12.15 Uhr, eigentlich ist Zeit für die Mittagspause – und trotzdem sind fast alle Stühle der Aula in der Kantonsschule Wil mit Schülerinnen und Schülern besetzt. Denn an diesem Montag findet hier eine Podiumsdiskussion statt, für die Schüler der dritten und vierten Klassen ist der Besuch obligatorisch. Zur Diskussion eingeladen habe man bewusst ein fünfköpfiges Gremium, zusammengesetzt aus verschiedenen Parteien, Generationen und Geschlechtern, aus bereits etablierten und noch unbekannten Namen, so Moderator und Lehrer Patrick Bernold zu Beginn. Er eröffnet die Diskussion mit den Fragen: «Was hat Sie politisch interessiert, als Sie zwischen 17 und 19 Jahre alt waren?» Und: «Wer oder was hat sie bewogen, in die Politik zu gehen?»
Marc Rüdisüli (JCVP) aus Sirnach, mit 21 Jahren der jüngste der Runde und bis vor einem Jahr selbst Schüler an der Kanti Wil, antwortet als Erster: «Ich bin am Familientisch politisiert worden.» Seine Schwester sei zudem bei den Jungfreisinnigen gewesen und er habe oft festgestellt, dass er nicht ihrer Meinung sei. Ausserdem störten ihn «diese Maximalforderungen. Wir müssen am Puls der Zeit bleiben und auch mal über den eigenen Schatten springen. Das passiert links und rechts immer weniger.» Er habe sich eine Partei gesucht, die ihm entspräche und so sei er denn bei der JCVP gelandet.
«Geht wählen»
Danach wird Mike Egger (SVP) das Wort erteilt. Er ist 27 Jahre alt, bereits mit 19 Jahren wurde er in den Kantonsrat gewählt. Dazu sagt er: «Eigentlich wollte ich gar nicht antreten, ein Kumpel hat mich aber dazu überredet.» Seit gut einem Jahr sei er nun Nachfolger von Toni Brunner in Bern, was sehr spannend sei. Egger richtet sich mit einem Appell ans Publikum: «Geht wählen. Es braucht mehr junge Leute in Bern, die sich gegen den politischen Filz dort wehren.»

Wie Egger ist auch Franziska Ryser (Grüne) 27 Jahre alt. Sie konnte sich den Gang in die Politik schon früh vorstellen: «Zwischen 17 und 19 habe ich mich etwa in die Kanti-Schülerorganisation eingebracht. Daneben haben mich Umweltschutz- und Klimathemen sehr interessiert, die damals kaum thematisiert wurden.» Es sei ihr klar gewesen, dass man selbst etwas tun müsse, damit etwas passiere. Und so engagierte sie sich etwa im Sozial- und Umweltforum St. Gallen. Schliesslich sei sie von Freunden angefragt worden, «die bei den Jungen Grünen politisierten und durfte mit 21 Jahren dann ins St. Galler Stadtparlament nachrutschen.»
Bewegte Zeiten in Berlin und Zürich
Jigme Shitsetsang (FDP) aus Wil sagt: «Ich bin in einem sehr politischen Haus aufgewachsen, meine Eltern kommen beide aus dem Tibet, haben eine Fluchtgeschichte.» So sei sein Bewusstsein dafür, was es bedeute, keine politischen Rechte zu haben, sehr hoch. Schon als Kleinkind sei er an Demonstrationen und Kundgebungen dabei gewesen. Auch sei damals, als er im Alter vieler Zuhörender war, die Berliner Mauer gefallen, was ihn sehr geprägt habe, so der 48-Jährige.
Barbara Gysi (SP) ist 55 und sagt zu ihrem Einstieg in die Politik: «Es waren die 1980er in Zürich, eine bewegte Zeit. Es gab viele Demonstrationen. Man hat sich ein autonomes Jugendzentrum erkämpft und sich gegen das Establishment aufgelehnt.» Neben ihrer Familie sei es vor allem die Zeit gewesen, die sie politisiert habe. Aktiv eingestiegen sei sie anfangs der 1990er, nachdem sie erkannt habe, dass sich auch an den Rahmenbedingungen etwas ändern müsse. Die Wilerin sagt: «Die SP war die richtige Lösung, da sie sich nebst der Gleichstellungs- und Sozialpolitik auch schon früh die Umweltpolitik auf die Fahne geschrieben hat.»