Ein Augenschein auf der Konstanzerstrasse, welche von Wil nach Rossrüti und dann weiter in den Thurgau führt, zeigt es deutlich: Die Verkehrsteilnehmer fühlen sich nicht sicher. Vor allem Kinder fahren lieber auf dem Trottoir. Dafür hat Daniel Schläpfer von Pro Velo Wil vollstes Verständnis, obwohl es verboten ist. Er sagte sogar seinen Töchtern während deren Primaschulzeit: «Fahrt an dieser Stelle lieber auf dem Trottoir. Ich bezahle jede Busse, das ist es mir wert.»

Es geht um die Kreuzung, bei welcher die vom Hofberg-Quartier kommende Grundstrasse in die Konstanzerstrasse mündet. Auf jener Kantonsstrasse ist nicht nur viel Schwerverkehr unterwegs, sie wird auch von Oberstufenschülern aus Rossrüti genutzt – und von kleineren Kindern, die mit dem Velo in die Badi Weierwise wollen. «Viele Eltern bezahlen lieber ein Busabo oder bringen ihre Kinder und auch Jugendliche per Elterntaxi zum Schulhaus. Dabei ist im innerstädtischen Verkehr das Velo weitaus das effizienteste, schnellste, preisgünstigste und umweltfreundlichste, Verkehrsmittel. Es könnte wesentlich zur Entlastung des Strassennetzes beitragen», sagt Schläpfer.

Im Durchschnitt mehr als ein Unfall pro Jahr
Wer von Wil kommend mit dem Velo in die Grundstrasse einbiegen will und die entsprechende Einspurstrecke nutzt, läuft Gefahr, dass rechts zum Beispiel ein Lastwagen mit mehr als den erlaubten 50 Stundenkilometern verbeidonnert. «Viele Lenker haben das Gefühl, dass an dieser Stelle die 50er-Zone bereits aufgehoben wird», sagt Schläpfer. Wenn man auf der Konstanzerstrasse auf dem Velo nach Rossrüti weiterfahren möchte, drohen ebenfalls unnötig spektakuläre Überholmanöver. 

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"Es braucht Mut, hier einzuspuren. Viele Autos fahren zu schnell", sagt Daniel Schläpfer nach dem Selbstversuch.

Einige Meter weiter sieht es in Rossrüti nicht besser aus und es kommt auch dort immer wieder zu gefährlichen Situationen. Unfälle sind die logische Konsequenz. Deren acht sind auf besagtem Strassenabschnitt seit dem Jahr 2012 registriert. Fast immer ist ein Velofahrer oder ein Motorradfahrer involviert. Es dürfte zudem eine Dunkelziffer geben, da beileibe nicht jeder Unfall der Polizei gemeldet wird.

Hoffen auf den Sammeltopf
Es besteht also Handlungsbedarf. Bereits in den Jahren 2014 und 2015 haben Stadt und Kanton ein detailliertes Betriebs- und Gestaltungskonzept mit Verbesserungen für den Langsamverkehr mit durchgehendem Radstreifen erarbeitet. Als vor kurzem das kantonale Strassenbauprogramm für die Jahre 2019 bis 2023 erschienen ist, staunte Schläpfer nicht schlecht. «Das Projekt scheint in den kantonalen Schubladen verschwunden zu sein. Es wird offenbar lieber viel Geld für den Autoverkehr und Umfahrungen bereitgestellt.» Noch gibt es aber Hoffnung. Denn laut Schläpfer existiert ein Sammeltopf, aus welchem solche Kleinprojekte finanziert werden können. Der Vertreter von Pro Velo Wil fordert, dass nun etwas geschehen müsse. Er denkt an eine so genannte Kernfahrbahn auf Ortsgebiet Rossrüti. Ein solche hat durchgehend und beidseitig einen Velostreifen, dafür keine Mittellinie. Auf Gebiet der Stadt Wil seien Sofortmassnahmen schwieriger umzusetzen, da die Strasse verbreitert werden müsste und das Hochwasserschutz-Konzept des Krebsbachs einfliesse. Dieses befindet sich noch in der Pipeline.

Ganz grundsätzlich stellt Schläpfer der Stadt Wil ein mittelprächtiges Velo-Zeugnis aus. Er sagt: «Es gibt zwar Konzepte, die gut und recht sind. Doch viele von ihnen liegen in der Schublade. Man hinkt hinterher und es fehlt eine übergeordnete Struktur. Darum hat Wil auch verhältnismässig wenig Veloverkehr.»