Der neue Lehrplan gab viel und kontrovers zu reden. Kaum bestritten ist die Tatsache, dass eine wichtige Koordination gelungen ist: 21 Deutschschweizer Kantone bekommen eine gemeinsame Grundlage für den Unterricht auf der Volksschulstufe. Auf den neuen Lehrplan ist die Lehrerschaft gründlich vorbereitet worden. In Uzwil ist sozusagen der Startschuss mit einer Impulsveranstaltung am Schluss der Sommerferien gegeben worden. Ein wichtiger Aspekt dabei war der sorgsame Umgang mit der Zeit.Die Einführung des Lehrplans 21 ist keine Hau-Ruck-Aktion. Zuerst auf kantonaler, dann auf kommunaler Ebene ist eine Reihe von Veranstaltungen und Kursen durchgeführt worden. Die Lehrpersonen haben sich gründlich mit ihrer neuen Arbeitsgrundlage auseinandergesetzt. In Uzwil war die Projektleitung den beiden Schulleiterinnen Mirjam Meili (Primarstufe) und Mary Baumgartner (Oberstufe) übertragen. Sie haben die obligatorischen Weiterbildungen teils stufenübergreifend, teils auf die Schulhäuser bezogen durchgeführt.
Erdrückende Stofffülle
Ein Kritikpunkt bei jedem neuen Lehrplan ist die Menge an (neuem) Schulstoff. Das Leben und die Welt werden nicht einfacher. Wandel und Entwicklung wollen im Unterricht berücksichtigt sein. Gegen Abstriche am bisherigen Stoff entsteht meist Widerstand. Deshalb sehen manche Lehrpersonen einen unüberwindlichen Berg vor sich.
Solche Ängste zu zerstreuen, war das Ziel der Impulsveranstaltung der Uzwiler Primarlehrerschaft. Urs Eisenbart verstand es, mit trefflichen Überlegungen und Beispielen den Blick auf das Wesentliche zu lenken.
Relativität der Zeit
Urs Eisenbart ging von der Redensart «Carpe diem» (nutze die Zeit – geniesse die Zeit) aus. Bereits die Zeitwahrnehmung sei relativ. Für junge Menschen verlaufe sie langsam, ältere empfänden den Zeitablauf immer schneller. Bei einem Verkehrsstau habe die Radiodurchsage früher von Wartezeit gesprochen, heute sei das ein Zeitverlust. «Kann man Zeit verlieren? Oder kann man sie gewinnen? Ist der Zeitgewinn durch einen schnelleren Verkehrsweg oder durch einen Rasenmäh-Roboter wirklich ein Gewinn?»
Nicht alles ist (gleich) wichtig
Auf diese rhetorischen Fragen erwartete der Referent keine Antworten. Sie hatten vielmehr die Aufgabe, die Kursteilnehmer darüber diskutieren und philosophieren zu lassen. Eine grundlegende Erkenntnis aus den Ausführungen und Diskussionen war schliesslich: Wir müssen Prioritäten setzen. Es gibt Wichtiges, dass zuerst und gründlich erledigt werden muss. Bei den weiteren Abstufungen braucht es den Mut zur Lücke. Oft verlieren wir uns ja in unnützen Aktivitäten, auf welche wir ersatz- und verlustlos verzichten könnten.
Die Ratschläge nach der Konzentration auf das Wichtige und den Mut zur Lücke wollte Urs Eisenbart besonders auch für den Unterricht nach dem neuen Lehrplan verstanden wissen. Und er fügte bei: «Auch die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens.»




