine starke St. Gallerin
Christoph Casty, Pfarrer bei Evangelisch Wil, wies an der letzten Station bei der Kirche St. Peter auf die einstmals starke St. Gallerin, Dora Rittmeyer-Iselin, hin. Sie gehöre zu den profiliertesten Schweizer Frauen des 20. Jahrhunderts. Sie habe sich schon vor Kriegsbeginn in den Dreissiger Jahren gegen die unwürdige Abweisung jüdischer Flüchtlinge gewehrt. Bei ihrem Einsatz habe sie zeitweise um 100 Flüchtlingskinder betreut. Tatendrang besonderer Art habe sie gezeigt mit direkten Briefen an den Chef der Fremdenpolizei in Bern, die Haltung gegen heimatlose jüdische Kinder zu ändern. Sie habe sich auch in der Frauenbewegung prägend erwiesen.
Mit dem Gesang «Wachet mit mir» schloss der Passionsweg. Dank noch immer angenehmen Temperaturen konnte die angekündigte Suppe im Freien genossen werden.