Eine warme Juni-Sommernacht. Das Wiler Publikum steht noch um 22 Uhr nachts kurzärmlig vor der Bühne. Die Besucher wippen zur Musik und viele halten in der Hand einen Plastikbecher mit Bier. Dieses Openair-Bild hat sich in den vergangenen 18 Jahren in Wil institutionalisiert. «Das ‘Rock am Weier’ gehört mittlerweile zu Wil wie das Amen in der Kirche», sagt Daniel Stieger, OK-Präsident des Wiler Openairs. Im Interview erklärt er, warum das Openair gerade von den Altstadt-Bewohnern akzeptiert wird und warum auch weiter kein Eintritt verlangt wird.

«hallowil.ch»: Herr Stieger, das «Rock am Weier» gehört seit bald zwei Jahrzehnten zu Wil. Heuer wird es bereits zum 19. Mal durchgeführt. Warum ist das Openair noch immer kostenlos? 
Für unser Organisationskomitee hat das einen ganz einfachen Grund: Wir wollen der ganzen Kommerzialisierung entgegenwirken. Gerade weil heute alles immer teurer wird und alles Mögliche in der Gesellschaft kommerzialisiert wird. Mit dem «Rock am Weier» möchten wir zeigen, dass ein kostenloser Event durchaus funktioniert und obendrauf noch Erfolg haben kann. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Angebot der Stadt Wil. Dass wir bereits das 19. Festival organisieren, spricht doch für uns, oder?

«hallowil.ch»: Ob kostenlos oder nicht. Es fallen trotzdem Kosten an. 
Ja natürlich. Wenn wir wollten, dann könnten wir einen Eintritt verlangen. Das Einzige, das überhaupt dafür sprechen würde, ist, dass wir dann weniger Risiko bei schlechtem Wetter tragen würden. Bei anderen Openairs gehen die Leute trotz Regen und Schlamm hin, weil sie eben im Vorfeld ein teures Ticket gekauft haben. Regnet es an unserem Event-Wochenende, kommen dann eben markant weniger Besucher. Trotzdem: Das «Rock am Weier» ist seit der Gründung kostenlos und wird es auch in Zukunft bleiben. Sonst wären wir plötzlich nicht mehr eines der grössten Gratis-Openairs der Schweiz.

«hallowil.ch»: Ein kostenloser Event hat sicherlich auch Nachteile?
Nein, Nachteile würde ich nicht sagen. Wer ein Gratis-Openair auf die Beine stellt, ist sich bewusst, was dieses für Risiken birngt. Hinzukommt, dass man in unserem Fall keine grossen Stars wie beispielsweise Patent Ochsner auf die Bühne holen kann. Weil wir sie einfach nicht bezahlen können. Wir können uns höchsten einen bekannteren Artisten leisten. Deshalb setzen wir vermehrt auf Künstler aus der Region. Das bedeutet aber nicht, dass wir musikalisch nichts zu bieten haben oder schlechter als andere Openairs sind. Im Gegenteil: Unsere Besucher sind mit dem Angebot zufrieden. Zumal viele nicht nur wegen der Musik kommen, sondern wegen der Atmosphäre. Viele kommen, weil sie mit dem Anlass gross geworden sind. Beispielsweise für mich hat er eine ganz eigene Bedeutung: Ich habe hier freiwillig als Stromer angefangen. Deshalb sage ich immer, dass das «Rock am Weier» ein grosses Klassentreffen ist. Egal, ob sie noch in Wil wohnen oder nicht – an ihr Openair kommen die Wiler immer. Aber nicht nur die. Auch Ostschweizer und Besucher von ausserhalb der Region finden einmal im Jahr den Weg nach Wil.

«hallowil.ch»: Kommen wir noch einmal zur Finanzierung zurück.
Dank unseren langjährigen sowie treuen Sporen und den freiwilligen Helfern, die vor allem aus verschiedenen Vereinen kommen, haben wir eine gute finanzielle Basis, um den Anlass Jahr für Jahr organisieren zu können. Und dann sind da noch die Besucher, die mit ihrem Konsum den stärksten Umsatz des Openairs ausmachen.

«hallowil.ch»: Wie viele Helfer arbeiten am «Rock am Weier» unentgeltlich?
Wir haben jedes Jahr etwa 240 Helfer, die sich für einen reibungslosen Anlass einsetzen. Die Mehrheit dieser Helfer bekommt ein Essen umsonst, aber sonst verlangen sie keinen Rappen. Alleine was das Organisationskomitee an freiwilligen Stunden leistet, ist bemerkenswert. Während des ganzen Jahres trifft sich dieses und diskutiert über das Budget, organisiert die Verpflegungsstände oder bespricht das Programm. Es fallen dann noch kleinere und grössere Aufgaben an. Eine Festival-Organisation hat also keine Pause. Natürlich gibt es einige weniger attraktive Arbeiten, wie beispielsweise das Putzen nach dem Event. Dies entlohnen wir, weil sie sonst niemand machen würde. Und den Vereinen, die uns unterstützen, geben wir pauschal etwas in die Vereinskasse.

