Anlässlich der 500-Jahrfeiern zum Beginn der Reformation feierten die reformierten Kirchgemeinden in allen Kantonen mit der gleichen Liturgie und bezeugten so die Verbundenheit untereinander. Auch Oberuzwil feierte mit, einzig die musikalische Gestaltung wurde getreu dem Leitspruch „Quer denken – frei handeln…“ auf eigene Weise umgesetzt. Oberuzwil hat ein musikbegeistertes Pfarrehepaar, dazu einen versierten Organisten für die eher rockigen Töne.Ursachen der Reformation
Der Ablasshandel - diese unsägliche Art, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen durch unlösbare Versprechen auf himmlische Gnade – war Luther ein Dorn im Auge. Auch sonst gefiel ihm, dem frommen Mönch, vieles nicht an seiner Kirche. Weder wollte der wortmächtige Mann eine neue Kirche schaffen noch politische Umstürze verursachen, ihm lag einzig eine wahrhafte, dem Mitmenschen verpflichteten Kirche - samt deren Personal - am Herzen. „Allein aus Gnade“, diese Einsicht wurde ihm zum grossen Erweckungserlebnis. Doch seine 95 Thesen an der Wittenberger Kirchentüre – schon vorher heiss diskutiert – lösten ein Erdbeben aus, welches bis heute anhält. Luthers Gedanken beeinflussten die Wirtschaft, die Umwelt allgemein sowie ganz besonders die Gesellschaft.
Wortschöpfer
Luther übersetzte die Bibel in die Sprache seines Volkes, schuf dabei neue Wörter, dichtete auch viele Lieder und wurde zu einem einflussreichen religiösen Führer. Nun konnte auch das Volk mitreden, jetzt, wo es die Sprache der Bibel auch verstand. Es brauchte keinen Vermittler mehr zwischen Gott und dem einzelnen Menschen. In der Schweiz nahmen Zwingli und in Genf Calvin seine Gedanken auf und brachten den neuen Glauben auch hier zu den Menschen. Allerdings erwuchsen daraus auch viele kriegerische Auseinandersetzungen, wobei es meistens mehr um Macht und weniger um religiöse Themen ging. Das hat sich bis heute nicht geändert.
Es begann schon vor Luther
Diakon Richard Böck und Pfarrer René Schärer machten sich in einer Dialog-Predigt Gedanken zu den Vorgängen vor 500 Jahren und überlegten sich die Auswirkungen auf uns heutige Christen. Richard Böck ist seit Langem fasziniert von der Person Martin Luther. Er hat dazu sogar ein Buch geschrieben mit dem Titel „Durchs Feuer hindurch.“ Doch die Geschichte begann schon viel früher. In Prag litt der Theologe Johannes Hus an der Verkommenheit vieler Kirchendiener und äusserst sich auch öffentlich dazu. Er wurde zum Reichstag in Konstanz eingeladen. Man versprach ihm trotz seiner „ketzerischen Ideen“ freies Geleit. Doch dann wurde er gefangengenommen, gefoltert und in einen fürchterlichen Tod geschickt. Doch seine Gedanken gärten in manchen Köpfen weiter.
Ein Gespräch über die Auswirkungen der Reformation
Anhand des Gleichnisses vom Hausbau aus Matthäus 7, Verse 24-27 machten sich die beiden Seelsorger Gedanken zu Luthers grosser Bedeutung für uns heutige Menschen. Diese durften nun selber denken, das war völlig neu. Sie waren aber nun aber auch selber verantwortlich für ihr Tun, konnten nicht mehr mit ein paar Talern ihr Seelenheil erkaufen. Luther wollte keine Dogmen mehr, ihm war vielmehr „Vergebung“ zu einem wichtigen Wort geworden. Allerdings verschwand damit auch etwas gar zu viel von den vertrauten Symbolen wie Kerzen oder gemeinsam gesprochenem „Unser Vater“ aus den gottesdienstlichen Feiern. Langsam kommen diese sinnlich erfahrbaren Zeichen wieder in die reformierten Kirchen zurück. Stete Erneuerung gehört auch heute zu einem gelebten Glauben.
Heutige Thesen
Im Chor vorne war eine Art Kirchentüre zu sehen. Im Laufe des Dialogs kamen die beiden Seelsorger zur Einsicht, dass auch heute solche Thesen nötig wären, beispielsweise neue Gottesdienstformen, die heutige Menschen ansprechen. Und so schlugen sie mehrere Thesen an diese Türe, so auch die Idee, dass die Gemeindeglieder viel mehr in den Gottesdienstablauf eingebunden werden könnten. Einen kleinen Schritt hat die Kirchgemeinde dazu schon gemacht, nämlich mit dem Einsetzen einer Lektorengruppe. Aber auch der Einsatz für die Schwächsten, welcher sich sehr wohl auch in politischen Äusserungen Raum verschaffen könne, wurde als These angeschlagen. Und noch eine wichtige These folgte nach: Die Kirche muss nahe zu den Menschen gehen. Das hat man mit den Chilbi-Gottesdiensten oder dem Gottesdienst zum Nationalfeiertag schon leise begonnen, und zwar zusammen mit den katholischen Mitchristen.
Nach dem Gottesdienst wurde diese Türe mit ins Kirchgemeindehaus genommen. Dort bekam jedermann Gelegenheit, eigene Thesen anzunageln. Vorgesehen ist, möglichst viele dieser Anliegen in das künftige Gemeindeleben einfliessen zu lassen.
Rockige Klänge
Während die schweizerische Liturgie bekannte Lieder vorschlug, suchte sich das Oberuzwiler Seelsorgeteam Songs aus dem Gospel- und Pop-Fundus aus. Zur Einleitung hörte die Gemeinde ein Lied von Tracy Chapmann „Talkin‘ About a Revolution“, passend zum Thema „Reformation“, welche ja auch eine Art Revolution einleitete, vom Pfarrehepaar Schärer stimmgewaltig vorgetragen und von Pianist – und Organist – Christian Schneebeli wirkungsvoll unterstützt. Beim bekannten Gospelsong „Oh, Happy Day“ war dann auch die Gemeinde zum Mitsingen eingeladen. Zwischen der Dialogpredigt sang das Duo eine Art Hymne auf die Menschlichkeit von Christina Stürmer – im Kasten ist das Original nachzuhören. Auch die Gemeinde kam zwischenhinein zum Singen.
Und als schwungvollen Abschluss des stimmungsvollen Gottesdienstes sang das Duo den Megahit von Joe Cocker „Unchain My Heart“ – eigentlich ein Abschiedslied an eine Frau – als Aufruf, die Fesseln zu sprengen. Die Gemeinde applaudierte und freute sich auf den Apéro mit der Reformationswurst.
Gebete und Fürbitten
In allen Gebeten wurde in heutiger Sprache um den richtigen Umgang unter Menschen ersucht. So hiess es beispielsweise: „ Wir bitten darum, dass Menschen zählen und nicht die Menschen gezählt werden.“ Auch das KAPPELER CREDO, ein sehr schönes, gehaltvolles Glaubensbekenntnis für Menschen unserer Zeit wurde gemeinsam gesprochen. Es kann im Kasten nachgelesen werden. Das gemeinsame Abendmahl schloss an die Fürbitten an und verband, durch ein gegenseitiges Friedenszeichen bestätigt, alle Gemeindeglieder für einen Augenblick miteinander.
Ein ganz spezielles Vorhaben
Religionslehrerin Christina Walser-Wullschleger stellte ein Projekt vor, an welchem die ganze Kirchgemeinde mitwirken kann. Es ist nämlich geplant, eine „Reformationsbibel“ zu gestalten. Einzige Vorgabe ist das Format. Blätter dazu können in der Kirche oder im Kirchgemeindehaus bezogen werden. Das Motto heisst: „Vielfalt für die Einheit.“
Geselliges
Es hat sich eingebürgert, was an vielen Orten schon jahrelange Tradition ist, dass man nach der Kirche noch im Kirchgemeindehaus zum Kirchenkaffee zusammenkommt. Diesmal gab es von Metzger Walter Willi eine speziell für diesen Festtag kreierte Reformationswurst, welche grossen Anklang fand und sehr gut schmeckte. Für den Service ist ein spezielles, freiwilliges Kirchenkaffee-Team verantwortlich. Ohne diese Freiwilligen wäre das Gemeindeleben sehr viel ärmer.
Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Oberuzwil-Jonschwil
Homepage der evangelisch-reformierten St.Galler Landeskirche
Hier können die Vorschläge zur Liturgie des heurigen Reformationssonntags nachgelesen werden. Oberuzwil hat musikalisch eigene Wege beschritten und den einen oder andern Text selber gestaltet.
Liturgie des Reformationssonntag
Christina Stürmer – Seite an Seite
Angaben zum Buch "Durchs Feuer hindurch" von Richard Böck
Glaubensbekenntnis „Credo von Kappel“
Ich vertraue Gott, der Liebe ist, Schöpfer des Himmels und der Erde.
Ich glaube an Jesus, Gottes menschgewordenes Wort, Messias der Bedrängten und Unterdrückten, der das Reich Gottes verkündet hat und gekreuzigt wurde deswegen, ausgeliefert wie wir der Vernichtung, aber am dritten Tag auferstanden, um weiterzuwirken für unsere Befreiung, bis Gott alles in allem sein wird.
Ich vertraue auf den heiligen Geist, der in uns lebt, uns bewegt, einander zu vergeben, uns zu Mitstreitern des Auferstandenen macht, zu Schwestern und Brüdern derer, die dürsten nach der Gerechtigkeit.
Und ich glaube an die Gemeinschaft der weltweiten Kirche, an den Frieden auf Erden, an die Rettung der Toten und an die Vollendung des Lebens über unser Erkennen hinaus.