 
Daniel Stieger, OK-Präsident «Rock am Weier», über die Highlights des Wiler Openairs 2019. (Video: Magdalena Ceak)

«hallowil.ch»: Was sind das für Menschen, die sich so für den Erhalt des Wiler Openairs einsetzen?
Menschen, die nicht in allem das Geld sehen, sondern die sinnvolle Sache dahinter. Unsere Helfer sind hilfsbereite Leute, denen das «Rock am Weier» besonders am Herzen liegt. Es sind junge Erwachsene, die mit dem Event gross geworden sind. Wir haben beispielsweise jemanden im OK, der Gründungsmitglied ist und dieses Jahr zum 19. Mal dabei ist. Auch das ehemalige OK hilft regelmässig mit. Wir sind wie eine kleine Familie.

«hallowil.ch»: Wie hat sich das «Rock am Weier» in den vergangenen 18 Jahren entwickelt und verändert?
Vieles ist so gleich geblieben, weil das OK von der Philosophie der Gründer überzeugt ist. Aber unser Openair ist in den rund zwei Jahrzehnten bedeutend grösser geworden: Wir haben mehr Besucher, mehr Food-Stände und damit auch eine grössere Infrastruktur. Seit etwa sieben Jahren ist das Festival-Gelände abgesperrt und man kann nicht von allen Seiten reinkommen. Das mussten wir aus Sicherheitsgründen machen. Und auch, um eine Übersicht über die Besucherzahlen zu behalten und um die Alkoholbänder für den Jugendschutz korrekt verteilen zu können.

«hallowil.ch»: Beim letzten Openair haben Sie mit rund 17'000 Besuchern einen Rekord geknackt. Wollen Sie, dass der Anlass noch grösser wird? 
Nein. Aufgrund des Platzverhältnisses am Weier können und wollen wir nicht noch mehr Besucher anziehen. Ausserdem haben wir jetzt eine Grösse erreicht, die wir mit den freiwilligen Helfern und den Gratis-Eintritten noch stemmen können. Ein weiterer Wachstum würde eine grössere Belastung in den verschiedensten Bereichen bedeuten: für das OK, die freiwilligen Helfer, die Bewohner, die Altstadt, das Budget. Es soll so bleiben, wie es ist. Denn jedes Jahr haben wir gar keine bis wenig Reklamationen von den Anwohnern.

«hallowil.ch»: Das heisst? 
Es gibt keine Bewohner, die sich über die Ruhestörung beklagen. Das «Rock am Weier» stösst auf grosse Akzeptanz. Viele Altstadt-Bewohner kommen zum Weier runter und nehmen teil. Wenn in den vergangenen Jahren Reklamationen eingegangen sind, dann waren das gerechtfertigte Beschwerden. Eine Zeit lang hatten wir Probleme mit Besuchern, die in die Gärten der Altstadt-Bewohner gegangen sind. Dabei liessen sie ihren Abfall dort. Aber dieses Problem konnten wir vergangenes Jahr mit der Altstadt-Beleuchtung lösen.

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Die Altstadt-Beleuchtung sieht nicht nur schön aus, sondern sorgt auch dafür, dass die Gärten nicht betreten werden.

«hallowil.ch»: Nächstes Jahr feiert das «Rock am Weier» sein 20-jähriges Bestehen. Steht da schon ein spezielles Programm? 
Ehrlich gesagt: nein! (lacht). Wir machen nach einem Festival-Wochenende immer einen Monat Pause, bis wir uns wieder treffen und mit der Planung des nächsten Openairs beginnen. Wegen der Finanzen können wir nächstes Jahr keine riesige Sause veranstalten. Aber für das Jubiläum wird schon etwas Besonderes auf dem Programm stehen. Ich persönlich habe schon eine Idee: Ich würde gerne die alte Bühne des ersten «Rock am Weier» aufbauen. Die erste Bühne war nämlich ein dreieinhalb Tonnen schwerer Lieferwagen. Ich möchte, dass man sieht, wie unser Openair in zwei Jahrzehnten gewachsen ist. Aber da ist nur eine Idee, es ist nichts spruchreif. Vieles hängt auch vom aktuellen Jahr ab. Wenn wir heuer schönes Wetter und eine starke Besucherzahl haben, dann haben wir nächstes Jahr auch mehr finanzielle Möglichkeiten. 

Mehr Informationen unter: www.rockamweier.ch