Dieses Trio - Pfarrer René Schärer an der Gitarre, seine Frau Fanziska mit Gesang und Christian Schneebeli am E-Piano - verwöhnte die Kirchenbesucherinnen und -Besucher mit rockigen Tönen und nachdenklichen Texten.

Christine Walser-Wullschleger stellte das Projekt "Reformationsbibel" vor und lud zum Mitgestalten ein.

Die feinen heissen Reformationswürste fanden begeisterten Anklang. Damit wurde auch das Kochen zuhause für einmal überflüssig.

Luther wird als "Urvater" der Reformation betrachtet. Für die Schweiz sind Zwingli, Calvin und auch Vadian wichtige Väter dieser Neuerungsbewegung, die so viel für die Menschen verändert hat.

Kollegialer Austausch, im Hintergrund eine Zeichnung zum Gleichnis des Hausbaus - entweder auf sicherem Fels oder auf trügerischem Sand...

Predigt als Gedankenaustausch über die Zeit vor und nach Luther.

Diakon Richard Böck ist ein grosser Luther-Kenner und hat auch ein Buch über diesen grossen Mann geschrieben.

Zum Abendmahl sind alle eingeladen, vorne die Helferinnen und Helfer, in den Kirchenbänken die übrige Gemeinde.

Löse die Fesseln - "Unchain My Heart" - die Joe-Cocker-Hymne als Ausgangslied und Energieschub für die kommende Woche erfreute nach dem Schlusssegen und den Mitteilungen.

In Erinnerung an den Tabubruch, zu Beginn der Fastenzeit Fleisch zu essen - Froschauer Wurstessen 1522 - wurden speziell für diesen Sonntag Reformationswürste hergestellt und natürlich auch konsumiert.

Lisa Alder, Präsidentin der Oberuzwiler Kirchenvorsteherschaft, verschenkte selbstgebackenen Zwingliköpfe aus Mailänderliteig. Den Schokoladehut hatte Gatte Heiri aufgepinselt.